Zusammenfassung
Im seinem Umfang nicht vergleichbar mit den Rationalisierungseffekten, die durch die Einführung der EAN in der Konsumgüterindustrie möglich wurden, kommt einem Normungsprozeß im Zusammenhang mit der Rationalisierung des unternehmensübergreifenden Datenaustausches in der Küchenmöbelindustrie durch seine besondere Akteurskonstellation dennoch eine vergleichbare theoretische Bedeutung zu. Diese Besonderheit in der Akteurskonstellation besteht darin, daß der Normungsprozeß getragen wird von einer Akteursgruppe, die zwischen Hersteller-und Handelsunternehmen in der Konsumgüterwirtschaft angesiedelt ist. Es handelt sich hierbei um Softwarehäuser, die Küchenplanungssysteme für den spezialisierten Einzelhandel anbieten. Im Unterschied zu der dominanten Rolle, die diese ‘dritte Partei’ in dem hier darzustellenden Normungsprozeß spielte, blieb die Rolle der Kassenanbieter im Fall der EAN-Genese auf die Beisteuerung technischen Fachwissens beschränkt.9
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Literaturverzeichnis
Allerdings zeigten die Kassenhersteller in der späten Phase der EAN-Genese verstärktes Interesse an dem Erfolg des Normungsprojektes, da sich hier die Automatisierung des Kassiervor-ganges als Hauptanwendungsfeld der EAN zum ersten Mal abzeichnete. Die Kassenhersteller unterstützten die Position der ‘ban-Gegner’ und verschafften diesen dadurch zusätzliche Argumentationshilfen. Sie haben den Normungsprozeß jedoch zu keiner Zeit entscheidend beeinflußt (vgl. van Gerpen und Seeger 1990).
Die Erhebungen zur Untersuchung dieses Systems wurden im Rahmen eines For-schungsprojekes an der Universität Wuppertal durchgeführt. Die Ergebnisse sind veröffentlicht in Biervert et al 1992.
Ein Datenformat legt die Struktur von Daten fest. Ein Datenformat gibt also an, welche Daten aufgenommen werden, bis zu welchem Detailgrad, in welcher Reihenfolge usw. Ein Datenformat trifft keine Festlegungen in bezug auf die von den Daten bezeichneten Objekte (z.B. ein Schrankelement einer Küche). Insofern gleicht ein Datenformat der EAN-Nummer. Der wesentlicher Unterschied der EAN zu ihrem Vorläufer, der ban, besteht darin, daß die EAN ebenfalls keine Aussagen über die bezeichneten Objekte trifft, wohingegen die ban die Objekte klassifiziert (vgl. Abschnitt 1). Dies bedeutet v.a., daß die Anforderungen einer Formatsnorm an den Normungsprozeß wesentlich niedriger sind als einer Produkt(bezeichnungs)norm.
Dieser Arbeitskreis wird institutionell von einer Einkaufskooperation im Küchenmöbel-einzelhandel, “Der Kreis”, getragen.
Die offzielle Bezeichnung für dieses neue Format ist “AMK-Format ′90”. Es wird im folgenden der Einfachheit halber mit “AMK-Datenformat” bezeichnet.
Die EAN ist nicht geeignet für die Lösung dieses Problems, da sie verkaufsfähige Einheiten identifiziert, die Verkaufseinheiten im Prozeß der Küchenplanung jedoch aus einzelnen Elementen zusammengesetzt werden, die durch das AMK-Datenformat erfasst werden müssen. Unabhängig davon besteht in der Möbelindustrie eine ähnliche Problematik in bezug auf die EAN wie in der Textilwirtschaft, die v.a. aus der großen Variantenvielfalt herrührt. Außer einem Hersteller wird die EAN in Deutschland von keinem Möbelproduzenten verwendet.
Die an dem Normungsprozeß aktiv beteiligten sieben Softwarehäuser halten das Kapital der Dataform zu gleichen Anteilen.
