Zusammenfassung
Die Juni-Wahlen zum Parlament des heutigen polnischen Staates und die Wahl des Präsidenten der Volksrepublik Polen durch die Mitglieder der Nationalversammlung am 19.07.1989 markieren den politischen Anfang der polnischen Abkehr von Staatsinstitutionen des Sowjetsozialismus. Deshalb wird in Polen mitunter vom Beginn der IV. Polnischen Republik gesprochen1. Man könnte zwar einwenden, Versuche solcher Abkehr habe es schon früher gegeben (etwa 1956 oder 1980–1981), doch erst in diesem Jahr scheint sich die Abwendung vom totalitären Kommunismus institutionell zu vollziehen.
Der Beitrag wurde im Juli 1989 fertiggestellt.
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Literatur
Die erste Republik Polens war die sog. Adelsrepublik des 16.-18. Jahrhunderts. Die zweite existierte in den Jahren 1919–1939. Die dritte sollte die Volksrepublik Polen sein.
In der Regierungszeitung schrieb dazu A. Dzierianowski, Nowy parlament zainaugurowal kadencjç (Das neue Parlament begann seine Kadenz), „Rzeczpospolita“ („Republik”) Nr. 156 vom 5.07.1989, S. 1: „Das X. Plenum stellte für die Partei eine Art Krönung der Reformabsichten dar: Proklamierung des politischen und gewerkschaftlichen Pluralismus“. [Alle Übersetzungen aus dem Polnischen stammen vom Verfasser].
Probleme mit der eigenen Partei deutete M. F. Rakowski in einem Interview an, Godzina prawdy jui jest (Die Stunde der Wahrheit hat schon geschlagen), „Gazeta Wyborcza“ („Wahlzeitung”) Nr. 18 vom 2.07.1989, S. 3: Auf dem X. Plenum „wurden [meine Aussagen] zuerst mit unterschiedlichen Zweifeln, Ängsten, mit Erstaunen usw. angenommen”.
Die führende politische Kraft der Gesellschaft im Bau des Sozialismus ist die Polnische Vereinigte Arbeiterpartei“, Konstytucja PRL (Die Verfassung der VR Polen), Art. 3 Abs. 1.
Die Vereinigung PAX, die Christlich-Soziale Union (UChS) und der Polnische Katholisch-Soziale Bund (PZKS) sind die offiziellen christlichen Organisationen Polens, die der Partei näher stehen als dem Episkopat der Kirche. Die Vereinigte Volkspartei (ZSL) sowie die Demokratische Partei (SD) gelten als Satellitenparteien der PVAP.
So sah es beispielsweise Bronistaw Geremek,einer der Hauptarchitekten des Kompromisses. Vgl. das Gespräch Adam Krzemifeskis mit Geremek,Kruchy proces zbliienia (Der brüchige Prozeß der Annäherung), „Polityka“ („Politik”) Nr. 16 vom 22.04.1989, S. 1 u. 6.
Die Verhandlungsergebnisse des Runden Tisches sind in der „Frankfurter Allgemeine Zeitung“ Nr. 84 vom 11.04.1989, S. 8, dem deutschen Leser zugänglich gemacht worden. Im weiteren wird hier auf diese Übersetzung Bezug genommen.
Erstaunt darüber zeigte sich in einem Interview der Rechtsberater der „Solidarnosé“ Jerzy Ciemniewski, Nie ma pwrotu (Es gibt keine Rückkehr), „Wprost” („Direkt“) Nr. 25 vom 18.06.1989, S. 6 — bisher „schien es so zu sein, als wäre das Element der Gewalteneinheit in der marxistischen Rechtstheorie logisch”.
Die genannten Gesetze sind u. a. in einer Broschüre abgedruckt, aus der hier im weiteren zitiert wird. Sie ist unter dem Titel „Wybory ‘89“ („Wahlen ‘89”) im Verlag „Zotnierz Wotnosci“ („Soldat der Freiheit”) ohne Bekanntgabe des Ortes veröffentlicht worden.
Siehe ebenda, Art. 32d. So kann die Nationalversammlung den Präsidenten vor dem Verfassungsgericht wegen eines Verbrechens bzw. einer Verfassungsverletzung anklagen.
Vgl. ebenda, Art. 27, S. 5. Ähnliche Rechte hat der französische Präsident. Siehe dazu: Jerzy Ciemniewski, Ponad parlamentem (Ober dem Parlament), „Gazeta Wyborcza“ Nr. 52 vom 20.07.1989, S. 3: „Dort [in Frankreich] beschließt aber das Parlament über ein [vom Präsidenten abgelehntes] Gesetz erneut mit normaler Stimmenmehrheit. Wenn [in Polen] der Sejm ein verworfenes Gesetz annimmt, besteht das Risiko, daß der Präsident,zur Vergeltung` beide Parlamentskammern auflösen kann…. Dieser Bereich der Rechte des Präsidenten stellt ihn faktisch über das Parlament. Eine bloße konstitutionelle Rhetorik bleibt der 20. Artikel [der Verfassung], der besagt, der Sejm sei das höchste Organ der Staatsmacht in Polen.”
