Zusammenfassung
Die hobbesianische Tradition der Gesellschaftstheorie sucht das Problem sozialer Ordnung durch die Institution des Gesellschaftsvertrages zu erklären. Ihm voraus gedacht wird bei Hobbes die Konstruktion eines sogenannten “Naturzustandes” der Menschen. Unterstellt ist eine (fiktive) Ausgangslage rein egoistisch handelnder Individuen ohne die Existenz jeglicher Rechte und sozialer Nonnen. In diesem Naturzustand finden sich die Menschen mit einer (im Effekt) je gleichen Anfangsausstattung an natürlichen Ressourcen, an körperlicher Stärke und geistigen Fähigkeiten, versehen vor. Unterschiede (z.B. an Körperstärke) gleichen sich durch Gegenwirkungen (etwa durch List) aus. Die Individuen sind vereinzelt und ihre Besitzstände an erworbenen Ressourcen werden durch keine übergeordnete Macht geschützt. Daher ist nicht auszuschließen, daß sich einzelne der materiellen Ressourcen anderer — zum Zwecke ihrer eigenen Selbsterhaltung — mit Gewalt zu bemächtigen suchen. Die Folge ist Argwohn, in dem sich ein jeder um seiner eigenen Sicherheit willen bemüht, den anderen zuvorzukommen und seine Macht aus Vorsichts- und Selbsterhaltungsgründen auszuweiten. Die Menschen des Naturzustandes befinden sich so in einem permanenten — offenen oder latenten — Krieg aller gegen alle. “Was immer die Folgen eines Krieges sein mögen, in dem jeder des anderen Feind ist, die gleichen Folgen werden auftreten wenn Menschen in keiner anderen Sicherheit leben als der, die ihr eigener Körper und Verstand ihnen verschafft.” Das Leben der Menschen ist “einsam, arm, kümmerlich, roh und kurz” (Hobbes 1969, 99). Im Naturzustand gibt es keinen Begriff von Recht und Unrecht, von Gerechtigkeit und Ungerechtigkeit, weil alle Mittel erlaubt sein müssen, die rationalem, i.e. auf Selbsterhaltung gerichteten Handeln dienen. List und Gewalt sind die einzigen Tugenden. “Aus demselben Grund auch gibt es keinen Besitz, kein Eigentum, überhaupt keine Vorstellung von mein und dein. Vielmehr kann sich jeder alles aneignen und kann es so lange für sich behaupten, wie er in der Lage ist, es zu sichern.” (Ebd., 101) “Jeder wird nur von seiner eigenen Vernunft geleitet”, der der Selbsterhaltung, als Sicherung seines Lebens. “So hat denn in solcher Lage jeder ein Recht auf alles, selbst auf das Leben seiner Mitmenschen.” (Ebd., 102) Hobbes konstruiert einen Naturzustand des Menschen, der seinem Gesellschaftszustand logisch und historisch vorhergeht (ebd., 100) und in dem noch keine verbindlichen sozialen Normen existieren. Denn weder Gerechtigkeit noch Ungerechtigkeit, so behauptet er, seien “Naturanlagen des Menschen — nicht geistige und nicht körperliche. Wenn sie es wären, so müßten sie auch einem Menschen, der ganz allein auf der Welt lebte, eignen — ganz so wie sein Gefühl, wie seine Triebe. Es kennt sie aber nur der Mensch in der Gesellschaft, nicht im Naturzustand.” (Ebd., 101) Die Naturanlagen des Menschen, seine natürlichen Triebe und Leidenschaften, führen ihn zu Wettstreben, Argwohn und Ruhmsucht, nicht aber zu moralischem Handeln (vgl. ebd., 98).
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© 1999 Westdeutscher Verlag GmbH, Opladen/Wiesbaden
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Brentel, H. (1999). Die Begründung sozialer Ordnung. In: Soziale Rationalität. VS Verlag für Sozialwissenschaften. https://doi.org/10.1007/978-3-322-87324-8_10
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DOI: https://doi.org/10.1007/978-3-322-87324-8_10
Publisher Name: VS Verlag für Sozialwissenschaften
Print ISBN: 978-3-531-13362-1
Online ISBN: 978-3-322-87324-8
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