Zusammenfassung
Der Begriff der emanzipatorischen Erziehung ist in zweierlei Hinsicht von der klassischen Bedeutung von Erziehung zu unterscheiden:
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a)
Erziehung ist weder ein Prozeß, der sich auf das Verhältnis Erwachsene — Kind beschränkt (Entfaltung des kindlichen Individuums), noch auf die mechanistisch-kausale Determination: Umwelt — Individuum (schichtenspezifische Determination des Lernens), noch auf die Scheindialektik: Triebstruktur und Gesellschaft (psychoanalytische Entwicklungstheorie der libidinösen Phasen);
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b)
Erziehung ist ein Prozeß, der sich nicht nur in Institutionen der Gesellschaft, wie Familie und Schule vollzieht und nicht nur zwischen isolierten Personen, den „mündigen“, „aufklärenden“ Bildnern gegenüber „unmündigen Ungebildeten“ abläuft.1
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Anmerkungen
„Die materialistische Lehre von der Veränderung der Umstände und der Erziehung vergißt, daß die Umstände von den Menschen verändert und der Erzieher selbst erzogen werden muß. Sie muß daher die Gesellschaft in zwei Teile — von denen der eine über ihr erhaben ist — sondieren...“ Karl Marx, 3. These über Feuerbach, MEG Bd. III S. 5/6.
Auf die Borniertheit und praktische Rückständigkeit dieser „antiautoritären“ Schwärmerei wies schon F. Engels 1850, also vor mehr als 120 Jahren hin („Über die Losung der Abschaffung des Staates und die deutschen „Freunde der Anarchie”) und kommt im Zusammenhang mit Tendenzen der Arbeiterjugendbewegung auf das gleiche Thema 1872 noch einmal zu sprechen: „Statt die ‚bestimmten, konkreten Verhältnisse der Gesellschaft‘ zu studieren, begnügt sich Freund Mülberger mit der Lektüre einiger Bände Proudhon, die ihm zwar so gut wie nichts über die bestimmten, konkreten Verhältnisse der Gesellschaft bieten, dagegen aber sehr bestimmte konkrete Lehren der Kuren für alle gesellschaftlichen Übel, und bringt diesen fertigen sozialen Rettungsplan... vor die deutschen Arbeiter unter dem Vorwand, er wolle den Systemen Adieu sagen...“ (Unterstreichung von Engels!) Friedrich Engels, Von der Autorität, MEG Bd. S. 602 * Der Begriff der Autorität bedürfte, wie der Herrschaft (siehe oben), einer längeren Erläuterung. Jedenfalls ist emanzipierende Autorität an Kompetenz gebunden. Unter Kompetenz muß hier sowohl die theoretische als die praktische Fähigkeit der Aufgabenbewältigung auf den verschiedenen Gebieten des gesellschaftlichen und individuellen Lebens verstanden werden, also ebensosehr die rationale Einsicht in Wirkungszusammenhänge, die der zu Erziehende erst noch lernen muß zu durchschauen, wie die praktisch-organisatorische Fähigkeit, diesem Lernprozeß die materielle, gesellschaftlich-physische und individuell psychische Basis zu sichern. (Siehe dazu auch These 5)
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Jouhy, E. (1974). Zum Begriff der emanzipatorischen Erziehung. In: Ackermann, P. (eds) Politische Sozialisation. Studienbücher zur Sozialwissenschaft, vol 15. VS Verlag für Sozialwissenschaften. https://doi.org/10.1007/978-3-322-86106-1_14
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DOI: https://doi.org/10.1007/978-3-322-86106-1_14
Publisher Name: VS Verlag für Sozialwissenschaften
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