Zusammenfassung
Welthandel, Börsengeschäfte, Satellitenfernsehen, internationale Konferenzen, Vereinbarungen, Flugverkehr u.v.a. unterstellen eine einheitliche, verbindlich geregelte und abstrakte Weltzeit. Erst eine solchermaßen geordnete ‘Weltzeit’ macht internationale Abstimmung und Koordination möglich und läßt ein überwiegend wirtschaftliches Handeln in und mit der Zeit zu. Die heute dafür benutzten Zeitmeßverfahren: mechanische Räderuhr, Gregorianischer Kalender und Standardzeitzonensystem haben allesamt ihre Wurzeln im westlichen Abendland und sie tragen deutliche Spuren des für den Westen so typischen Rationalisierungsprozesses (Weber 1981). Die rationale Zeitorganisation hat sich für die wirtschaftliche und technische Entwicklung Westens als äußerst funktional erwiesen, was wiederum die weltweite Verbreitung und Dominanz der Rationalzeit befördert hat. Der abstrakten, einheitlichen, ökonomisch ausgerichteten Weltzeit stehen aber, so die hier vertretene These, noch verschiedene Zeitkulturen und -traditionen gegenüber, die in ihrer Vielfältigkeit die Verschiedenartigkeit der Gesellschaften widerspiegeln, in denen sie entstanden sind und deren Handlungslogiken sie zum Ausdruck bringen. Außerdem bleiben die umfassende Ökonomisierung, Beschleunigung und Verzeitlichung auch in den westlichen Zentren nicht unangefochten und unwidersprochen, sondern auch hier wird zunehmend mit einer erhöhten Zeitsensibilität, einem verstärkten Unbehagen an der modernen Zeit reagiert und werden zyklische Zeitstrukturen wiederentdeckt.
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Maurer, A. (1997). Zeit im Widerspruch. In: Reimann, H. (eds) Weltkultur und Weltgesellschaft. VS Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-322-86874-9_3
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