Zusammenfassung
Das „Betriebsrisiko des Herstellers politischer Analysen”1 ist hoch, ob man sich in gesellschaftlichen Ruhelagen befindet wie in den frühen 60er Jahren oder in gesellschaftlichen Umbruchphasen wie heute. Kirchheimers späte Schriften legten die Vermutung nahe, es gebe nur noch linearen Fortschritt im abgesteckten Rahmen — aber wer schützt uns heute davor, mit Krisenerwartungen ebenso in die Irre zu gehen? Kirchheimer hielt zwar kritische Bewertungsmaßstäbe wach und hat sich nie affirmativ einer von ihm nicht gutgeheißenen, aber als unaufhaltsam erlebten Realentwicklung angepaßt, er war aber — wie viele andere in den frühen 60er Jahren — beeindruckt von der Stabilisierungs- und Integrationsfähigkeit kapitalistischer Industriegesellschaft. Das Wachhalten kritischer Distanz war sein Beitrag zu einer wenigstens intellektuellen Offenheit als einer notwendigen Bedingung für die Revitalisierung von Opposition. Wenn Kirchheimer das Versickern der Opposition seit den 50er Jahren nüchtern analysiert hat, so hielt er sich doch von den zeitgenössischen Überhöhungen und vielfältigen „Endzeit”-Aussagen fern: „Ende der Ideologien”, „Ende des Parteienstaats”, „Einfrieren des Parteiensystems”, Ende der Demokratie aufgrund von Sachgesetzlichkeit der wissenschaftlich-technischen Zivilisation etc.
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Anmerkungen
Otto Kirchheimer: Politik und Verfassung, Frankfurt/M. 1964, S. 7
Vgl. für weitere Ausführungen und Literatur Joachim Raschke: Soziale Bewegungen. Ein historisch-systematischer Grundriß, 2. Aufl., Frankfurt/M. und New York 1988, insbes. S. 67ff., 411ff., und ders.: Soziale Konflikte und Parteiensysteme in der Bundesrepublik, in: Aus Politik und Zeitgeschichte, B 49/85, S. 22ff.
Sie sind in Raschke: Soziale Konflikte, a.a.O., ausgeführt.
Vgl. dazu Joachim Raschke: Jenseits der Volkspartei, in: Das Argument, 25. Jg. (1983), S. 54ff.
Alfons Söllner: Politische Dialektik der Aufklärung. Zum Spätwerk von Franz Neumann und Otto Kirchheimer, in: Wolfgang Bonß/Axel Honneth (Hg.): Sozialforschung als Kritik. Zum sozialwissenschaftlichen Potential der Kritischen Theorie, Frankfurt/M. 1982, S. 324.
Otto Kirchheimer: Restriktive Bedingungen und revolutionäre Durchbrüche, in: ders.: Politische Herrschaft. Fünf Beiträge zur Lehre vom Staat, Frankfurt/M. 1967, S. 30.
Claus Offe: „Am Staat vorbei“? Interview mit Claus Offe, in: Das Argument 124 (1980), S. 809ff.
Matthias Horx u.a.: Einleitung, in: ders. u.a. (Hg.): Infrarot. Wider die Utopie des totalen Lebens, Berlin 1983, S. 15.
Vgl. zum Beispiel Ludger Volmer: Gegen Realo, gegen Fundamentalo, für eine starke Zentralo-Fraktion, in: Grüner Basis-Dienst, 4/85, S. 39ff.
Zum Beispiel das Zusammengehen von linkem und rechtem Flügel bei den französischen Sozialisten (PS) 1971, durch das Mitterrand Parteiführer wurde und das Linksbündnis eingeleitet werden konnte. Vgl. Joachim Raschke: Organisierter Konflikt in westeuropäischen Parteien. Vergleichende Analyse parteiinterner Oppositionsgruppen, Opladen 1977, S. 207ff.
Elemente dazu u.a. bei Klaus-Jürgen Scherer/Fritz Vilmar: Okosozialismus? Rot-grüne Bündnispolitik, Berlin 1985 und Bundesvorstand der Grünen (Hg.): Umbau der Industriegesellschaft. Programm zur Überwindung von Erwerbslosigkeit, Armut und Umweltzerstörung, Bonn 1986.
Zu den Gründen für die extreme Unwahrscheinlichkeit einer absoluten SPD-Mehrheit vgl. Raschke: Soziale Konflikte, a.a.O., S. 35f.
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© 1989 Westdeutscher Verlag GmbH, Opladen
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Raschke, J. (1989). Politische Perspektiven der Grünen in der Bundesrepublik Deutschland. In: Luthardt, W., Söllner, A. (eds) Verfassungsstaat, Souveränität, Pluralismus. VS Verlag für Sozialwissenschaften. https://doi.org/10.1007/978-3-322-87760-4_15
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