Überblick
Forschung und Lehre in der Softwaretechnik umfassen ein weites Spektrum. Das Profil der Softwaretechnikcurricula reicht von eher formal orientierten Ansätzen bis zu empirischer Forschung im Bereich Software-Metriken, um nur zwei Ausrichtungen zu nennen. Entsprechend der Forschungsausrichtung der Softwaretechniklehrstühle werden üblicherweise auch Industriekooperationen vereinbart.
Im Vordergrund unseres Interesses stehen interaktive Softwaresysteme zur Unterstützung von menschlichen Arbeitsprozessen. Dabei wird eine ganzheitliche Sicht zugrundegelegt, in der kooperative Gestaltungsprozesse durch spezifische Methoden und Werkzeuge unterstützt werden sollen. Schwerpunkte dieses anwendungsorientierten Ansatzes sind die Arbeitsgebiete:
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Konzepte, Methoden und Werkzeuge der Software-Entwicklung,
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Objektorientierte Analyse und Entwurf,
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Projektmodelle und Organisationskonzepte,
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Evolutionære Systementwicklung und Prototyping,
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Entwicklung interaktiver Anwendungssysteme,
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erkenntnistheoretische Fundierung der Softwaretechnik.
Die Hauptstudiumslehrveranstaltungen des Arbeitsbereiches Softwaretechnik orientieren sich inhaltlich nahe an diesen Forschungsthemen. Dabei werden in Basislehrveranstaltungen Methoden und Konzepte der Softwaretechnik sowie der objektorientierten Systementwicklung vermittelt. Im Rahmen dieser Lehrveranstaltungen werden exemplarisch Werkzeuge zur Einübung und Vertiefung des Lehrstoffes eingesetzt.
Weiterführende Lehrveranstaltungen beinhalten sowohl ein- bis zweisemestrige Projekte als auch Intensivkurse, in denen ausgewahlte Aspekte unterschiedlicher Werkzeugumgebungen vorgestellt und Formen der arbeitsteiligen Softwareentwicklung eingeübt werden.
Hinsichtlich der Konzepte, Methoden und Werkzeuge in der Software-Entwicklung geht es uns in der Lehre darum, den Studenten einen Überblick über gängige standardisierte, wie auch quasi-standardisierte Verfahren zu verschaffen. Es werden im Rahmen der Veranstaltungen jedoch nur ausgewählte Verfahren vertieft behandelt, insbesondere solche, die eine objektorientierte Vorgehensweise unterstützen (vgl. Wirfs-Brock et al. 1990; Booch 1991; Rumbaugh et al. 1991). Andere Verfahren werden dann lediglich kontrastiv dazu erortert. Auf der Werkzeugebene gilt es, den Studenten den Zusammenhang zwischen Vorgehensweisen in der Systementwicklung und eingesetzter Werkzeugumgebung zu verdeutlichen.
Unser verstärktes Interesse gilt der Forschung sowie Vermittlung der objektorientierten Analyse und des objektorientierten Entwurf (OOAE). Aus einer Kritik der gängigen Unterstützungsmethoden in den frühen Phasen des Entwicklungsprozesses heraus wird versucht, spezifische Anforderungen an Methoden zu OOAE zu identifizieren und weiterzuentwickeln. Die Behandlung solcher eher explorativen Fragestellungen — unseres Erachtens hat sich aktuell noch kein Verfahren etabliert, das es gestatten würde, einen reibungslosen Übergang zwischen der Analyse- und Entwurfstätigkeit im objektorientierten Herangehen zu gewährleisten — scheint uns für Seminare und Projekte sehr fruchtbar zu sein, da dieses Vorgehen die Studenten sehr grundsätzlich an zwei Kernprobleme der frühen Phasen in der Softwareentwicklung heranfuhrt: zum einen die Abbildung von Realitat in einem Modell, einschließlich der notwendigen Evaluation des Ergebnisses; zum anderen eine angemessene Methodenunterstützung auf dem Weg zur Modellgenerierang.
Die Entwicklung “groBer” Softwaresysteme stellt in der Praxis die Durchführenden vor Management- und Organisationsprobleme, auf die sie in der Ausbildung zumeist nicht vorbereitet wurden: angefangen bei der Frage, wie die Fülle der anfallenden Arbeiten auf die Projektmitglieder aufzuteilen sind, über die geeignete Systematisierung und Terminierung der anfallenden Zwischenergebnisse, bis hin zu Fragen des Personalmanagements und, damit verbunden, sozialer (insbesondere gruppendynamischer) Probleme.
