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Zusammenfassung

Die ersten zweiundzwanzig Aufzeichnungen besitzen, wie eingangs schon gesagt, einen stärkeren Zusammenhang, nicht nur weil sie fast durchgängig Maltes Pariser Gegenwart zum Schauplatz haben, sondern auch in gewisser Weise eine ‚äußere Geschichte‘ wiedergeben und entwicklungslogische Momente enthalten, während ein solcher Zusammenhalt in den darauffolgenden Aufzeichnungen sich immer stärker verliert. Eine zweite Gruppe, die den rein stofflichen Zusammenhang von Kindhelts- und Jugenderinnerungen besitzt, ließe sich aus den Aufzeichnungen 23–44/48 bilden, innerhalb deren sich schon drei thematische Hauptstränge, der der Liebe, der des Todes und der des Erzählens und der künstlerischen Arbeit, abzweigen, bevor mit Aufzeichnung 49 rein leitmotivische und thematische Gruppierungen auszumachen sind, die nun zudem den unmittelbar persönlichen und familiär gebundenen Erfahrungsraum übersteigen. Daß auch diese Gruppierungen nur eine erste Oberflächenschicht darstellen und nur eine sehr relative Geltung besitzen, zeigt sich schon daran, daß die Paris-Aufzeichnungen mit Kindheitserinnerungen durchsetzt sind (Aufz. 8,9 und 15), die zwar mehr (Aufz. 8 u.9) oder weniger (Aufz.15) in die Entwicklungslogik eingebunden sind, sich aber ebenso am Ende der 36. Aufzeichnung (Aufz. 8 u.9) und der 34. (Aufz.15) plazieren ließen, während im Rahmen der Kindheitserinnerungen und auch der letzten Gruppe, abgesehen von häufigem Bezug auf die Schreibgegenwart in subjektivitätsunterstreichenden Formulierungen wie etwa „diese Nacht ist mir [...] wieder eingefallen“, „so seh ich es Jetzt“, „da sitze ich in der kalten Nacht und schreibe und weiß das alles“, auch die Pariser Gegenwart (Aufz.38, 39, 59 und 60) oder in der letzten Gruppe auch die Kinder- und Jugendzeit thematisiert wird (Aufz. 56).

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Anmerkungen

  1. Wenn Stahl in seinem Kommentar diese Aufzeichnung auf einen Brief Rilkes an Lou Andreas-Salome vom 18. Juli 1903 bezieht und von hierher auf eine Bildlichkeit hinweist, „die einerseits aus dem Buch Hiob des Alten] T[estaments] und andererseits aus Baudelaires ‚Petit Poèmes en Prose‘ entlehnt ist“ (August Stahl, Rilke Kommentar. Zu den Aufzeichnungen des Malte Laurids Brigge, zur erzählerischen Prosa, zu den essayistischen Schriften und zum dramatischen Werk, unter Mitarbeit von Rainer Marx, München 1979, S. 160f), so wird die Beziehung der Aufzeichnung 2 zu Aufzeichnung 18 als die im aufreibenden Lärm der Großstadt vorweggenommene Erfahrung der völligen Subjektvernichtung lesbar. Die beiden Aufzeichnungen könnten unter diesem Gesichtspunkt auch direkt nebeneinander oder ineinander verschränkt stehen.

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  2. Auf die in der gleichen Zeit etwa liegende Entdeckung des Unterbewußtseins durch Siegmund Freud sei hier nur en passant verwiesen.

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  3. Die religiöse Dimension der Einsamkeit ist unterstrichen worden von Walter Rehm, Der Dichter und die neue Einsamkeit, in: Zeitschrift für Deutschunterricht 45, 1931, S.545–565; jetzt in: W.R., Der Dichter und die neue Einsamkeit. Aufsätze zur Literatur um 1900, Göttingen 1969, S.7–33.

