Zusammenfassung
Seit Beginn der 90er Jahre findet in der BRD die öffentliche Debatte über die Reform des Sozialstaates neue Akzentuierungen, die vor allem eine Renaissance des freiwilligen, bürgerschaftlichen Engagements im Blick haben. Angesichts der prekären öffentlichen Haushaltslage geht es hierbei nicht nur um eine erneute Legitimation und bürgernahe Ausgestaltung der von öffentlichen und freigemeinnützigen Trägern angebotenen Dienstleistungen. Zugleich wird die Idee favorisiert, Dienstleistungen in einer neu auszugestaltenden Mixtur von Hauptamtlichkeit und Freiwilligenarbeit zu erbringen. Die Debatte verläuft unter verschiedenen Begriffen und Überschriften und ist eingerahmt durch zahlreiche Veröffentlichungen, Fachveranstaltungen, Aktionen und Gründungsaktivitäten. Das Ziel, freiwilliges Engagement zu fördern, gehören inzwischen zur Alltagsrhetorik von staatlichen, gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Organisationen. Insbesondere die Spitzenverbände der freien Wohlfahrtspflege positionieren das Thema Ehrenamt im Rahmen ihrer strategischen Anpassung an veränderte Rahmenbedingungen. Sie gründen Arbeitskreise und Initiativen und belegen durch verbändespezifische Daten die angebliche Relevanz ihres Beitrags zur Bürgergesellschaft. Hochschulen und außeruniversitäre Forschungsinstitute realisieren Einzelstudien zum ehrenamtlichen Engagement und finden hier ebenfalls ein willkommenes (lukratives) Betätigungsfeld. Auch die Bundesregierung beschäftigt sich mit der „Bedeutung ehrenamtlicher Tätigkeit für unsere Gesellschaft“, vergibt Forschungsprojekte und initiiert Modellprogramme. (vgl. z.B. BMFSFJ 1996). Schließlich kumulieren all diese Aktivitäten im Internationalen Jahr der Freiwilligen (IJF) 2001 zu einem schier unübersehbaren Maßnahmenbündel, das mittels einer groß angelegten Werbestrategie (www.freiwillig.de) den Eindruck erweckt, die Bundesrepublik Deutschland transformiere sich zu einer neuen Bürgergesellschaft. Bevor nun der empirische Gehalt dieser zivilgesellschaftlichen Alltagsrhetorik näher zu prüfen ist, soll sich der Debatte begriffskritisch genähert werden. Dies empfiehlt sich vor allem deshalb, weil das Thema den Eindruck von etwas Neuem suggeriert, und bisherige Entwicklungslinien ehrenamtlichen Engagements weitgehend außer Acht lässt.
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Boeßenecker, KH. (2003). Wohlfahrtsverbände, Non-Profit-Organisationen und bürgerschaftliches Engagement. In: Dahme, HJ., Otto, HU., Trube, A., Wohlfahrt, N. (eds) Soziale Arbeit für den aktivierenden Staat. VS Verlag für Sozialwissenschaften. https://doi.org/10.1007/978-3-322-87369-9_8
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