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Die Massierung politischer Skandale - Symptom für Steuerungs- und Legitimationsprobleme staatlicher Politik in der jüngeren Vergangenheit

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Wohlfahrtsstaat, Sozialstruktur und Verfassungsanalyse

Zusammenfassung

Wie unterschiedlich die Beurteilung der Entwicklung auch immer ausfallen mag, die Zunahme, ja Massierung politischer Skandale in den vergangenen Jahren ist unbestreitbar2. Nicht ganz zu Unrecht hat sich bei den Bürgern der sicherlich medienvermittelte Eindruck festzusetzen begonnen, staatliche Politik löse sich langsam aber stetig in eine Abfolge von Skandalen auf. Und tatsächlich hat sich ja Skandal an Skandal gereiht — in der jüngeren Vergangenheit allein mit bundesweiter Resonanz: Flick-Skandal und Parteispenden-Affäre, der Skandal um die Neue Heimat, die Barschel-Affäre, Atom- und Giftmüll-Skandale, die Kieler U-Boot-Affäre, ein neuer Spielbanken-Skandal usf. Die Aufklärungsversuche durch Untersuchungsausschüsse hinken immer neuen Skandalen hinterher. Die Presse spricht, nicht nur auf die bundesrepublikanische Entwicklung bezogen, von “Rekordhöhen”3. Daß sich in den letzten Jahren — zuerst in den USA — eine eigenständige Skandalforschung entwickelt hat, die inzwischen über Tagungen und Publikationen aufblüht, unterstreicht diese Entwicklung ebenso wie die davor und daneben entstandene Korruptionsforschung, mit der zugleich ein Hauptthema solcher Skandale und Affären bezeichnet ist.

Die Überschrift dieses Beitrages war in der Vortragsfassung mit einem Fragezeichen versehen. Die dort entwickelten Thesen, insbesondere zur gewachsenen “Legitimationsempfindlichkeit” staatlicher Politik in der jüngeren Vergangenheit, wurden auf dem Symposium Ende November 1988 noch von den meisten Diskutanten infragegestellt. Das im Frühjahr 1989 dann von vielen Fachkollegen als Überraschung deklarierte Wählerverhalten in Berlin und Hessen hat m.E. die diesen Thesen zugrundeliegenden Analysen und Einschätzungen bestätigt. Deren neue Evidenz legt nahe, in der Druckfassung des Vortragstextes, den ich bis auf geringfügige Überarbeitungen und die notwendigen bibliographischen Ergänzungen unverändert gelassen habe, auf das ursprüngliche Fragezeichen zu verzichten.

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Literatur

  1. Vgl. dazu Rolf Ebbighausen/Sighard Neckel (Hrsg.), Anatomie des politischen Skandals, Frankfurt a.M.: edition suhrkamp 1989, darin insbesondere die Beiträge von Roland Roth, Eine korrupte Republik? Konturen politischer Korruption in der Bundesrepublik, S. 201 ff., und von Rolf Ebbighausen, Skandal und Krise. Zur gewachsenen Legitimationsempfindlichkeit staatlicher Politik, S. 171 ff.

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  2. Vgl. dazu u.a. Jochen Siemens, Die Weisen, die Regierung und vier Sorten Lügen, in: Frankfurter Rundschau v. 22.7.1987, S. 3. Eine Durchsicht der letzten fünf Jahrgänge des Wochenmagazins Der Spiegel erweist z.B., daß zunehmend weniger Ausgaben des Magazins ohne Berichterstattung über laufende oder neu dazugekommene Skandale sind, die Resonanz in der Öffentlichkeit hatten bzw. noch haben — eine deutliche Differenz gegenüber der Situation in den siebziger Jahren. Der Spiegel berichtet zwar vorrangig über Falle in der Bundesrepublik, aber auch über spektakuläre Vorkommnisse in den anderen großen westlichen Demokratien.

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  3. Zu dieser Seite aktueller Skandale, vgl. u.a. die Spiegel-Titelgeschichte vom 4.7.1988 (42. Jg., Nr. 27, S. 46 ff) oder die frühere Serie von Heinz Höhne/Jörg R. Mettke, “Das große Schmieren: Korruption in Deutschland”, in: Der Spiegel Nr. 47–50, 1984.

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  5. Ulrike Hörster-Philipps, Im Schatten des großen Geldes: Flick-Konzern und Politik, Köln: Pahl-Rugenstein 1985

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  11. Vgl. in dem Zusammenhang Ernst Forsthoff, Begriff und Wesen des sozialen Rechtsstaates, in: ders. (Hrsg.), Rechtsstaatlichkeit und Sozialstaatlichkeit, Darmstadt: Wissenschaftliche Buchgesellschaft 1968, S. 165 ff., insbes. S. 175.

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  15. Vgl. dazu Emile Durkheim, Die Regeln der soziologischen Methode, Neuwied/Berlin: Luchterhand 1965 (2. Auflage), S. 141 ff.

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  16. Fritz W. Scharpf, Verhandlungssysteme, Verteilungskonflikte und Pathologien der politischen Steuerung, in: Manfred G. Schmidt (Hrsg.), Staatstätigkeit, PVS-Sonder-heft, 19/1988, S. 61 ff.; die folgenden Zitate entstammen insbes. der Passage S. 79 f.