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  4. Der subjektive, produktive Charakter dieses Sehens ist vor allem von Judith Ryan (J. R., ‚Hypothetisches Erzählen‘: Zur Funktion von Phantasie und Einbildung in Rilkes »Malte Laurids Brigge«, in: Jahrbuch der Deutschen Schillergesellschaft 15, 1971, S.341–374; auch in: Materialien zu Rainer Maria Rilke, «Die Aufzeichnungen des Malte Laurids Brigge», hrsg. von Hartmut Engelhardt, Frankfurt 1974, S.244–280; und in: Rainer Maria Rilke, hrsg. v. Rüdiger Görner, Darmstadt 1987, S.245–284.) herausgearbeitet worden. Stahl (August Stahl, Rilke Kommentar. Zu den Aufzeichnungen des Malte Laurids Brigge, a.a.O.), Hamburger (K.H., Rilke. Eine Einführung, Stuttgart 1976.), Seifert (W. S., Das epische Werk Rainer Maria Rilkes, Bonn 1969), Wittmann (H. W., Rilkes ‚Malte‘: Auf der Suche nach der Wahrheit jenseits der Subjektivität, in: Monatshefte 77, 1985, S.11–25) und die Mehrzahl der ‚Malte‘-Studien zeigt sich indessen von seiner Objektivität überzeugt: „Mit sehen (schauen oder anschauen) bezeichnet er [Rilke; B.A.K.] eine Haltung, die durch Verzicht auf das subjektive Element sich ganz dem Objektiven des Außen zuwendet. «So ohne Neugier war zuletzt dein Schaun/ und so besitzlos, von so wahrer Armut,/ daß es dich selbst nicht mehr begehrte: heilig.»“ Stahl ((A. S., Rilke Kommentar. Zu den Aufzeichnungen des Malte Laurids Brigge, a.a.O., S. 161) stützt sich hier auf ein Zitat aus Requiem für eine Freundin, in: R.M.Rilke, Sämtliche Werke, a.a.O.,Bd.I, S. 649. Der Widerspruch der beiden Auffassungen, der im Gegenstand selbst begründet ist, findet seine Erklärung in dem, was wir ‚orpheische Ästhetik‘ nennen; deren Perspektive deutet von den Aufzeichnungen 45–48 aus dieses Wahrnehmen neu. Vgl. dazu unsere Einleitung sowie die Ausführungen unten zu den Aufzeichnungen 18–22 und 45–48.

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  5. Es wäre interessant, die Beziehungen des ‚Malte‘ zum Surrealismus genauer zu untersuchen. In diesem Zusammenhang könnte außer den Bildbeziehungen auch die ‚écriture automatique‘ mit dem verglichen werden, was Malte in der 14. Aufzeichnung zum Schreiben von Gedichten äußert, da hier der Dichter ganz zum schreibenden Instrument seines Unterbewußtseins wird, ein ‚apokalyptisches Schreiben‘, wie Malte es in Aufzeichnung 18 fürchtet, bei dem das, was die Hand schreibt, vom Meinen des Dichters völlig getrennt ist.

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  6. Zum Wiedererleben und Sehen beim Erzählen vgl. die Aufzeichnung 27 und 28, wo das ‚aussparende Erzählen‘ theoretisiert wird; hier könnte man vom ‚aussparenden Sehen‘ sprechen, da Malte auf die Umgebung des ‚Gesehenen‘, die Hände schaut, wie später überhaupt Maltes Sehen zum ‚Sehen des Unsichtbaren wird‘. Zum Erzählen als ein Noch-einmal-Erleben, vgl. Aufzeichnung 29.

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  7. Man vergleiche dazu etwa auch die Rodin-Aufsätze Rilkes. R.M.R., Auguste Rodin, in: R.M.R., Sämtliche Werke, a.a.O., Bd.V, S. 123ff.

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  8. Vgl. Aufz.8, vor allem aber 29 und 55.

