Zusammenfassung
Die Evolution der Organismen beinhaltet nicht nur über lange Zeiträume hinweg selektionsneutral ablaufende, zufällige Änderungen in den biochemischen Bausteinen und ebenso zufällige Verschiebungen von Allelhäufigkeiten in der dynamischen Entwicklung von Populationen, sondern vor allem ständige, selektive Anpassung zur jeweiligen Konkurrenz– oder allgemein Überlebensfähigkeit unter sich wandelnden Umweltbedingungen. In dieses natürliche Geschehen greift der Mensch bei der Domestikation entscheidend ein. Hierbei ist ein selektionsneutraler Wandel in den biochemischen Systemen in Anbetracht der in Frage kommenden Zeiträume vernachlässigbar, während zufällige Verschiebungen von Allelhäufigkeiten zunächst bei Übernahme nur kleinster Populationskerne in die Gefangenschaftszucht eine um so größere Rolle spielen. Da hierbei nur ein sehr beschränkter Anteil des gesamten Genpools, der Gesamtheit der Gene aller zur Population gehörigen Individuen, herausgeholt wird, der dann zur erneuten starken Vermehrung kommt, ist dem Zufall die Tür geöffnet, wie sich das Bild der neuen Population im Hausstand gegenüber der alten Wildpopulation verändert. Der entscheidende Faktor bei der Domestikation ist jedoch das Beenden der natürlichen Zuchtwahl für die in Frage kommenden Tiere und die Einschränkung der Wirkung natürlicher Selektionsmechanismen (s. Kap. 2). Hingegen setzt hier die Auslese durch den Menschen, die Zuchtbestimmung durch seine Vorstellungen und Bedürfnisse ein. Letztlich ist dies aber nicht mehr als eine Spezialform der natürlichen Evolution, wenn der Mensch selbst als ein Glied der Natur angesehen wird. Die sich wandelnde Umweltbedingung, die im Evolutionsgeschehen die selektive Anpassung nach sich zieht, ist hier beim Betreten des Wildtier–Haustier–Übergangsfeldes der Wechsel aus der natürlichen, nicht weitgehend vom Menschen geschaffenen in die menschliche Umwelt. Diese Umwelt in Menschennähe erlaubt Lebewesen das Besetzen neuer, spezieller ökologischer Nischen, was für das Überleben und die Ausbreitung von Populationen ein wichtiger Schritt sein kann. Bei solchen Spezialanpassungen an den Menschen sind — außer dem hier nicht interessanten Parasitismus — zwei unterschiedliche Typen zu unterscheiden: der Kommensalismus auf der einen und die Domestikation auf der anderen Seite.
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Literatur
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© 1983 Friedr. Vieweg & Sohn Verlagsgesellschaft mbH, Braunschweig
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Hemmer, H. (1983). Domestikation und Evolution. In: Domestikation. Vieweg+Teubner Verlag. https://doi.org/10.1007/978-3-322-87819-9_13
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DOI: https://doi.org/10.1007/978-3-322-87819-9_13
Publisher Name: Vieweg+Teubner Verlag
Print ISBN: 978-3-528-08504-9
Online ISBN: 978-3-322-87819-9
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