Zusammenfassung
Betrachten wir also als erstes den Verlauf der strafrechtlichen Aufarbeitung des Unrechts der NS-Zeit. Hier besteht ein entscheidender Unterschied zur heutigen Situation darin, daß die Zuständigkeit für die Verfolgung solcher Taten zunächst weitestgehend bei den Besatzungsmächten lag.2 Deren Interesse richtete sich vor allem auf die Aburteilung der Führungsgarnitur. In den Nürnberger Prozessen ging es dabei zum Teil um die Verurteilung wegen Taten, für die bis dahin noch keine Strafbarkeit bestand. Den Widerspruch zum Satz Nulluni crimen sine lege betrachtete der Internationale Militärgerichtshof bekanntlich für unerheblich und verhängte auch in solchen Fällen Todesstrafen oder hohe Freiheitsstrafen. Rechtsstaatlichen Maßstäben, wie sie sich in bezug auf das strafrechtliche Rückwirkungsverbot inzwischen weltweit durchgesetzt und in internationalen Abkommen Ausdruck gefunden haben, entsprach diese Sichtweise nicht.3
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Literatur
Vgl. Art. III Kontrollratsgesetz Nr. 4 v. 30.10.1945 und Art. III Kontrollratsgesetz Nr. 10 v. 20.12. 1945. Eine Änderung erfolgte erst mit dem am 1.1.1950 in Kraft getretenen Gesetz Nr. 13 der Alliierten Hohen Kommission v. 25.11.1949.
Näher dazu Jescheck, Strafrecht, Allg. Teil, 4. Aufl. 1988, S. 107f., 119 m. w. N.
Vgl. aus der höchstrichterlichen Rechtsprechung die Entscheidungen OGHSt 1, 321 und 2, 117.
Vgl. insbesondere die vorgenannten Entscheidungen S. 324 bzw. S. 118.
Vgl. die Nachweise bei Welzel, NJW 1964, 521f.
BGHSt. 18, 367; 23, 137, 139; BGH NJW 1962, 2308; Schönke/Schröder, StGB, 11. Aufl. 1963, § 69 Rnr. 2
Siehe zum vorhergehenden: Gesetz über die Berechnung strafrechtlicher Verjährungsfristen v. 13. 4.1965 (BGBl. I, 315); Neuntes Strafrechtsänderungsgesetz v. 4. 8.1969 (BGBl. I, 1065); Sechzehntes Strafrechtsänderungsgesetz v. 16.7.1979 (BGBl. I, 1046). Schon in BGHSt. 1, 84, 89 ff. heißt es, daß die Verjährung ruhte während der Zeit, in der auf Grund des Art. I MRG Nr. 2 den zur Strafverfolgung berufenen deutschen Gerichten die Amtsgewalt entzogen war.
Vgl. zu dieser auch von den vorgenannten Gesetzen zugrunde gelegten Theorie: RGSt.76, 159, 161; BGHSt. 2, 300, 306; 8, 269, 270; 11, 393, 395; BVerfGE 1, 418, 423; 25, 269, 286. Näher dazu Jescheck, Allg. Teil (Anm. 3), S. 812 f. m. w. N. (auch zu der ebenfalls ein Prozeßhindernis annehmenden gemischten Verjährungstheorie).
Näher dazu der Bericht der vom Bundestag im Jahre 1992 mit der „Aufarbeitung von Geschichte und Folgen der SED-Diktatur in Deutschland” betrauten Enquete-Kommission, BT-Drucks. 12/ 7820, S. 89. Danach beläuft sich die Gesamtzahl der in der sowjetischen Besatzungszone vor der Gründung der DDR in Speziallager (Konzentrationslager) verbrachten sowie aus den Untersuchungsgefängnissen der sowjetischen Geheimpolizei direkt in die Sowjetunion deportierten Deutschen auf mindestens 140 000. Von den in Deutschland verbliebenen Häftlingen sind mindestens 53 650 umgekommen oder hingerichtet worden. Hinzu kommen ca. 500 000 Deutsche aus den ehemaligen deutschen Ostprovinzen, die unmittelbar nach der Besetzung durch die Sowjetarmee in Lagern zusammengefaßt und in die Sowjetunion deportiert wurden.
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Hirsch, H.J. (1996). II. In: Rechtsstaatliches Strafrecht und staatlich gesteuertes Unrecht. Nordrhein-Westfälische Akademie der Wissenschaften, vol 342. VS Verlag für Sozialwissenschaften. https://doi.org/10.1007/978-3-322-86188-7_2
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