Zusammenfassung
Gegenüber solchen Ausblicken in universalere Bereiche ist die Hauptströmung sprachwissenschaftlicher Arbeiten in der Tokugawa-Zeit auf kommentatorische und analytische Studien des Japanischen, insbesondere der alten Schriftsprache konzentriert. Im Sinne des schon Gesagten ist diese Hauptströmung antisinolo- gisch, nationalistisch, sprachpuristisch und das Fundament der sog. Nationalen Wissenschaft (kokugaku) jener Epoche. Die Vertreter dieser Nationalen Wissenschaft bemühten sich beispielsweise, ein reines Japanisch (yamatokotoba) ohne chinesische oder andere fremde Beimengungen zu schreiben, was ihre Ausdrucksweise oft weitschweifig und unpräzise machte.81 Ein früher, richtungweisender Verfechter dieser Kokugaku, Kamo Mabuchi (1697–1769), der in fünf Abhandlungen die nationalen Wurzeln der japanischen Kultur aufzeigen wollte, hat in der „Abhandlung über die Bedeutung der Sprache” (Goikō)82ein Plädoyer für die herausragenden Vorzüge des Japanischen — immer im Blick auf das Chinesische — gegeben. In diesem Werk hat er die wesentlichsten Arbeitsgebiete der zeitgenössischen linguistischen Studien angesprochen: Laut und Schrift, Grammatik und Etymologie. Ausgangspunkt seiner Überlegungen ist die Fünfziglautetafel.
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Literatur
Theoretisch ausgeführt in der „Allgemeinen Abhandlung” (sōron) zu seinem etymologischen Wörterbuch „Japanisches Erh-ya” (Tōga, 1717), in dessen Eintragungen die praktischen Belege erscheinen. Vgl. B. Lewin, a. a. O., S. 205f.
Artikuliert U. A. in dem Vorwort der phonologischen Schrift „Japanische Lautnotierung” (Töonfu, 1719). Vgl. Lewin, A. A. O., S. 197.
Vgl. Reproduktion des Gago-onjōkō in Okada Minoru u. Ichihashi Takumaro (Hrsg.), Suzuki Akira hyakusanjünen-kineriy Nagoya 1967, S. 353.
Beispiele zu Gruppe 1:kara(su) Krähe, kirigiri(su) Zikade; zu Gruppe 2: kafmuj beißen, warafu) lachen; zu Gruppe 3: soyofgu) rauschen, tata(ku) zu Gruppe 4: hira Handfläche, namefrakaj sanft,na(dzu) streicheln; a. a. O., S. 354f.
A.A.O., S. 371,372, 374.
Beispielsweise wurden die prägnanten sinoj apanischen Termini für chūgoku (China), kambun(chinesisches Schrifttum) und kangaku (chinesische Studien) wiedergegeben durch die komplizierten japanischen Termini hi-sakaru-kuni „Sonnenentfernungsland”, oder: „Sonnenhochstandsland”), morokoshibumi und karabumi-manabi. — Zwar waren auch die Kokugaku-Gelehrten sinologisch gebildet, doch es galt, mit den Worten Norinagas, sich von der Sinophilie (karagokoro) zu lösen, um den Weg der (echten) Wissenschaft zu beschreiten. Vgl. Motoori Norinaga, Tama-katsuma M. N. zenshū, Bd. 1, Tōkyō 1968, S. 47
Außer dem Goikō (1769) schrieb er die Abhandlungen über die Bedeutung des Reiches (Kokuikō , 1765), der Literatur (ßun’ikō, 1747), der Dichtung (Kaikō , 1764) und der Schrift (Shoikō , 1767). Im Sinne des Sprachpurismus (vgl. Anm. 81) gab es auch hier rein japanische Lesungen, z. B. Goikō = Kotoba-no kokoro-no kōgae.
Text siehe Kokugogaku-taikeiGoikōa. a. O., S. 4. Siehe Übersetzung von Heinrich Dumoulin, Zwei Texte Kamo Mabuchis zur Wortkunde, in: Monumenta NipponicaVol. XI, No. 3, 1955, S. 55 f.
