Zusammenfassung
Die Quellen der europäischen Sprachwissenschaft liegen bei den Griechen und Römern. Den Griechen verdanken wir die Entwicklung einer Lautschrift aus phönizischen Ansätzen, eine τέΧνη γϱαμματιϰή im ursprünglichen Sinne, die sich in den abgeleiteten Formen des lateinischen und kyrillischen Alphabetes über den ganzen Kontinent ausbreitete, des weiteren eine Sprachphilosophie von packender Problemsicht und grundlegender Begriffsbildung sowie die Entwicklung deskriptiver Spracherfassung. Die Römer fußten auf dieser intellektuellen Leistung und entfalteten ihr eigenes Sprachdenken im wesentlichen als Adaption der altgriechischen Sprachwissenschaft auf die Analyse des Lateins. Hingegen ist die Entstehung der modernen Sprachwissenschaft nicht unwesentlich dem Bekanntwerden des Sanskrit und der indischen linguistischen Tradition seit dem frühen 19. Jahrhundert zu danken: Die Astādhyāyi, die Acht-Kapitel-Grammatik des Pānini, entstanden wahrscheinlich im 5. vorchristlichen Jahrhundert und wohl schon vor den sprachphilosophischen Werken des Platon und Aristoteles, bietet eine strukturale Beschreibung des Sanskrit in Merkversen und Formenübersichten und bezeugt den hohen Stand der altindischen Phonologie und Grammatik10; das Werk ist als die Summe einer bereits langen Tradition metasprachlicher Beschäftigung im Alten Indien anzusehen, in diesem Sinne vergleichbar mit der griechischen Grammatik des Dionysios Thrax (ca. 100 v. Chr.)11.
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Literatur
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Lewin, B. (1982). Sprachwissenschaftliche Anfänge in Okzident und Orient. In: Sprachbetrachtung und Sprachwissenschaft im vormodernen Japan. Rheinisch-Westfälische Akademie der Wissenschaften, vol G 258. VS Verlag für Sozialwissenschaften. https://doi.org/10.1007/978-3-322-86250-1_2
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