Zusammenfassung
In der „bewaffneten Revolte“ vom 3. und 4. Oktober 1993 in Moskau erfuhr die Auseinandersetzung zwischen den politischen Kräften Rußlands eine dramatische Zuspitzung. Nachdem Präsident Boris Jelzin am 21. September 1993 den Kongreß der Volksdeputierten aufgelöst und zu Neuwahlen aufgerufen hatte, verschanzten sich die russischen Volksvertreter mehr als eine Woche hinter den Mauern des Weißen Hauses und hofften auf das Eintreten verschiedener Wunder: auf das Einlenken des Präsidenten, die Empörung der westlichen Welt über dessen verfassungswidrigen Akt und die Unterstützung der breiten Volksmassen. Doch die Moskauer Bevölkerung, die das Weiße Haus im August 1991 so tapfer gegen die Putschisten verteidigt hatte, verhielt sich zurückhaltend. Nur wenige Anhänger der Volksvertreter versammelten sich vor dem Parlamentsgebäude und protestierten gegen die Auflösung des Kongresses. Nach Tagen des zermürbenden Wartens auf eine für sie positive Wende, weitgehend abgeschnitten von der Außenwelt und ohne Wasser und Strom, begingen die Volksvertreter und ihre Anhänger eine Verzweiflungstat. Angeführt von dem ehemaligen Luftwaffengeneral Alexander Ruzkoi und dem Parlamentssprecher Ruslan Chasbulatow sowie einigen nationalistisch-kommunistisch orientierten Kräften riefen sie ihre Anhänger zum Sturz Jelzins auf. Die blutigen Kämpfe mit regierungstreuen Einheiten dauerten zwei Tage an und hinterließen ein zerstörtes Parlamentsgebäude, das die Putschisten mit über ihren Köpfen erhobenen Händen verlassen mußten. Das Fazit dieser „bewaffneten Revolte“ ist bedrückend: Nach offiziellen Angaben forderte sie das Leben von mehr als 160 Menschen sowie eine weitaus größere Anzahl von Verletzten.
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Literatur
Vgl. Vera Tolz,Drafting the the New Russian Constitution, in: RFE/RL Research Report, Vol. 2, No. 29, 16. Juli 1993, S. 1–11.
Zum Konflikt zwischen Jelzin und dem Parlament vgl. Sergej A. Saizew,Machtkampf und Nervenkrieg in Rußland, in: Europa-Archiv, Folge 8/1993, S. 239–248.
Vgl. die Fernsehansprache Jetzins,in: Europa-Archiv, Folge 8/1993, D 169–172.
Vgl. das Gutachten des Verfassungsgerichts vom 23. März 1993, in: Europa-Archiv, Folge B. D 172–175.
Vgl. Vera Tolz, Wendy Slater und Alexander Rahr,Profiles of the Main Political Blocs, in: RFE/RL Research Report, Vol. 2, No. 20, 14. Mai 1993, S. 16–25.
Der Text der russischen Verfassung ist abgedruckt in: Rossijskie Vesti, No. 235 (420) vom 12. Dezember 1993.
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Babst, S. (1997). Rußlands Suche nach einer neuen politischen Ordnung. In: Steffani, W., Thaysen, U. (eds) Parlamente und ihr Umfeld. Zeitschrift für Parlamentsfragen. VS Verlag für Sozialwissenschaften. https://doi.org/10.1007/978-3-322-86612-7_20
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