Allerdings stellte sich später heraus, daß diese Daten aufgrund ihrer Struktur nicht von der Dataform verwendet werden konnten. Die Produktdaten der Hersteller mußten also alle ohne Ausnahme neu erfasst werden.
Zuvor wurden den Einzelhandelsunternehmen von den Softwarehäusern die Produktdaten als Teil ihres eigenen Produktes ‘mitverkauft’. Mit dem AMK-Datenformat wird dieser ‘Pro-duktbestandteil’ unter Wettbewerbsgesichtspunkten neutralisiert.
Aus diesem Sachverhalt konnten Wettbewerbsvorteile nur solange abgleitet werden, wie die Verbreitung von Küchenplanungssoftware noch relativ gering war.
Vgl. Monse, Reimers und Kubicek 1993.
Zur weiteren Entwicklung der Initiative vgl. Abschnitt 3.2.2.3. Hier geht es v.a. darum, das AMK-Datenformat für die Einführung des elektronischen Datenaustausches fruchtbar zu machen.
In der Tat war dies etablierte Praxis für das führende Unternehmen in der Küchenmöbelindustrie.
Unter den Bedingungen des alltäglichen Geschäftes dürfte diese letzte Kostenkategorie am schwersten wiegen, da die Vorteile der Unterstützung durch das Planungssystem dann durch den ständigen Wechsel von einem zum nächsten System kontinuierlich gemindert werden, wohingegen die Kosten für die Anschaffung des Systems einmalige Kosten darstellen.
Allerdings wird die Software i.d.R. kostenlos an die Händler weitergereicht. Für sie entstehen v.a. Kosten der Hardware-Anschaffung sowie Kosten der Einarbeitung in das System.
Das führende Softwareunternehmen gibt an, vor Einführung des AMK-Datenformates 184 Herstellerkataloge verwaltet zu haben.
Zwar zählen sie nach gängiger Terminologie zu dem sogenannten’ servicekranz’, mit dem ein Hersteller sein Produkt umgibt, jedoch dienen sie ebenso wie die Gestaltung des Produktes der Profilierung am Markt. Faßt man all jene Komponenten eine Angebotes, die diesem Zweck dienen, zusammen und stellt sie all jenen Komponenten, die ein Angebot mit dem anderer Anbieter gemeinsam hat, gegenüber, so kann die Menge der ersten unter dem Begriff ‘Produkt’, die zweite unter dem Begriff ‘Mikro-Rahmenordnung’ subsummiert werden. Der Begriff ‘Mikro-Rahmenordnung’ meint dabei die Rahmenordnung, die durch das Handeln der Marktakteure selbst zustand kommt, z.B. allgemeine Geschäftsbedingungen für eine Branche. Vgl. auch die theoretischen Ausführungen zum elektronischen Datenaustausch, Abschnitt 3.2.1.
Von den knapp zehn beteiligten Softwarehäusern führte jedes die bekannten Namen aus der Küchenmöbelindustrie in seinen Katalogen.
D.h. sie akzeptieren das AMK-Datenformat bis heute nicht, was von den Teilnehmern als erneuter ‘Wildwuchs’ beklagt wird.
Das Argument, die Poolung der Daten verhindert die Doppelerfassung bei den Softwarehäusern, ist zwar im Effekt richtig. Aus einer Prozeßperspektive jedoch ergibt sich, daß zunächst die Struktur der Daten vereinheitlicht wurde, woraus sich dann die Möglichkeit der Poolung erst ergab. Die Alternative zur Poolung ist aus einer Prozeßalternative also nicht die Doppelerfassung, sondern die Ableitung der Daten aus den Datenbeständen der Hersteller.
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© 1995 Betriebswirtschaftlicher Verlag Dr. Th. Gabler GmbH, Wiesbaden
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Reimers, K. (1995). Aushandlung eines unternehmensübergreifenden Datenaustauschformates in der Küchenmöbelindustrie. In: Normungsprozesse. Neue betriebswirtschaftliche Forschung. Gabler Verlag. https://doi.org/10.1007/978-3-322-86567-0_11
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