A. A. O., S. 5: a-Stufe = koto hajimuru koe „Wort(laut) des Anfangens”, i-Stufe =koto ugokanu koe (ü) „Wort(laut) des Sich-nicht-bewegens”, u-Stufe = koto ugoku koe (ffi) „Wort(laut) des Sich-bewe- gens”, e-Stufe = koto dsuru koe „Wort(laut) des Befehlens”, o-Stufe = koto tasukuru koe (lö) „Wort(laut) des Helfens”. Hier sind Funktionen von Verbalformen und Wortarten ungeschieden mit funktionstypischen Vokalen vermengt, z.B. das als „Wort(laut) des Anfangens” mit Verbalformen wie yukan, kosan, katan, durch die der Anfang eines Vorganges zum Ausdruck gebracht werde (z. B. yukan „ich will/werde gehen”); i wird mit dem (verbalen) Nomen, das häufig auf -i endet, in Verbindung gebracht, u mit der Schlußform des Verbs („bewegliches”, d. h. flektierbares Wort) auf -u, e mit der verbalen Imperativform auf -e und omit postpositionellen „Hilfswörtern”, die oft auf -o ausgehen (-wo, -to, -zo, -no, -mo u.a.). „Sich-bewegen“ und „Sich-nicht-bewe- gen“ nehmen, wie auch die beigefügten chinesischen Zeichen ausweisen, Bezug auf die Kategorien der unveränderlichen nominalen Wörter und der veränderlichen verbalen Wörter des Japanischen
A.A.O., S. 14–15. Z.B. in der k-Reihe: yuku (gehen): yukan, yuki, yuku, yuke, yuko usw. mit Beispielen für die Stammauslaute -s, -t, -n, -h -m, -y (j), -r, -w. Insgesamt handelt es sich um eine Systematisierung der sog. 4-stufigen Verbalflexion (Neujap.: 5-stufige Verbalflexion)
Nihon-shoki-tsüshō (erschienen 1761) mit dem Wago-tsūon. Konzepte und Manuskripte der betr. Arbeiten sind jeweils Jahre vor der Drucklegung entstanden.
Zur Geschichte der japanischen Erforschung der Verbalflexion siehe Günther Wenck, Über die Entdeckung und Systematisierung der japanischen Konjugation, in: Nachrichten der dtschGes. f. Natur- und Völkerkunde Ostasiens Heft 76, 1954, S. 53 f.
Er nennt die Klassene (#) und bringt hier neben allen 4-, 2-, 1-stufigen Verbalklassen die unregelmäßigen der ra-,ii-Reihe sowie auch die Qualitativa ein, die als flektierbare Wörter den Verben gleichgestellt werden. Siehe Übersicht bei Furuta Tösaku u. Tsukishima Hiroshi, Kokugogakushi Tökyö 1972, S. 256–257
Motooris Studien der Tenioha sind in den Werken Tenioha-himokagami(1771) und Kotoba no tama- noo (1785) enthalten. ImHimokagami untersucht er die Korrelationen zwischen den Tenioha und den Prädikatsformen, im Tamanoo erläutert und vertieft er die dortigen Ausführungen. Seine phonologischen Studien finden sich in den Werken Jion-kanazukai (1775), Kanji-san’onkd (1784) und Chimei-jion-tenyörei (1800), in denen er die Kana-Schreibung sinojapanischer Lautungen chinesischer Zeichen aus alten Texten festzustellen sucht, die Geschichte der sinoj apanischen Lautungen aufhellt und Sonderlesungen chinesischer Zeichen im Auslautbereich bei japanischen Ortsnamen zusammenstellt.
Er unterscheidet eine vierstufige (aiue), einstufige (heutige Bezeichnungsweise: obere einstufige, i), mittlere zweistufige (heute: obere zweistufige, iu), untere zweistufige (ue) Verbalflexion sowie eine unregelmäßige der feii-Reihe, 5ii-Reihe und «¿«-Reihe. Vgl. Furuta u. Tsukishima, a.a.O., S. 279f.
