Zusammenfassung

Zusammenfassung

In den frühbürgerlichen Sittenlehren kommt als einer spezifischen Form von Literatur der zivilisatorische Wandel der höfisch-absolutistischen Gesellschaft seit dem 18. Jahrhundert zum Ausdruck. Dabei erhalten diese enorm anschlußfähigen und auflagenstarken normativen Texte insbesondere die Funktion, die mit dem Umbruch verbundenen Orientierungs- und Selbstverständigungsprobleme der Bürgerinnen und Bürger spezifisch zu bearbeiten und neue Antworten über sozial erfolgreiches Handeln bereitzustellen. Dies bedeutet im Zeitalter der Aufklärung, des ‚Sturm und Drang‘ und der Pädagogik eine Hinwendung zum bürgerlichen Subjekt, zum einzelnen, dem die Befreiung aus seiner ‚selbstverschuldeten Unmündigkeit‘ gelingen soll. Den Moralischen Wochenschriften Gottscheds, dem von Schiller, Wieland u.a. herausgegebenen Journal von deutschen Frauen für deutsche Frauen, dem Umgangsbuch Knigges, den Sittenlehren und Erziehungsromanen Rousseaus, Campes, Lafontaines, Ewalds und nicht zuletzt Gleims kommt in diesem Prozeß eine bedeutende, tragende Rolle als Agenten der Konstruktion gesellschaftlichen Alltagswissens zu. Ihre Texte wie auch die politische Streitschrift Wollstonecrafts bieten gewissermaßen prototypische Einblicke in die normative Ausgestaltung der bürgerlichen, antihöfischen Moralvorstellungen, Verhaltensideale und Machtbalancen. Sie präsentieren gegenüber den wissenschaftlichen Abhandlungen, die aufwendiger und komplexer im Folio- oder Quartformat abgefaßt sind, im handlichen Taschenbuchformat alltagsnah und allgemeinverständlich spezifische Deutungs- und Erklärungsmuster, mit denen fragwürdig gewordene Plausibilitäten der freigesetzten bürgerlichen Akteurinnen und Akteure bewältigt und in neue mehr oder weniger zeitstabile Sinnzusammenhänge überführt werden sollen.