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Fünfzehn Thesen aus Berlin oder der übersprungene Marx

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SDS und SPD

Zusammenfassung

Im Dezember 1953 erstellten zwölf Berliner SDS- und SPD-Mitglieder — zumeist Studenten der Freien Universität — ein Thesenpapier, das sich mit den vermeintlichen Ursachen der Niederlage der SPD in der Bundestagswahl vom 6. September 1953 befaßte. Angelpunkt der Argumentation war die These, daß die Klassengesellschaft nicht mehr bestehe und die Marxisten daher in einer „geistigen Krise“steckten. Darüber hinaus behaupteten die Autoren, die Partei befinde sich seit dem erneuten Wahldebakel in „Aufruhr“. In Anlehnung an die Thesen von Karl Bednarik, Ulrich Lohmar, Helmut Schelsky und Heinz Kluth vertraten sie die Ansicht, daß sich die Arbeiter in der Bundesrepublik längst in eine „nivellierte Mittelstandsgesellschaft“ohne gravierende schichtspezifische Unterschiede oder gar Klassenspaltungen eingeordnet hätten:

„Unser Volk hat eine völlige soziale Umschichtung durchgemacht. Die jungen Arbeiter sind zum großen Teil ‚verbürgerlicht‘, und ihr Lebensstandard liegt in vielen Fällen höher als beim kleinen Mittelstand. Andererseits sind zahlenmäßig starke Gruppen unseres Volkes bis an oder unter die Grenze des Existenzminimums abgesunken, aber auch sie wollen sich meistens nicht als Proletarier ansprechen lassen. Daher muß die Sozialdemokratische Partei ihren Charakter als Klassenpartei aufgeben und Partei des Volkes werden.“1

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Literatur

  1. Vgl. 15 Thesen einer Gruppe Berliner SPD- und SDS-Mitglieder zur Erneuerung der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands, 1953, in: Dokumente zur parteipolitischen Entwicklung in Deutschland seit 1945, bearb. u. hrsg. v. Dr. Dr. Ossip K. Flechtheim, o. Professor am Otto-Suhr-Institut der Freien Universität Berlin, unter Mitarbeit v. Dipl. Pol. Siegfried Kupper, Dr. rer. pol. Dietrich Staritz, Dipl.Pol. Wolfgang Steiner u. Dr. phil. Bodo Zeuner. 7 Bd.: Innerparteiliche Auseinandersetzungen, 2. Teil, Berlin 1969, S. 22 ff. Zur Gruppe Berliner SPD- und SDS-Mitglieder, die im Dezember 1953 die 15 Thesen zur Erneuerung der SPD veröffentlicht hatten, gehörten Hans-Karl Behrend, Friedrich-Wilhelm Grunst, Horst Häker, Klaus Kundt, Hermann Schmitz, Hans-Ludwig Schoenthal, Horst Geyer, Christine Häker, Manfred Jungs, Hans-Joachim Reichhardt, Doris Schoeler und Otto Wenzel.

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  2. Vgl. Dieter Ciaessens/Arno Klönne/Armin Tschoepe, Sozialkunde der Bundesrepublik Deutschland, Düsseldorf/Köln 1968, S. 174 ff.