Gimons diesbezügliche Forschungen sind in der Studie Tomo-kagami (1823) mit der späteren Konjugationstabelle Wagosetsu-ryakuzu (1833) und dem Kommentarwerk zu dieser Tabelle Katsugo- shinan (1840) enthalten. Die Flexionsformen nannte Gimon gen (b) „Aussage(weise)”: shözengen (=mizenkei), renyögen (=renyökei)y setsudangen (=shüshikei)y rentaigen (rentaikei), izengen (=izenkei)y kegugen (=meireikei). Für den Begriff „Flexionsform” wurde von den Tokugawa-Grammatikern häufiger der Terminus dan „Stufe“ (bzgl. Vokalstufe) verwendet. Der Terminus kei setzte sich erst in der Meiji-Zeit unter dem Einfluß des englischen „form” durch. Die Bezeichnungsweise der Flexionsformen war nach Gimon noch manchen Schwankungen ausgesetzt, ehe sie in der modernen Grammatik unter dem Einfluß führender Köpfe wie Yamada Yoshio (1873–1958) und Hashimoto Shinkichi (1882–1945) weitgehend standardisiert worden ist. — Zur Forschungsgeschichte vgl. auch Morino Muneaki, „Katsuyö-kenkyü no rekishi”, Kokugogaku (Kokugo-koku- bungakushi-taikei, Bd. 15), Tökyö 1961, S. 309 f
Nachgewiesen ist dieses Begriffspaar in den Poetikschriften Chikuenshö (ca. 1280) des Fujiwara Tameaki und Renri-hishö (1349) des Nijö Yoshimoto, zuvor schon in dem Titel des lexikologischen Perkes M-pgoki (1268) (siehe Anm. 101). Vgl. Miki Köshin u. Fukunaga Seiya, Kokugogakushi, Tokyo 1966, S. 54
ti (ft) und yong (i) (Essenz — Akzidenz; Substanz — Attribut) spielten in der neokonfuzianischen Philosophie der Sung-Epoche (960–1279) eine wichtige Rolle, tauchten dann auch in der japanischen Renga-Poetik als tai und yö auf, ohne daß direkte Beeinflussung oder Vermittlungswege bislang nachgewiesen werden konnten. Vgl. Hubert Maës, Un point d’histoire terminologique: taigen ~ yögen, in: Travaux du groupe de linguistique japonaise, Université de Paris VII, Vol. I. Problèmes terminologiques, Paris 1975, S. 71–72
Z. B. Waji-shöranshö, 1. Kap.: „In China nennt man bei (Aussagen wie) chien hua (Blumen sehen) oder chien yüeh (den Mond sehen) zuerst das yö(Verb) und danach dastai (Nomen)..vgl. Keichü- zenshü, Bd. 7, Tökyö 1927, S. 67
Z. B. Waji-shöranshö In der kurzgefaßten Grammatik des Japanischen von J. Rodri-guez (vgl. oben, Anm. 71)Arte breve da lingoa japoa (1620) figuriert interessanterweise noch die ältere Terminologie na (< mono no na)-kotoba-tenioha. Vgl. H.Maes, a.a.O., S.70, Miki u. Fuku- naga, a. a. O., S. 59–60.
Jitsujikai (1791) Kyojikai (1783) Qwell s mit erweiterten Überarbeitungen, und das Joji-shdkai (IS 11). Diejitsuji umfaßten den nominalen Bereich, die kyoji) den verbalen mit der Unterabteilung der hankyoji („Halbleerwörter”), d.h. Qualitativa, gegenüber den Verba als eigentlichen kyoji, und die joji mit der Unterabteilung ¿ergoj i, d.h. Verbalpartikel, aus dem Gesamtbereich der grammatischen Partikel des Chinesischen. Vgl. Furuta u. Tsukishima, a. a. O., S. 232–233.
Er entstammte der Fanvilie Minagawa, wurde aber als 19-jähriger in die Fujitani-Familie adoptiert.
Siehe Nakada Norio u. Takeoka Masao, Ayuishö-shinchü Tökyö 1960, S. 89. 98
Dargestellt ist dieses System mit seiner minutiösen Untergliederung und dem Beispielmaterial aus der klassischen wie auch der Umgangssprache in Fujitanis Hauptwerken Ayuishö (1773) und Kazashishö (1767).
Er unterschied hier zwischen ugoki-tenioha beweglichen, d. h. flektierbaren „Hilfswörtern”, den Verbalsuffixen entsprechend (heutiger Terminus: jodöshi) und den suwari-tenioba, ruhenden, d. h. unflektierbaren „Hilfswörtern”, den Postpositionen entsprechend (heutiger Terminus: joshi).
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Lewin, B. (1982). Grammatikforschung im vormodernen Japan. In: Sprachbetrachtung und Sprachwissenschaft im vormodernen Japan. Rheinisch-Westfälische Akademie der Wissenschaften, vol G 258. VS Verlag für Sozialwissenschaften. https://doi.org/10.1007/978-3-322-86250-1_11
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