Zusammenfassung
Die SPD präsentierte im Bundestagswahlkampf 1994 zum fünften Mal nacheinander einen neuen Kanzlerkandidaten — nach Helmut Schmidt (1980), Hans-Jochen Vogel (1983), Johannes Rau (1987) und Oskar Lafontaine (1990) nun Rudolf Scharping. Nicht eingerechnet ist das Zwischenspiel von Björn Engholm. Die Abfolge der Kandidaten markiert einen Generationswechsel, beruht auf einem Richtungsstreit und ist Ausdruck eines Machtkampfes zwischen den potentiellen Nachfolgern von Brandt und Schmidt. Gegner der SPD-Kandidaten war seit 1983 Helmut Kohl, der alle Wahlen gewonnen und im Herbst 1989 einen parteiinternen Machtkampf zu seinen Gunsten entschieden hatte. Dies wirft die Frage auf, ob der Wechsel der Kandidaten eine substantielle Bedeutung für den Wahlausgang hatte. Gegen diese Vermutung spricht, daß die Entscheidungen der Wähler vor allem von ihren langfristig gewachsenen Parteibindungen geprägt werden (Schultze, 1991; Eith, 1991; Kaase, 1994). Andererseits übt auch die Vorstellung vom Charakter der Kanzlerkandidaten über diese Traditionen hinausgehend einen substantiellen Einfluß auf die Wahlabsichten aus. So erklärten im Bundestagswahlkampf 1990 die Vorstellungen vom Charakter Kohls und Lafontaines exklusiv fast 13 Prozent der Präferenzen für einen der beiden Kandidaten und über drei Prozent der Präferenzen für ihre Parteien (Kepplinger, Brosius & Dahlem, 1994, S. 135–141). Angesichts der knappen Abstände, mit denen Bundestagswahlen gewonnen und verloren werden, bieten diese Einflüsse — auch wenn sie im Vergleich zur Parteibindung gering erscheinen mögen — erhebliche Chancen und Risiken.
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Kepplinger, H.M., Rettich, M. (1996). Publizistische Schlagseiten. In: Holtz-Bacha, C., Kaid, L.L. (eds) Wahlen und Wahlkampf in den Medien. VS Verlag für Sozialwissenschaften. https://doi.org/10.1007/978-3-322-87282-1_3
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