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  9. „Rodin wußte, daß es zunächst auf eine unfehlbare Kenntnis des menschlichen Körpers ankam. Langsam, forschend war er bis zu seiner Oberfläche vorgeschritten, und nun streckte sich von Außen eine Hand entgegen, welche diese Oberfläche von der anderen Seite ebenso genau bestimmte und begrenzte, wie sie es von Innen war.“ R.M.R., Auguste Rodin, in: R.M.R., Sämtliche Werke, a.a.O., Bd.V, S.149. Die Bedeutung des Rodin-Aufsatzes für die Ästhetik auch des ‚Malte‘ ist in der Forschungsliteratur zu Recht immer wieder hervorgehoben worden; vgl. etwa Stahl (August Stahl, Rilke Kommentar. Zu den Aufzeichnungen des Malte Laurids Brigge, a.a.O.), Seifert (W. S., Das epische Werk Rainer Maria Rilkes, a.a.O.), Koch (M.K., Mmenotechnik des Schönen. Studien zur poetischen Erinnerung in Romantik und Symbolismus, Tübingen 1988, S. 202–253: Kapitel V. “Ein Leben, das sich versammelte, da es verging” - Zum Raum der Erinnerung in Rilkes Pariser Zeit; zum Verhältnis Rilke-Rodin unter dem Gesichtspunkt des künstlerischen Schaffensprozesses vgl. auch: Martina Krießbach, Rilke und Rodin. Wege einer Erfahrung des Plastischen, Frankfurt a.M., Bern, New York, Nancy, 1984; und Martina Krießbach-Thomasberger, Rilke und Rodin. Zur inneren Anordnung des künstlerischen Prozesses, in: Blätter der Rilke-Gesellschaft, 14, 1987, S.53–72.) Gemäß der Intention unserer Arbeit wird dieser Essay Rilkes aber nur marginal und illustrativ von uns herangezogen, zumal wir auch die Notwendigkeit einer hier nicht leistbaren Neuerarbeitung dieser Thematik im Rahmen der ‘physiologischen Hermeneutik’ verspüren.

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  10. Vgl. dazu Rilkes Aufsatz über Auguste Rodin, R.M.R., Auguste Rodin, in: R.M.R., Sämtliche Werke, a.a.O., Bd.V, S.144.

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  11. Vgl. August Stahl, Rilke Kommentar. Zu den Aufzeichnungen des Malte Laurids Brigge, a.a.O., S.163f.

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  12. Zu der Problematik des Hypothetischen im ‚Malte‘ vgl. vor allem die Beiträge Judith Ryans: J. R., ‚Hypothetisches Erzählen‘: Zur Funktion von Phantasie und Einbildung in Rilkes »Malte Laurids Brigge«, a.a.O.; und J.R., Rainer Maria Rilke: Die Aufzeichnungen des Malte Laurids Briggge (1910), In: Deutsche Romane des 20.Jahrhunderts. Neue Interpretationen, hrsg. von Paul Michael Lützeler, Königstein/Ts 1983, S.63–77.

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  13. Soweit man von ‚Flucht aus der Gesellschaft‘ in die Innerlichkeit sprechen kann, kann damit keinesfalls eine Flucht vor Leiderfahrung gemeint sein. Im Gegenteil: das Leid soll ganz, bis zum Tiefpunkt durchschritten werden, während das Verbleiben in der Gesellschaft betäubende Illusion und den Betrug um sich selbst bedeutet. Die Bezeichnung ‚Flucht‘ ist daher unzureichend.

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  14. Vgl. Rainer Maria Rilke, Die Aufzeichnungen des Malte Laurids Brigge, Bibliothek Suhrkamp Bd. 343, 1. Auflage 1973, S.18.

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  15. So heißf es hier beispielsweise: „Es gab da Zofen, die vor Neugierde nicht wußten, wo sich ihre Hände gerade aufhielten [...]“ (8.3/716), oder anderwärts: „Es passierte, daß aus Büchern, die irgend eine hastige Hand ungeschickt geöffnet hatte [...] “ (8.5/716). Zum Handmotiv als Verselbständigung von Körperteilen und also Zerfall des Subjekts vgl. Aufz.29.

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  16. Diese Spezifik verkennt ein substanzialistischer Identitätsbegriff, wie er etwa von Walter H. Sokel vertreten wird, der daher den Tod des Großvaters Brigge als Anerkennung des Todes dem Verhalten des Großvaters Brahe in Aufzeichnung- 15 entgegenstellt, wo der Tod noch nicht akzeptiert sei. Die zugrundeliegende Dynamik der Identität als Einheit der Identität und Nichtidentität im auf den innern Grund, den Tod als zugleich die Allidentität, der „Weltinnenraum“, wie er zutreffend nach dem Rilkeschen Wort von Sokel benannt wird, ist in beiden Großvaterfiguren gleich, ist doch auch der Großvater Brahe durch Schärfe der Gesichtszüge und gleichzeitig auftretender Namenlosigkeit gekennzeichnet. Vgl. unsere Interpretation der beiden Aufzeichnungen sowie Walter H. Sokel, Zwischen Existenz und Weltinnenraum. Zum Prozeß der Ent-Ichung im Malte Laurids Brigge, in: Probleme des Erzählens. Festschrift für Käte Hamburger zum 75. Geburtstag, hrsg. von Fritz Martini, Stuttgart 1971, S.212–233; auch in: Rilke heute. Beziehungen und Wirkungen, hrsg. von Ingeborg H.Solbrig und Joachim W. Storck, Frankfurt a.M. 1979, S.105–129.