Am Runden Tisch hatten die Kommunisten ihren „Solidamose“-Partnern vorgeschlagen, daß sich auf der Landesliste auch einige Vertreter der „Solidamosé” befinden sollten. Die Opposition hat dieses Angebot abgelehnt.
Zum völligen Boykott der Wahlen haben PPS-RD [Polnische Sozialistische Partei-Radikal/DemokratischI Polskie Porozumienie Niepodfeglosciowe [Polnische Unabhängigkeitsverständigung], Liberalno-Demokratyczna Partia,Niepodlegtosé [Liberal-Demokratische Partei,Unabhängigkeit’1… aufgerufen. Sie hatten gemeinsame Argumente: die 35% an Demokratie, der nicht demokratische Vorgang bei der Auswahl der,Solidamosé’-Kandidaten, die Kritik am Programm der Bürgerkomitees“. Siehe: Dawid Warszawski, Wokbojkotu (Um den Boykott), „Gazeta Wyborcza” Nr. 21 vom 7.06.1989, S. 6.
Krzysztof Sliwinski, Pod katolickim sztandarem (Unter der katholischen Fahne), „Gazeta Wyborcza“ Nr. 19 vom 3.-5.06.1989, S. 3.
Szansa dla Polski (Chance für Polen), „Gazeta Wyborcza“ Nr. 13 vom 24.-25.05.1989, S. 3.
Lepsze 35 niz zero. Wywiad ze Zbigniewem Brzeziziskim (Besser 35 als null. Ein Interview mit Zbigniew Brzezinski), „Gazeta Wyborcza “ Nr. 15 vom 30. 05. 1989.
Jestem z lewicy, z frakcji Reagana (Ich bin von der Linken, von der Reagan-Fraktion), ebenda, S. 4.
Brutalna ingerencja (Brutale Einmischung), „Gazeta Wyborcza“ Nr. 18 vom 2.06.1989, S. 1.
Zbigniew Bujak,der langjährige Chef der „Solidarnogé“ im Untergrund, sagte kurz vor dem ersten Wahlgang: „Nachdem der NZS (Der Unabhängige Studentenverbund) nicht registriert wurde, werde ich keinen aus dieser Liste unterstützen”. Siehe: Zdanie Zbigniewa Bujaka (Der Satz von Zbigniew Bujak), „Gazeta Wyborcza“ Nr. 19 vom 3.-5.06.1989, S. 1. Am Vorabend der Wahlen sagte Lech Watgsa in den Fernsehnachrichten, er werde nur einen Bewerber von der Landesliste streichen (gemeint war offenbar Alfred Miodowicz, Chef der offiziellen Gewerkschaft OPZZ).
c), Jak zdejmowano audycjç (Wie man eine Sendung verbot), „Gazeta Wyborcza“ Nr. 14 vom 19.05.1989, S. B.
Sprawa honoru (Die Ehrensache), „Tygodnik Wyborczy“ Nr. 1 vom 4.06.1989, S. 16 (Fiszbach erzielte ein sehr gutes Ergebnis im ersten Wahlgang: 48% der Stimmen).
Siehe: Wyniki wyborów do Sejmu i Senatu (Die Ergebnisse der Wahlen zu Sejm und Senat), „Rzeczpospolita“ Nr. 135 vom 10.-11.06.1989, S. 1 sowie: Obwieszczenie Paristwowej Komisji Wyborczey z dnia 8 czerwca 1989r. o wynikach wyborów do Sejmu i Senatu Polskiej Rzeczpospolitej Ludowej przeprowadzonych dnia 4 czerwca 1989r. ( Bekanntmachung des Staatswahlausschusses…), ebenda, S. 3–15.
51 Ryszard Wojna, Co jest teraz najwainiejsze (Was nun das Wichtigste ist), „Rzeczpospolita“ Nr. 135 vom 10.-11.06.1989, S. 1–2.
Vgl. Krzysztof Leski, Na razie 252 z 261 (Zur Zeit 252 von 261), „Gazeta Wyborcza“ Nr. 24 vom 10.-12. Juni 1989, S. 1.
Vgl. Andrzej Florczyk/Tomasz 2ukowski/Jarosraw Najdowski, Nowa geografia polityczna Polski (Die neue politische Geographie Polens), „Tygodnik,Solidarnosé’ “ Nr. 3 vom 6.07. 1989, S. B.
