Zusammenfassung
Die „social-reaction“-Theorie (im folgenden auch „Labeling“-Theorie“) etablierte sich in den 60er-Jahren in der nordamerikanischen und in der Folge auch in der westeuropäischen Soziologie als einflußreichste theoretische Strömung im Bereich der Analyse von Abweichung und sozialer Kontrolle.139 Zwar hatten einige der Haupt-Vertreter bereits in den 50er Jahren zentrale Annahmen ihres Ansatzes formuliert und Teile ihrer später weit verbreiteten Werke publiziert, ihre Arbeiten waren aber in der soziologischen „scientific community“ relativ unbeachtet geblieben.140 Der plötzliche „Durchbruch“ des vor allem in der Theorietradition des „Symbolischen Interaktionismus“ stehenden Ansatzes zu Beginn der 60er Jahre ging also eher auf eine „Entdeckung“ einer bereits bestehenden denn auf die Präsentation einer neuen Sichtweise zurück. Die vorherrschende Art der sozialen Reaktion auf psychische Störungen in Form der Anstaltspsychiatrie bildete einen der zentralen Forschungsbereiche des Labeling-Ansatzes. — Auch die ersten politisch wirksamen Veröffentlichungen der wichtigsten Autoren der sogenannten „Antipsychiatrie“ datieren überwiegend aus der zweiten Hälfte der 60er Jahre. Ähnlich wie bei den Labeling-Theoretikern waren frühere, meist weniger radikale Arbeiten zunächst weniger beachtet und erst nachträglich „entdeckt“ worden141. Die folgende kurze Einleitung soll dazu dienen, den Aufstieg und den Einfluß dieser beiden Diskurse in der Auseinandersetzung um die Anstaltspsychiatrie in ihrem soziohistorischen Kontext zu verankern.
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Forster, R. (1997). Medikalisierung als Repression. Die Psychiatriekritik der „Labeling“-Theorie und der „Antipsychiatrie“. In: Psychiatriereformen zwischen Medikalisierung und Gemeindeorientierung. VS Verlag für Sozialwissenschaften. https://doi.org/10.1007/978-3-322-87283-8_6
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DOI: https://doi.org/10.1007/978-3-322-87283-8_6
Publisher Name: VS Verlag für Sozialwissenschaften
Print ISBN: 978-3-531-12782-8
Online ISBN: 978-3-322-87283-8
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