Zusammenfassung
Die politische Fragmentierung der Weimarer Republik wurde zwar von vielen Zeitgenossen kritisiert, im Verhältnis zu den Kritikern blieb jedoch die Zahl derjenigen gering, die konstruktive Vorschläge zu ihrer Überwindung formulierten und sich praktisch für eine, die Parteien und politischen Milieus übergreifende, Kooperation zur Stärkung der Republik einsetzten. Der Journalist und Politiker Hellmut von Gerlach (1866–1935) gehörte zu den wenigen, die unermüdlich für die breite Akzeptanz ihrer radikaldemokratischen Ideen und für ein umfassendes Bündnis zur Abwehr der Koalition republikfeindlicher und nationalistischer Kräfte stritten. In der Weimarer Republik genoß er aufgrund seines Engagements für die republikanische Idee unter Gleichgesinnten großes Ansehen. Sein publizistischer Wirkungskreis beschränkte sich allerdings im wesentlichen auf ein großstädtisches, liberales bis linksintellektuelles, kosmopolitisches und der Friedensbewegung nahestehendes Milieu. Als Journalist analysierte und kommentierte er das Zeitgeschehen. Darüber hinaus ist er in seiner Rolle als zeitgenössischer Diagnostiker der politischen Kultur in der historischen Rückschau von Bedeutung. Seine im republikanischen Lager, aber auch auf der konservativen Gegenseite vielbeachteten Leitartikel in der Berliner Wochenzeitung “Welt am Montag” spiegeln sowohl seine fundierten Kenntnisse der innenpolitischen als auch der Probleme und Machtverhältnisse in anderen europäischen Ländern, insbesondere Frankreichs, wider. Noch heute beeindrucken seine geistreichen und präzisen Formulierungen, seine aussagekräftigen Metaphern und seine Ironie.
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Hinweise
H. Graf Kessler: Gesichter und Zeiten. Erinnerungen, Berlin 1962. G. Schwarz: Theodor Wolff und das Berliner Tageblatt. Eine liberale Stimme in der deutschen Politik 1906-1933, Tübingen 1968.
Gilbert, Gerlach, S. 128. Schwarz, Wolff, passim. M. Ekstein: The Frankfurter Zeitung: Mirror of Weimar Democracy. In: Journal of Contemporary History 6 (1971), H. 4, S. 3–28. A. Enseling: Die Weltbühne. Organ der intellektuellen Linken, Münster 1962,(Studien zur Publizistik 2).
K.G. Faber: Realpolitik als Ideologie. Die Bedeutung des Jahres 1866 für das politische Denken in Deutschland. In: Historische Zeitschrift 203 (1966), S.1–45.
S.A. Kaehler: Realpolitik zur Zeit des Krimkrieges. Eine Säkularbetrachtung, in: Historische Zeitschrift 174 (1952), S. 417–478.
Die Friedens-Warte, 1931, H.5, S. 329. Vgl. auch K. Rohe: Das Reichsbanner Schwarz-Rot-Gold. Ein Beitrag zur Geschichte und Struktur der politischen Kampfverbände zur Zeit der Weimarer Republik, Düsseldorf 1966. R. Chickering: The Reichsbanner and the Weimar Republic 1924-1926 In: The Journal of Modern History 40 (1968), S.524–534.
W. Link: Der Nationalverein für das liberale Deutschland (1907-1918). In: Politische Vierteljahresschrift 5 (1964), S.422–444, hier S. 438f.
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Bendikat, E. (1993). Der Glaube an den „Sieg der Vernunft“ als politisches Ideal - Zum politischen Denken des Publizisten Hellmut von Gerlach in der Weimarer Republik. In: Lehnert, D., Megerle, K. (eds) Pluralismus als Verfassungs- und Gesellschaftsmodell. VS Verlag für Sozialwissenschaften. https://doi.org/10.1007/978-3-322-87739-0_2
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