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  17. Die Aufzeichnungen 8 und 9 könnten sich an die Aufzeichnung 36 anschließen, in der abschließend der Tod des Großvaters Brigge erwähnt wird, während die Aufzeichnung 15 sich in die 34. einfügte.

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  18. Auch Look hält diese Aufzeichungen für einen Lichtblick und meint, in ihr habe das Programm der harten Sachlichkeit Verwirklichung gefunden. Wilhelm Look, Rainer Maria Rilke. Die Aufzeichnungen des Malte Laurids Brigge, München 1971, S.29. Look ist durchaus Recht zu geben, wenngleich diese ‚Sachlichkeit‘, wie sie vor allem in der 13. Aufzeichnung hervortritt, aus der Perspektive der Umkehrung in Aufzeichnung 22 gesehen werden muß.

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  19. Es ist, auch unter Beachtung der später erst einsehbaren gegenseitigen Abhängigkeit von Melancholie und Liebe, Dunkel und Licht etc., die hier vorgezeichnet ist, irreführend, das in diesen drei Aufzeichnungen gezeigte Stadtbild als „impressionistische Oberflächesicht“ der Stadt und „äußerlichen Schein“ zu bezeichnen (W. Seifert, Das epische Werk Rainer Maria Rilkes, a.a.O., S.213), unter der sich die Wahrheit des Dunkels nur fände. Diese Seite der Stadt ist ihre andere Seite in der Anspannung der Metamorphose der Liebe.

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  20. Diese Interpretation tut der anderen, die sich auf Rilkes Brief vom 12. Oktober 1907 an Clara Rilke bezieht und den „kleinen Mond“ als den eine Wetteränderung hervorufenden Neumond interpretiert (vgl. (August Stahl, Rilke Kommentar. Zu den Aufzeichnungen des Malte Laurids Brigge, a.a.O., S.168), keinen Abbruch. Hier läßt sich zeigen, wie eine biographisch festmachbare Erfahrung Rilkes in einen völlig anderen, motivisch-symbolischen Zusammenhang umgesetzt wird.

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  21. Vgl. dazu die Aufzeichnungen 56 und 57, aber auch schon Aufzeichnung 22 und 23, wie überhaupt Maltes Liebesbegriff ins Kosmische tendiert.

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  22. Damit stimmt überein, daß Rilke im Brief an Hermann Pongs vom 17.8.1924 schreibt, ihm seien die Bücher an den Rand des Lebens gelegt worden. Vgl. Materialien zu Rainer Maria Rilke, ‚Die Aufzeichnungen des Malte Laurids Brigge‘, hrsg. v. Hartmut Engelhardt, Frankfurt a.M. 1974, S. 14.

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  23. Vgl. Rainer Maria Rilke, Auguste Rodin, in: Ders., Sämtliche Werke, hrsg. vom Rilke-Archiv, besorgt durch Hans Zinn, Bd.5, S.144.

