Zusammenfassung
Die Wirklichkeit der Medien ist die Wirklichkeit der Medienkulturgesellschaften. Wie sagte schon Karl Marx: Technik und Produktionsverhältnisse schaffen nicht nur einen Gegenstand für das Subjekt, sondern auch ein Subjekt für den Gegenstand. Jede medientechnologische Veränderung hat in der Geschichte zu einer unumkehrbaren Veränderung der Kommunikation wie des Wirklichkeitsverständnisses geführt, von der Schrift bis zum Computer. Die Tele-Maschinen (von der Telegrafie bis zur Television) haben den Raum und die Zeit aufgelöst, die Digitalisierung und der computergestützte Medienverbund sind offenbar dabei, auch die letzten Bastionen traditioneller Wirklichkeitsvorstellungen zu schleifen: Der digitale Raum ist der Raum der endlosen Permutationen und Metamorphosen. Peter Weibel, der Technoprophet, hat die Entwicklung auf folgenden Nenner gebracht:
„Die dritte und aktuelle Phase der Kommunikationstechnologie, die zwischen Menschen und Menschen und zwischen Mensch und Maschine stattfindet, ist durch den digitalen Code gekennzeichnet, der über die Dinge gleitet und sie in Zahlen transformiert. Nach Eisenbahn und Telefon, zwei Prototypen der ersten und zweiten Phase, etabliert sich nun also der Computer als neue telematische Maschine, und das natürlich nicht nur im Sinne von Minitel oder BTX. Der binäre Code verwandelt den Realraum in einen virtuellen Raum ohne Riß zwischen Realität und Fiktion. Im digitalen Raum findet die ultimative Auflösung des Körpers statt, die mit Datenhandschuhen, Datenanzügen und der Eroberung der virtuellen Realität gerade beginnt. Für die telematischen Reisen brauchen wir unseren Platz vor dem Bildschirm nicht mehr zu verlassen. Man sitzt vor ihm, die Datenfiguration ersetzt die Welt und die Zeichen bzw. die Welt kommt zu uns. Die Welt wird transparent.“ (1990: 24) (Abb. 8)
1 Im medientheoretischen Diskurs gibt es immer wieder erhebliche terminologische Differenzen. Einen beherzigenswerten Vorschlag zu Definitionsversuchen hat kürzlich H. Schanze (1995) vorgelegt; zwei Aspekte möchte ich hier kurz anführen.
· „’Multimedia’ meint ein Doppeltes: Zum einen die Vereinigung der drei für die Entwicklung der kulturellen Kommunikation entscheidenden Wahrnehmungsformen Text, Bild und Ton. (= Multimedia als perfektionierte Audiovision plus perfektionierter Telekommunikation.)
· Der Computer im Netz, das ‘Digitalmedium’, bietet eine Plattform für verschiedene Medien, einschließlich deren partieller Integration (= Multimedia-Plattform).
Schanze betont: „Was das evolutionäre Potential des ‘Digitalmediums’ angeht, die ‘Multimedia’—Plattform also, so besteht deren Innovation vor allem in der Kombination von Eigenschaften ‘Alter Medien’. Entsprechend der Bandbreite zwischen Broadcasting und Narrowcasting lassen sie sich auf einer Skala der Interaktivität anordnen.“ (a.a.O.: 400) — „Insofern sind die heute in Rede stehenden ‘Neuen Medien’ [wie z.B. Digital Video oder Audi Broadcasting, Video on Demand, sjs] letztlich nur noch zu unterscheiden durch den Grad der Interaktivität.“ (1995: 398)
2 Wichtige Sammelbände bzw. Monografien sind zu diesem Thema in den letzten Jahren publiziert worden; so u.a.: M. Waffender (Hg.) 1991; H. Rheingold 1994; F. Rötzer & P. Weibel (Hg.) 1993; K. Steinmüller (Hg.) 1993; G. Rempeters 1994; St. Igelhaut, F. Rötzer & E. Schweeger (Hg.) 1995; M. Faßler & W.R. Halbach (Hg.) 1994.
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© 1996 Friedr. Vieweg & Sohn Verlagsgesellschaft mbH, Braunschweig/Wiesbaden
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Schmidt, S.J. (1996). Die Welt der „Neuen Medien“: Virtuelle Realitäten. In: Die Welten der Medien. Wissenschaftstheorie Wissenschaft und Philosophie, vol 46. Vieweg+Teubner Verlag. https://doi.org/10.1007/978-3-322-86512-0_2
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DOI: https://doi.org/10.1007/978-3-322-86512-0_2
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