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  17. Den Begriff “Legitimationsempfindlichkeit” übernehme ich in dem Zusammenhang von Claus Offe, der ihn in den siebziger Jahren — allerdings unter anderem Vorzeichen und mit anderen Folgerungen — in die Diskussion gebracht hat. Vgl. Claus Offe, Überlegungen und Hypothesen zum Problem politischer Legitimation, in: Rolf Eb-bighausen (Hrsg.), Bürgerlicher Staat und politische Legitimation, Frankfurt a.M.: Suhrkamp 1976, S. 81.

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  18. Die während der Vorbereitung des Vortragsmanuskripts im November 1988 noch nicht abschätzbaren konkreten Wahlergebnisse in Berlin und Hessen vom Frühjahr 1989 haben letztlich diesen Wandel im Wählerbewußtsein bestätigt. Hervorgehoben wird in ersten Wahlanalysen neben den genannten handfesten Enttäuschungen in bezug auf die Nichtbewältigung akuter Probleme im übrigen auch eine auf die Massierung politischer Skandale in der jüngeren Zeit sich gründende “generelle Glaubwürdigkeitslücke gegenüber staatlicher Politik”. Vgl. dazu u.a. den frühen Wahlbericht in: Der Tagesspiegel v. 31.1.1989, S. 4: “Ein ungewöhnliches Ergebnis mit vielen Ursachen. Analyse des Infas-Instituts: Wähler vermißten Ehrlichkeit und Unbestechlichkeit.”

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  19. Das erweisen nicht nur Befunde und Diskussionen in der Wahlforschung — vgl. dazu u.a. die Beiträge in: Max Kaase/Hans-Dieter Klingemann (Hrsg.), Wahlen und politisches System, Opladen: Westdeutscher Verlag 1983; auch die großen Parteien selber sind dabei, diesem Umstand in ihren Wahlkampfstrategien Rechnung zu tragen. Vgl. dazu auch die späteren Hinweise.

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  20. Hier ergeben sich inzwischen Differenzen gegenüber der Situation, wie sie noch für die siebziger Jahre beschrieben worden ist. Vgl. dazu u.a. Rolf Ebbighausen, Parteiensystem und die politische Durchsetzung ökonomischer Interessen in der Bundesrepublik, in: Mario R. Lepsius (Hrsg.), Zwischenbilanz der Soziologie, Verhandlungen des 17. Deutschen Soziologentages, Stuttgart: Enke 1976, S. 361 ff., insbes. S. 364 ff.

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  21. In den Wahlkampfplanungen der Parteizentralen von SPD und CDU sind z.B. Differenzierungen der Milieus nach Wählerpotentialen sowie neue Modelle von Lebensstil-Gruppierungen längst gängig. Vgl. dazu u.a. Peter Gluchowski, Lebensstile und Wandel der Wählerschaft in der Bundesrepublik Deutschland, in: Aus Politik und Zeitgeschichte, Beilage zur Wochenzeitung Das Parlament, Nr. B 12/87 v. 21.3.1987, S.18–32.

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  22. Vgl. dazu u.a. Peter Glotz, Kampagne in Deutschland. Politisches Tagebuch 1981 – 1983, Hamburg: Hoffmann und Campe 1986, oder auch: Peter Radunski, Wahlkampf in den achtziger Jahren, in: Aus Politik und Zeitgeschichte, Beilage zur Wochenzeitung Das Parlament, Nr. B 11/86, S. 34 ff.

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  23. Vgl. dazu u.a. Murray Edelman, Politik als Ritual, Frankfurt a.M./New York: Campus 1976, insbes. S. 72 ff.; vgl. auch die Beiträge von Dirk Käsler und Ronald Hitzler unter dem Obertitel “Dramaturgien des politischen Skandals”, in: Ebbighausen/Neckel, Anatomie des politischen Skandals (Anm. 2), S. 307 ff. u. S. 334 ff.

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  30. Jürgen Häusler/Joachim Hirsch, Regulation und Parteien im Übergang zum ‘Post-Fordismus’, in: Das Argument, 165/1987, S. 651 ff.. Als wichtige Beiträge der sogenannten Regulationsschule haben u. a. die Studien von Michel Aglietta, Robert Boyer, Benjamin Coriat, Alain Liepitz u.a. seit Mitte der siebziger Jahre an Bedeutung, auch in international vergleichender Hinsicht, gewonnen. Genauere Hinweise finden sich in den Arbeiten von Hirsch/Roth und Häusler/Hirsch.

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Hans-Dieter Klingemann Wolfgang Luthardt

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© 1993 Westdeutscher Verlag GmbH, Opladen

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Ebbighausen, R. (1993). Die Massierung politischer Skandale - Symptom für Steuerungs- und Legitimationsprobleme staatlicher Politik in der jüngeren Vergangenheit. In: Klingemann, HD., Luthardt, W. (eds) Wohlfahrtsstaat, Sozialstruktur und Verfassungsanalyse. Schriften des Zentralinstituts für sozialwissenschaftliche Forschung der Freien Universität Berlin, vol 70. VS Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-322-86449-9_7

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  • DOI: https://doi.org/10.1007/978-3-322-86449-9_7

  • Publisher Name: VS Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden

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