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  24. Ähnlich behauptete Nietzsche von den Griechen, sie seien oberflächlich aus Tiefe. Vgl. Friedrich Nietzsche, Die fröhliche Wissenschaft, in:F.N., Sämtliche Werke. Kritische Studienausgabe, hrsg. von Giorgio Colli und Mazzino Montinari, München-Berlin-New York 1980, Bd.3, S.352; auch F. N., Nietzsche contra Wagner,. in: F.N., Sämtliche Werke. Kritische Studienausgabe, a.a.O., Bd.6, S.439. Diese Sentenz Nietzsches findet ihre Begründung in seinen Arbeiten zur antiken Tragödie, insbesondere in: F.N., Die Geburt der Tragödie aus dem Geiste der Musik (in: F. N., Sämtliche Werke. Kritische Studienausgabe, hrsg. von Giorgio Colli und Mazzino Montinari, München-Berlin-New York 1980, Bd.1.). Dieses Werk Nietzsches hat Rilke einem intensiven Studium unterworfen, wie seine „Marginalien zu Friedrich Nietzsche“ (in: R.M.R., Sämtliche Werke, Bd.VI, S.1163–1175) beweisen. Wir werden auch im folgenden gelegentlich auf eine gewisse Nähe des Gedankenguts zu Nietzsche hinweisen (vgl. unten unsere Interpretation zu dieser Aufzeichnung und im Zusammenhang des antiken Theaters zu Aufzeichnung 64). Zur Beziehung Nietzsche-Rilke vgl. auch: Irena Frowen, Nietzsches Bedeutung für Rilkes frühe Kunstauffassung, in: Blätter der Rilke-Gesellschaft 14, 1987, S.21–34. Frowen bezieht sich zwar nur en passant auf die ‚Aufzeichnungen des MLB‘, arbeitet aber an einer Reihe anderer Quellen die Wichtigkeit insbesondere der ‚Geburt der Tragödie‘ von Nietzsche für die Ästhetik des jungen Rilke heraus.

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  25. Vgl. dazu unsere Nietzsche-Interpretation in: B.A.K., Apollinisch-Dionysisch. Moderne Melancholie und Unio Mystics, Frankfurt 1987, insbesondere S. 274ff.

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  26. Z.B. in den Aufzeichnungen 20, 12, 27–44.

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  27. Friedrich Nietzsche, Die Geburt der Tragödie aus dem Geiste der Musik, in: F. N., Sämtliche Werke. Kritische Studienausgabe, hrsg. von Giorgio Colli und Mazzino Montinari, München-Berlin-New York 1980, Bd.1, S.45.

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  28. Vgl. dazu unsere Interpretation in: B.A.K., Dionysisch-Apollinisch, a.a.O., S.31–63.

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  29. Vgl. dazu unten etwa die Interpretation der Aufzeichnungen 67–69 wie überhaupt Maltes Verhältnis zu seiner Mutter, seinem Vater und zu Abelone sowie die Oberzeugung vom Ende der Gemeinsamkeit in Aufzeichnung 39 und 64.

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  30. Natürlich eignet diese Ambivalenz der Apokalypse selbst, die das Ende dieser Welt als zugleich den Anfang des Gottesreiches beschreibt.

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  31. Die Formulierung paraphrasiert Maltes Ausdruck bezüglich Ibsen in Aufzeichnung 26, S.785, gilt aber auch für ihn selbst. Zu dem Problemkreis und Motiv von Maske und Vorwand vgl. dann insbesondere die Aufzeichnungen 64 und 65.

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  32. Die Vorstellung von einer Art Kollektivgedächtnis wird später von Rilke selbst in das Bild von einer Bewußtseinspyramide gefaßt, deren Spitze nur unser Bewußtsein in den Konventionen von Zeit und Raum darstelle; sie verbreitert sich nach unten und dort erfaßt sie das Sein jenseits von Bewußtsein und Zeit. „Mir stellt es sich immer mehr so dar, als ob unser gebräuchliches Bewußtsein die Spitze einer Pyramide bewohne, deren Basis in uns (und gewissermaßen unter uns) so völlig in die Breite geht, daß wir, je weiter wir in sie niederlassen uns befähigt sehen, desto allgemeiner einbezogen erscheinen in die von Zeit und Raum unabhängigen Gegebenheiten des irdischen, des, im weitesten Begriffe, weltischen Daseins.“ R.M.R, Gesammelte Briefe in sechs Bänden, hrsg. von Ruth Sieber-Rilke und Carl Sieber, Leipzig 1936–1940, Bd.V, S.291f (11.8.1924).

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  33. Vgl. R.M.R., Alle in Einer, in: R.M.R., Sämtliche Werke, a.a.O., Bd.IV, S.77, interpretiert von W.Seifert, Das epische Werk Rainer Maria Rilkes, a.a.O., S.82f.

