Zusammenfassung
Geschlechterdifferenzen werden historisch und gattungsspezifisch unterschiedlich aufgearbeitet. Nachdem im 17. und 18. Jahrhundert die Konzentration darauf gerichtet ist, die Anatomie des weiblichen Körpers, die ‚Natur der Frau‘ als das ‚Andere‘, das ‚Fremde‘ zu konstruieren, geht es seit Mitte des 19. Jahrhunderts vorrangig darum, diese popularisierten Erkenntnisse sozial anschlußfähig zu machen. Die Figur der „HausfrauMutterGattin“ (Mixa 1994: 8) wird als Verkörperung reiner Weiblichkeit stilisiert und der gelehrten Frau, die als „Geißel ihres Mannes“ (Rousseau 1791: 248) und Plage der Menschheit gilt, gegenübergestellt. Ist die bürgerliche Frau entgegen dieser Bestimmung zusehends „gezwungen“ (Weißenfeld 1957), berufstätig zu sein, mehren sich ab dem letzten Drittel des 19. Jahrhunderts in der Anstandsliteratur besondere Anweisungen für das schickliche Verhalten in dieser spezifischen Situation (vgl. Mixa 1994: 114, Krumrey 1984). „Schamhaftigkeit und Zurückhaltung, soweit nicht ohnedies naturgegeben“, werden zur „obersten Pflicht“ (ebd.: 46 f.) der Frau erklärt. Döcker konstatiert für die Jahre nach 1850 zunächst einen Rückgang der veröffentlichten Umgangslehren, die seit 1870 in Form der Manierenliteratur wieder erneute Auflagenstärken zeigen, die auch in den folgenden Jahrzehnten der Weimarer Zeit, der Nachkriegszeit und der sozialliberalen Ära anzutreffen sind (vgl. 1994: 57 ff., Krumrey 1984: 25, Grawert-May 1992: 64 ff.). Eine „Differenzierung und Spezialisierung“ (Mixa 1994: 49) der Medien, AdressatInnenkreise, Inhalte, des Aufbaus und der Sprache ist festzustellen (vgl. Döcker 1994: 57).
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© 1999 Westdeutscher Verlag GmbH, Opladen/Wiesbaden
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Ernst, S. (1999). Die Entwicklung der Geschlechterfrage in der Umgangs- und Anstandsliteratur. In: Geschlechterverhältnisse und Führungspositionen. Studien zur Sozialwissenschaft, vol 206. VS Verlag für Sozialwissenschaften. https://doi.org/10.1007/978-3-322-86658-5_8
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Publisher Name: VS Verlag für Sozialwissenschaften
Print ISBN: 978-3-531-13322-5
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