Zusammenfassung
Utopien kritisieren schon immer als ausgedachte Entwürfe ganz anderer Gesellschaften und ihres politischen Gemeinwesens die vorhandene. In ihnen verbinden sich Kritik des Bestehenden mit Entwurf des Wünschbaren. Jede Gesellschaft, die durch Utopie kritisierte ebenso wie die in der Utopie vorgestellte und erdachte, wird entscheidend durch ihre Institutionen charakterisiert. Utopien reflektieren insofern unweigerlich die Probleme von Institutionenkritik und Institutionenentwurf. In jenen Komponenten der Utopie, die sich kritisch mit der bestehenden Gesellschaft auseinandersetzen, stellen sich ihren Autoren alle Anforderungen gesellschaftlicher und politischer Institutionen-Analyse, so wie sie sich auch dem Sozialwissenschaftler stellen. Im Entwurf einer neuen Gesellschaft und ihrer Institutionen begibt sich der Autor aber in die Position des praktischen Politikers, des Gestalters noch nicht dagewesener Verhältnisse. Utopien lassen sich als Reflektionen des Verhältnisses von wissenschaftlicher Analyse und praktischer Politik in literarischer Form begreifen. Der Begriff der wissenschaftlichen Analyse darf freilich gerade in der Betrachtung der Utopie nicht unangemessen eingeschränkt werden, denn:
„Utopien sind Entwürfe der praktischen Vernunft, nicht der theoretischen Vernunft, das heißt sie setzen gerade dort ein, wo der neuzeitliche Fortschrittsgedanke inhaltlich so mager ausfällt: in Ethik und politischer Theorie“ (Mittelstrass 1970: 369).
Das Verschwinden der Utopie bringt eine statische Sachlichkeit zustande, in der der Mensch selbst zur Sache wird.
K. Mannheim, 1969: 225
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Greven, M.T. (1990). Utopie und Institution. In: Göhler, G., Lenk, K., Münkler, H., Walther, M. (eds) Politische Institutionen im gesellschaftlichen Umbruch. VS Verlag für Sozialwissenschaften. https://doi.org/10.1007/978-3-322-86101-6_24
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