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  34. Diese alchemistischen Versuche des Major sind sehr wohl von anderen Stellen im ‚Malte‘, in denen alchemistisches Vokabular verwendet wird, zu unterscheiden, da es sich beim Major um eine landläufig chemisch-alchemistische Unternehmung zu handeln scheint, während in Aufz.52 sowie den dann indirekt auch auf Malte selbst beziehbaren Stellen (Aufz. 26, 44, 61, 71) von Alchemie in ihrem wahrsten Sinne zugleich als einer im Kern geistigen Unternehmung zu sprechen ist (vgl. J. Chevalier u. A. Gheerbrant, Dizionario dei Simboli, Milano 1986, Bd.1, S.35ff; s. auch Manfred Lurker (Hrsg.), Wörterbuch der Symbolik, Stuttgart 1988, S.13ff.

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  35. In diesem Sinne hat Rilke selbst die Wahl einer nordischen Heimat für den Protagonisten der Aufzeichnungen an die „okkulten Begebnisse“ gebunden und damit begründet, daß „nur in der Atmosphäre der skandinavischen Länder das Gespenst unter die möglichen Ereignisse eingereiht erscheint und zugegeben (was meiner Einstellung gemäßt ist)“. Brief an H.Pongs vom 21.10.1924. Marino Freschi hat auf Rilkes Jugend-und Kindheitserlebnisse in der magischen Atmospäre seiner Heimatstadt Prag hingewiesen, die wohl auch okkultistische Momente miteingeschlossen haben. Vgl. Marino Freschi, L’invisibile Praga di Rilke, in: Rainer Maria Rilke, Due storie praghesi, trad.it e note di Giuseppina Scarpati, Roma 1983, S.121–143.

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  36. Vgl. oben unsere Interpretation der Aufzeichnungen 8 und 9.

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  37. Vgl. etwa Aufz. 18, 19, 21, 32.

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  38. Hier ist nicht nur auf Rilkes Reinlichkeitsmanie zu verweisen, die Erich Simenauer als Verdrängungskomplex beschreibt (vgl. Erich Simenauer, Rainer Maria Rilke. Legende und Mythos, Bern Frankfurt a.M. 1953, S.589ff.), sondern auch auf die des bedrängten - deutschen - Kleinbürgers überhaupt, der in der äußeren Reinheit sozialpsychologisch die Ehrenrettung seines sozialen Abstiegs sieht.

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  39. Vgl. August Stahl, Rilke Kommentar. Zu den Aufzeichnungen des Malte Laurids Brigge, a.a.O., S. 176: „Francis Jammes (1868–1938). Er ist der Dichter, der nicht in Paris wohnt, sondern in den Pyrenäen (Gebirge).“ Hier auch detailliertere Bezüge auf dessen Gedichtband „De l’Angélus de l’Aube à l’Angélus du Soir“.

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  40. Die Ausdeutung des Wortsinns ist noch weitertreibbar, versteht man unter ein ‚Gesicht‘ haben die Fähigkeit, Erscheinungen zu sehen, Visionen zu haben, d.h., wie Malte selbst in diesem Fragment, die Fähigkeit, die Realität durch Phantasie sichtbar zu vertiefen. Dann wäre die ‚Frau ohne Gesicht‘ das Bild der amorphen Natur, die vor sich das ‚Gesicht‘ als einbildende Wahrnehmung wie eine Maske trägt. Das Gesicht in der Hand hingegen meint über die ‚Mani-pulierbarkeit‘ hinaus, daß auch die übrigen Körperteile, wie an der Arbeit der Erinnerung etwa auch deutlich wurde, zu Instrumenten des Sehens werden.

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  41. Wie man auch die Figur des Blinden interpretiert, ob als Tod gegenüber der Außenwelt und reines Innenleben oder als äußeres Leben, das innen im Dunkel den Tod trägt, immer ist an ihr die Verschlungenheit von Tod und Leben ablesbar.

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  42. Vgl. die Bibel, Neues Testament, Matthäus 24, Markus 13, Lukas 21.

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  43. Dieses Motiv nimmt Malte später in Aufzeichnung 57 wieder auf, wo er im Zusammenhang seiner Goethe-Kritik die Aufgabe des Dichters zeichnet, der das Evangelium der Liebe vernimmt. Vgl. 57.3/898.

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  44. Das Problem der allgemeinen konventionellen Zeit wird dann extensiv in Aufzeichnung 49, in der Geschichte von Nikolaj Kusmitsch behandelt werden.

