Zusammenfassung
Im Herbst 1989 hat die Bevölkerung der DDR „auf der Straße“ mit bewundernswerter Disziplin einen Machtwechsel erzwungen. Selbst als im darauffolgenden Winter die Dienststellen der verhaßten Staatssicherheit gestürmt wurden, kam es kaum zu Ausschreitungen: Die von der damaligen Regierung Modrow befürchteten Krawalle mit Toten fanden nicht statt. Ohne daß diese Bevölkerung auf eine demokratische Tradition zurückblicken konnte, war eine erhebliche politische Reife festzustellen, die alle Behauptungen von der politischen Unzuverlässigkeit der Straße Lügen zu strafen schien. Forderungen nach mehr direkter Demokratie konnten unter diesen Voraussetzungen nicht einfach abgetan werden, zumal die anstehende Revision des Grundgesetzes eine gute Gelegenheit bot, direkt-demokratische Elemente in die neue deutsche Verfassung aufzunehmen1. Nicht einmal drei Jahre später jedoch tolerierten nicht unerhebliche Teile derselben Bevölkerung Ausschreitungen rechtsradikaler Jugendlicher gegen Ausländer, als in den Nächten nach dem 23. August 1992 in Rostock die Krawalle mit nahezu unverhohlenem Beifall der umstehenden Bevölkerung bedacht wurden. Sofort wurde wieder das „Gespenst von Weimar“ wahrgenommen, das seit der Gründung der Bundesrepublik dazu herhalten muß, Bemühungen um die Einführung direkt-demokratischer Elemente in das deutsche Grundgesetz abzuweisen und zu diskreditieren.
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Kirchgässner, G., Frey, B.S. (1994). Volksabstimmung und direkte Demokratie: Ein Beitrag zur Verfassungsdiskussion. In: Klingemann, HD., Kaase, M. (eds) Wahlen und Wähler. Schriften des Zentralinstituts für sozialwissenschaftliche Forschung der Freien Universität Berlin, vol 72. VS Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-322-86406-2_3
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