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  8. Vgl. Innerparteiliche Auseinandersetzungen (Anm. 1), Stellungnahme von Berliner SPD-Mitgliedern zu den „15 Thesen zur Erneuerung der Partei“, Febr. 1954, S. 27 ff. — Zur „Gruppe junger Sozialisten“aus SPD- und SDS-Mitgliedern, Jungsozialisten und Falken gehörten Horst Görner, Wolfgang Götsch, Michael Gromnicka, Josef Klein, Karl-Heinz Kaulich, Wolfgang Krause, Harry Ristock, Herbert Roch, Arved Rogall, Karl-Heinz Seipt, Herbert Walter, Nils Ferberg, Stefan Malek und Fritjof Meyer. In ihrer Stellungnahme druckten die genannten 14 Verfasser zunächst die „15 Thesen zur Erneuerung der SPD“ab und kommentierten jede einzelne These ausführlich. Die These vom Ende der Klassengesellschaft bzw. vom sozialen Nivellement und der sich daraus ergebenden Umwandlung der SPD von einer „Klassenpartei“in eine „Volkspartei“beantworteten sie folgendermaßen: „Die Forderung einer Umwandlung des Charakters der SPD von einer Klassen- in eine Volkspartei enthüllt bereits die unsozialistische Denkweise: Eine Klassenpartei, die als Träger die Klasse der Arbeiter, Angestellten, Beamten, kurz: der Unselbständigen-Tätigen hat, ist von Natur aus eine Volkspartei. Wenn auch Teile der Bevölkerung, die ihrer Stellung in der Gesellschaft nach Mitglieder bzw. Wähler der SPD sein müßten, aber nicht sind, bedeutet das jedoch keinesfalls, daß die Partei sich bedingungslos der Mentalität dieser Wähler zu unterwerfen habe. Wenn diese breiten Wählerschichten faschistisch eingestellt wären, würde man doch aus der Partei nicht eine faschistische machen können oder wollen! Etwas anderes ist zu tun: Die Partei hat ständig in allgemein verständlicher Form und vor allen Dingen durch Taten zu beweisen, daß sie die Interessen ihrer Wählerschichten vertritt, wenn nötig, nicht nur parlamentarisch! Sie hat ständig zu versuchen, die Politik der bürgerlichen Parteien als den, Klassenkampf von oben’ bloßzustellen. Das aber ist nicht unternommen worden, und wenn in Einzelfällen, nicht in der geeigneten Weise!“

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  13. Vgl. Jürgen Fijalkowski/Peter Hauck/Axel Holst/Gerd-Heinrich Kemper/Alf Mintzel, Berlin — Hauptstadtanspruch und Westintegration, Köln/Opladen 1967, S. 18 ff.

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  14. Nach Auskunft von Egon Erwin Müller unterstützten Joachim Lipschitz und er Brandt erst zu einem Zeitpunkt, als Neumann die Schlacht bereits verloren hatte.

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  17. vgl. auch ders./Siegward Lönnendonker, Kleine Geschichte des SDS, Berlin 1977, S. 27,

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  22. Joachim Raschke, Innerparteiliche Opposition, Hamburg 1974, 100ff. Raschke kommt aufgrund einer parteiinternen Mitgliedererhebung für die fünfziger Jahre zu folgender Einschätzung (ebd., S. 101): „Der Anteil der Arbeiter an der Mitgliederschaft der Berliner SPD ist geringer und der Anteil der Angestellten und Beamten größer als im Vergleich zur Berliner Bevölkerung, zur Wählerschaft der Berliner SPD und auch im Vergleich zur Mitgliederschaft der westdeutschen SPD…. Im Vergleich von Mitgliedern und Funktionären geht der Arbeiteranteil zurück, die Angestellten/Beamten dagegen sind wesentlich stärker vertreten. Für Berlin besonders charakteristisch ist der außerordentlich starke Anteil der öffentlich Bediensteten an den Funktionärspositionen…. Die Arbeiter, die die Masse der SPD-Wähler bilden, werden in der SPD vor allem durch die privilegierten Schichten der Lohnabhängigen, in West-Berlin in ganz besonders starkem Maße durch die öffentlich Bediensteten vertreten.“

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  23. Innerparteiliche Auseinandersetzungen (Anm. 1), S. 27 ff.

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Fichter, T. (1988). Fünfzehn Thesen aus Berlin oder der übersprungene Marx. In: SDS und SPD. Schriften des Zentralinstituts für sozialwissenschaftliche Forschung der Freien Universität Berlin, vol 52. VS Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-322-86209-9_11

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  • DOI: https://doi.org/10.1007/978-3-322-86209-9_11

  • Publisher Name: VS Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden

  • Print ISBN: 978-3-531-11882-6

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