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  45. Zugleich wird mit dem Bild der Verbände natürlich auch das Motiv der Oberfläche als ‚Vorwand‘, die zeigt und verbirgt, angesprochen. In diesem Fall handelt es sich um eine, Maltes späterer Leere als ‚leeres weißes Blatt‘ (Aufz. 21) entsprechende, weiße leere Oberfläche, die nur noch die, wie bei der ‚Frau ohne Gesicht‘, die amorphe Natur bedeutende Wunde verbirgt oder zeigt.

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  46. Wenn Malte in Parks seine Hoffnungs- und Glücksmomente erlebt, ist auch das nicht zufällig oder einfach Rilkes Erfahrung geschuldet: der Held bricht nicht aus der Stadt auf, um die unberührte Natur auf dem Lande oder im Gebirge, wie sie etwa in Maltes Kindheit aufscheint oder im Bild des ‚glücklichen Dichters‘ in Aufzeichnung 16.3, S.745f, beschrieben ist, zu suchen. Wie der Park eine künstliche Landschaft ist, so ist der Seelenzustand der Hoffnung und Liebe ein erarbeiteter, durch ein Hindurchgehen erreichter, kein Ergebnis von Rückkehr oder Flucht.

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  47. Vgl. F. Nietzsche, Die Geburt der Tragödie aus dem Geiste der Musik, in: F. N., Sämtliche Werke. Kritische Studienausgabe, hrsg. von Giorgio Colli und Mazzino Montinari, München-Berlin-New York 1980, Bd.1.

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  48. Anders als bei Nietzsche ist die umfassende Bejahung auch der schrecklichsten Seiten der Welt aber nicht ein Akt des Willens, der sich die Wirklichkeit zum Kreis der ewigen Wiederkehr zwingen will, sondern eher im religiösen Sinn wie eine Gnade aufgefaßt.

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  49. Vgl. Aufz. 70; Mechthild von Magdeburg, Das fließende Licht der Gottheit. Der mystische Charakter von Maltes Erleuchtung berechtigt zur Assoziation mit der Mystikerin.

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  50. Zur mythenbildenden Qualität von Licht und Finsternis ließen sich natürlich noch sehr viele Beispiele anführen: für die Moderne sei nur die auf Rilke großen Einfluß ausübende, hier schon häufiger zitierte Tragödienschrift Nietzsches genannt, in der der Glanz des Olymp in den Schrecken der dunklen titanischen Kräfte der Tiefe gründet. Vgl. F. Nietzsche, Die Geburt der Tragödie aus dem Geiste der Musik, in: F. N., Sämtliche Werke. Kritische Studienausgabe, hrsg. von Giorgio Colli und Mazzino Montinari, München-Berlin-New York 1980, Bd.1. S.34ff.

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  51. Charles Baudelaire, Les fleur du mal, in: Charles Baudelaire, OEvres Complètes, texte établi, presenté et annoté par Claude Pichois (Bibliothèque de la Pléiade), Paris 1975, S. 1–334, XXIX. ‚Une Charogne‘ S. 31f.

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  52. Gustave Flaubert, La Légende de Saint Julien l’Hospitalier, in: G.F., OEvres, texte établi et annoté par A. Thibaudet et R.Dumesnil, Bibliothèque de la Pléiade Bd.37, Paris 1936, S.579–604. Deutsche Ausgabe: Gustave Flaubert, Die Legende von Sankt Julien dem Gastfreien, in: G.F., Drei Geschichten, Übersetzung von E.W.Fischer, Zürich 1979, S.53–87.

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  53. Vgl. zum Bilde vom Heiligen unsere Interpretation der Aufzeichnungen 50–53.

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  54. So etwa könnte, das Ideal der gegenstandslosen Liebe, wie sie dann in den Aufzeichnungen 37–14, 56–57 und 66–71 vor allem angedeutet wird, paraphrasierend (vgl. Aufz. 70), die Richtung der Entwicklung der Liebe charakterisiert werden, denkt man beispielsweise an Maltes Verhältnis zu Abelone in Aufzeichnung 38 als kongeniales Verstehen, an den Einsamen in Aufzeichnung 68 und sein Verhältnis zur Erwählten unter den Mädchen oder Maltes Verhältnis zur dänischen Sängerin in Aufzeichnung 69.