Vgl. Adam Michnik, Radosé… i chwila namystu (Freude… und ein Augenblick des Bedenkens), „Gazeta Wyborcza“ Nr. 21 vom 7.06.1989, S. 1 sowie Wojciech Wieczorek, Krajobraz po wyborach (Die Landschaft nach den Wahlen), „Tygodnik,Solidarnosé”’ Nr. 3 vom 16.06. 1989, S. 1.
Vgl.: Kto grosowar na „Solidarnosé“ (Wer die „Solidarnosé” gewählt hat), „Gazeta Wyborcza“ Nr. 29 vom 17.-19. 06. 1989, S. 3.
Von einem „Problem der konstitutionell-rechtlichen Natur“ schrieb in diesem Zusammenhang die staatliche Nachrichtenagentur PAP, siehe: Posiedzenie Rady Panstwa (Sitzung des Staatsrates), „Trybuna Ludu” Nr. 137 vom 14.06.1989, S. 1.
Der Staatsrat… erläßt Dekrete mit der Kraft des Gesetzes“ — besagt die Verfassung der Volksrepublik Polen, Art. 30, Abs. 1, Pkt. 5.
Komunikat PAP o posiedzeniu komisji porozumiewawczej w czwartek 8 czerwca (Das Kommuniqué der PAP…), „Rzeczpospolita“, S. 1.
Jesteimy na cienkiej galçzi (Wir sitzen auf einem dünnen Zweig), „Gazeta Wyborcza“ Nr. 25 vom 13.06.1989, S. 2.
Posiedzenie Rady Panstwa (Sitzung des Staatsrates), „Rzeczpospolita“ Nr. 138 vom 14.06. 1989, S. 1.
Vgl.: Zamiast listy (Anstatt der Liste), „Gazeta Wyborcza“ Nr. 27 vom 15. 06. 1989, S. 1.
Powiedzieli po gfosowaniu (Sie sagten nach der Abstimmung), „Rzeczpospolita“ Nr. 143 vom 20.06.1989.
Im weiteren wird hier die Parlamentsfraktion der „Solidarnosé“,OKP` bzw.,OKP „Solidarnosé”’ genannt. Eine Fraktion des polnischen Parlamentes nennt sich meistens „Abgeordnetenklub“ bzw. „Klub”.
Vgl.: Ewa Mitewicz, Jak wybrae prezydenta. Powstal Obywatetski Klub Parlamentamy (Wie soll man den Präsidenten wählen? Es entstand der Bürgerliche Parlamentsklub), „Gazeta Wyborcza“ Nr. 35 vom 27.06.1989, S. 1.
Siehe dazu: MU, Pierwsze posiedzenie. Zbiera siç Sejm i Senat (Die erste Sitzung…), „Rzeczpospolita “ Nr. 155 vom 4.07. 1989, S. 2.
Vgl. Berichte der Regierungszeitung „Rzeczpospolita“ vom 5.07. und vom 7.07.1989, entsprechend: Nowy parlament zainaugurowat kadencjç (Das neue Parlament begann seine Amtszeit), Nr. 156, S. 1–2 sowie — Pracowity poczgtek kadencji (Ein arbeitsreicher Beginn der Amtszeit), Nr. 158, S. 1–2. Siehe auch den Bericht von Teresa Bogucka, Zacz4t siç Sejm (Der Sejm begann seine Tagung), „Gazeta Wyborcza ” Nr. 42 vom 6.07. 1989, S. 1.
Siehe: Aleksander Cheeko, Szybciej, panic prezydencie (Schneller Herr Präsident), „Polityka“ Nr. 28 vom 15.07.1989, S. 6.
Vgl. Oswiadczenie Lecha Watçsy w sprawie prezydentury (Erklärung Lech Watçsas…), „Try-buna Ludu“ Nr. 165 vom 15.-16. 07. 1989, S. 1.
Vgl. (em), Jak go wybrae (Wie soll man ihn wählen?), „Gazeta Wyborcza“ Nr. 52 vom 20. 07. 1989, S. 2.
Oiwiadczenie Lecha Waiçsy (Erklärung Lech Watlisas), „Gazeta Wyborcza“ Nr. 23 vom 21.-23. 07.1989, S. 1.
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Maćków, J. (1997). Polen im Umbruch: Die Wahlen 1989. Politische Hintergründe, Verlauf, Analyse. In: Steffani, W., Thaysen, U. (eds) Parlamente und ihr Umfeld. Zeitschrift für Parlamentsfragen. VS Verlag für Sozialwissenschaften. https://doi.org/10.1007/978-3-322-86612-7_16
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