Zusammenfassung
Daß es „nicht die Aufgabe des Dichters ist, zu berichten, was geschehen ist, sondern vielmehr, was geschehen könnte und was möglich wäre“, diese Annahme begründet seit mehr als zweitausend Jahren das abendländische Verständnis von Dichtung im allgemeinen und Erzählung im besonderen. „Denn der Geschichtsschreiber“— so erläutert Aristoteles in seiner Poetik (4. Jh. v. Chr.) — „und der Dichter unterscheiden sich nicht dadurch voneinander, daß sich der eine in Versen und der andere in Prosa mitteilt…; sie unterscheiden sich vielmehr dadurch, daß der eine das wirklich Geschehene mitteilt, der andere, was geschehen könnte.“(S. 29) Die Irrealität oder Potentialität des erdichteten Geschehens, von Aristoteles für Tragödie und Epos gleichermaßen postuliert, wird in der Moderne mehr und mehr am Beispiel der literarischen Erzählung diskutiert: „In der Tat lügen die Romane — sie können nicht anders —“schreibt 1988 der peruanische Erzähler Mario Vargas Llosa, „aber dies ist nur ein Teil der Geschichte. Der andere Teil besteht darin, daß sie mit ihrer Lüge eine eigentümliche Wahrheit ausdrücken, die nur verborgen und verdeckt ausgedrückt werden kann, verkleidet als etwas, das sie nicht ist.“(S. 225)1
Das Gedichtete behauptet sein Recht wie das Geschehene. Johann Wolfgang von Goethe: Gespräche mit Riemer
All this happened, more or less. Kurt Vonnegut, Jr.: Slaughterhouse-Five
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Vogt, J. (1998). Die Erzählung als Fiktion. In: Aspekte erzählender Prosa. WV studium. VS Verlag für Sozialwissenschaften. https://doi.org/10.1007/978-3-322-86591-5_1
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DOI: https://doi.org/10.1007/978-3-322-86591-5_1
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Print ISBN: 978-3-531-22145-8
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