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  55. Von hierher würde die Unterstellung von Stephens ((Rilkes Malte Leurid Brigge. Strukturanalyse des erzählerischen Bewußtseins, Bern und Frankfurt a.M. 1974, S.93) verständlich, daß dieser Briefentwurf an Abalone gerichtet sei; Stahl (Rilke Kommentar. Zu den Aufzeichnungen des Malte Laurids Brigge, a.a.O., S.180f) nimmt eine biographische Deutung vor; der Name aber ist nicht genannt, der Adressat unsichtbar. Es möchte sich auch um eine Übergangsform handeln, die in der Allgemeinheit des Adressaten einen Übergang zum Schreiben dieses Buches bildet.

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  56. Der folgende, stark synthetisierende Exkurs stützt sich zunächst vor allem auf die Untersuchung von Alois M. Haas, Mors mystica. Thanatologie der Mystik, insbesondere der Deutschen Mystik, in: Freiburger Zeitschrift für Philosophie und Theologie, 23, 1976, S. 304–392. Darüberhinaus wurden herangzogen: Ferruccio Masini, Meister Eckehart e la mistica dell’immagine, in: Problemi Religiosi e Filosofia, Padova 1975, S.1–36; E.V. Bracken, Meister Eckhart. Legende und Wirklichkeit, Meisenheim am Glan 1972; H. Fischer, Die Gottesgeburt in der Seele und der Durchbruch zur Gottheit. Die mystische Anthropologie Meister Eckeharts und ihre Konfrontation mit der Mystik des Zen-Buddhismus, Gütersloh 1965; W.M.Fues, Mystik als Erkenntnis? Kritische Studien zur Meister-Eckehart-Forschung, Bonn 1981; Wörterbuch der Mystik, hrsg. v. P.Dinzelbacher, Stuttgart 1989.

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  57. Der Behauptung, daß es zwischen Mystik und Alchemie nicht „mehr als eine streckenweise Parallelität“ gebe (Wörterbuch der Mystik, hrsg. v. P.Dinzelbacher, Stuttgart 1989, S.10.), könnte polemisch entgegengehalten werden, es handle sich bei der Alchemie um eine ins Physische und Sichtbare projizierte Mystik.

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  58. Vgl. Haas, Mors Mystica, a.a.O., S. 328.

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  59. „Legisse memini me de quadam muliere devota quae sermonem super transformatione mentis in Deum per dilectionem die Pentecostes audiens concutiebatur primo gemitibus inenarrabilibus, suspiriis atque singultibus; quae dum culparetur et polsibus clanculis prohiberetur a circumstantibus ne clamoribus suis turbaret audientes nec hypocrisim ostentaret: tace, fatua, quiesce misera, ipsa compresso spiritu velut mustum sine spiraculo quod lagunculas novas dirumpit, non valens amplius plenitudinem fervidi spiritus intra se capere, diruptis venis et nervis exspiravit. Beata, per meam fidem; sic enim pie credere fas mihi st; beata martyr amoris affecta quae jam canere poterat nedum illud amore langueo; philocapta sum, amo per amorem, vulnerata caritate ego sum, sed et amore mortua, mortua mihi, et amato viva.“ Zitiert nach Haas, Mors mystica, a.a.O., S. 328. Hervorhebung B.A.K.

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  60. Vgl. dazu Aufz.70.2/937. Daß Malte ihr wie der Rose von Lima und Mechthild von Magdeburg vorhält, am Ende doch an Christus zum Geliebten geworden zu sein, statt ihre Liebe auf Gott zu richten, hat für unseren Argumentationszusammenhang hier keine Relevanz.

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  61. Vgl. R.M.R., Sämtliche Werke, Bd.I, S.356.

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  62. Fülleborn hat auf die Verwandtschaft der Sprache Rilkes zu der Meister Eckharts darin begründet, daß der Sprache aufgetragen wird, Unsagbares sprachlich zu bezeugen. Vgl. Ulrich Fülleborn, Rilkes Weg ins 20. Jahrhundert, in: Zu Rainer Maria Rilke, hrsg. von Egon Schwarz, Stuttgart 1983, S. 57.

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  63. Vgl. dazu unsere Interpretation der Aufzeichnungen 47, 48, 50–53, 59.

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Kruse, B.A. (1994). Dekonstruktion von Welt und Subjekt. In: Auf dem Extremen Pol der Subjektivität. Deutscher Universitätsverlag, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-322-87381-1_4

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