In unserem Bereich werden diese Problemstellungen innerhalb von (Studien-) Projekten aufgegriffen; die Studenten werden systematisch auf derartige Probleme hingewiesen, wobei sich der Nutzen einer Durchführung überschaubarer Entwicklungsprojekte1 zeigt: tendentiell treten bei diesen Studienprojekten vergleichbare Managementprobleme wie in der Praxis auf (abzüglich der in der Praxis unvermeidlichen Budgetierungsfragen, die in unseren Projekten nicht thematisiert werden können).
In Seminaren werden darüber hinaus Fragestellungen behandelt, die der Tatsache Rechnung tragen, daß der Software-Entwicklungsprozeß genuin kommunikativ ist.
In Intensivkursen (als mehrtägige Workshops) werden Prinzipien der zwischen- menschlichen Kommunikation und der Kooperation in Arbeitszusammenhängen anhand konkreter Übungen erörtert. Nicht zuletzt ist es ein Ziel dieser Seminare, den Studenten die Idee eines an Supervision orientierten Entwicklungsprozesses zu vermitteln, in welchem die Entwicklungstätigkeiten der Projektmitglieder einem laufenden Reflexionsprozeß unter Mithilfe eines außenstehenden Projekt-Supervisors unterzogen wird (vergl. Pasch 1991).
Bei Seminaren zur erkenntnistheoretischen Fundierung der Softwaretechnik wird vor allem darauf abgezielt, implizite Annahmen der Softwaretechnik als Ingenieurs-Wissenschaft in Frage zu stellen. Die Vermittlung von zunächst informatik-fremden Denkansätzen führt dazu, daß aktuelle Trends in der Softwaretechnik-Diskussion besser eingeschätzt werden können. Als Beispiel mag etwa der Wechsel in den Programmierparadigmata dienen, der erst in seinen antizipierbaren Auswirkungen faßbar wird, wenn auch die philosophisehen/psychologischen Dimensionen bekannt sind (siehe z.B. Kuhn 1976). Als weiteres Beispiel sei die Diskussion um Software-Fabriken genannt.
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Literatur
G. Booch: Object-Oriented Design. Benjamin/Cummings, Redwood City, CA, 1991.
U. Bürkle, G. Gryczan, H. Züllighoven: Erfahrungen mit der objektorientierten Vorgehensweise in einem Bankenprojekt. Informatik- Spektrum (1992),15, 273–281.
C. Floyd, F.-M. Reisin, G. Schmidt: STEPS to Software Development with users. In C. Ghezzi, and J.A. McDermid, (Eds.), ESEC ’89: 2nd European Software Engineering Conference, Lecture Notes in Computer Science, volume 387. Springer-Verlag, 48–64.
G. Gryczan, H. Züllighoven: Objektorientierte Systementwicklung in einem Bankenprojekt. Informatik-Spektrum (1992),15, 264–272.
T.S. Kuhn: Die Struktur wissenschaftlicher Revolutionen. Frankfurt 1976.
R.J. Wirfs-Brock, B. Wilkerson, L. Wiener: Designing Object-Oriented Software. Prentice Hall, 1990.
J. Rumbaugh, M. Blaha, W. Premerlani, F. Eddy, W. Lorensen: Object-Oriented Modeling and Design. Prentice Hall, 1991.
J. Pasch: Dialogischer Software Entwurf. Dissertation, Technische Universitat Berlin, November 1991.
A. Weinand, E. Gamma, R. Marty: Design and Implementation of ET++, a Seamless Object-Oriented Application Framework. In: Structured Programming, Vol.10, No.2, Springer, 1989.
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© 1993 B. G. Teubner Stuttgart
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Gryczan, G., Piepenburg, U., Züllighoven, H. (1993). Erfahrungen mit Industriekooperationen unter Ausbildungsaspekten. In: Raasch, J., Bassler, T. (eds) Software Engineering im Unterricht der Hochschulen SEUH ’93. Berichte des German Chapter of the ACM. Vieweg+Teubner Verlag. https://doi.org/10.1007/978-3-322-86778-0_17
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