Bedingungen modernen Publizierens in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts: Albert Schäffle — Karl Bücher

Zusammenfassung

„Am Anfang war Bismarck.“¹ Diese metaphorische Parallele zu Napoleon, um den Beginn des 19. Jahrhunderts in Deutschland zu kennzeichnen,² soll, auf Bismarck angewandt, keineswegs einen großen Beweger, einen Dreh- und Angelpunkt personalisierter Geschichtsbeschreibung herausstreichen.³ Vielmehr dient Bismarck hier als Leitfigur für unverwechselbare politischsoziale Veränderungen in der deutschen Gesellschaft im Aufbruch,⁴ von einer Agrar- zu einer europäischen Industriegesellschaft. Dazu entstehen in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts mannigfaltige Sozialtheorien, die in die vorherrschende politisch-naturrechtliche Vorstellungswelt der praktischen Philosophie einbrechen. Auf Sozialgeschichte umgestellt, denken die beiden großen sozialen Programmtheorien des Jahrhunderts, der Liberalismus und der Sozialismus, die Politik nicht länger als in den Staat integriert. In Reaktion auf einen langfristigen gesellschaftlichen Wandel entwirft der Liberalismus eine radikal-demokratische „Bourgois-Gesellschaft“, während der Sozialismus für das seit den ersten Jahrzehnten des Jahrhunderts entstehende „Proletariat“ eine „sozialistische“ bzw. „kommunistische“ Gesellschaft rekonstruiert.⁵ Der klassenpolitische Akzent wird beibehalten, werden „mündige Bürger“ als Träger der Gesellschaft postuliert, die vor dem Gesetz gleich sein sollen, wenn sie Vernunft und Freiheit gebrauchen. Den „Staatsbürgern“ stellt man die „Schutzverwandten“ (Kant) gegenüber, das sind

„alle Weiber und alle Herrendiener oder Knechte sowie alle Arme, d. h. alle, die sich nicht durch ihrer Hände Arbeit nähren können oder wollen, sondern von Almosen leben, weil ihr Dasein von fremder Güte abhängt.“⁶