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Utopischer Minimalismus. Von der Utopie zur utopischen Intention

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Pluralismus und Parlamentarismus in Theorie und Praxis
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Zusammenfassung

Nichts könnte im Augenblick weniger zutreffend sein als der erste Satz einer 1968 erschienen Anthologie, der lapidar feststellt: “Die Vokabel “Utopie” ist gegenwärtig ungemein beliebt”1. Denn utopisches Denken ist aus der Mode und nicht zuletzt durch den Zusammenbruch des sogenannten realen Sozialismus anscheinend restlos diskreditiert. Und doch zeigt ein Blick in die Geschichte des politischen Denkens, daß von Anfang an, seit der Antike, alle Anstrengung politisch-konzeptionellen Denkens immer auch zentral auf das Ausmalen eines besseren gesellschaftlichen Zustandes gerichtet war2. Platons Dialoge über Inhalt und Struktur der besten Polis sind das Urbild einer utopischen Phantasie, die sich mit dem präzisen Erfassen dessen, was ist, nicht zufrieden geben will, und selbst Aristoteles, dieser eingefleischte Empiriker, richtete doch all seine Anstrengungen darauf herauszufinden, wie denn die Bedingungen für ein ’gutes Leben’ auszusehen hätten und in welcher Form sie sich institutionell konzipieren ließen. Das siebte und achte Buch seiner ’Politeia’ handelt vom ’besten’ Staat und entwickelt die Prinzipien, auf die dieser sich nach Überzeugung des Philosophen zu gründen hat. Denn gerade dies hat große politische Philosophie immer ausgezeichnet: daß sie die Linien individueller wie gesellschaftlicher Existenz über den status quo hinweg auszuziehen suchte und jenen kognitiven Überschuß, der den Menschen vielleicht vom Tier unterscheidet, ins Konzeptionelle einer zukünftigen Selbstorganisation zu wenden suchte. Ob dies als “utopian propensity”3 ein dem westlichen Denken eigentümliches Phänomen ist, mag dahingestellt bleiben; daß es immer wieder und kontinuierlich auftaucht, vielleicht am wirkungsvollsten in jenem Typus ’chiliastischen Denkens’4, das in der abendländischen Politik-Tradition mit Augustinus anhebt, ist unbestreitbar.

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Anmerkungen

  1. Arnhelm Neusüss (Hrsg.), Begriff und Phänomen des Utopischen, Neuwied/Berlin 1986, S. 13.

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  38. Dazu Klaus Eder, Geschichte als Lernprozess? Zur Pathogenese politischer Modernität in Deutschland, Frankfurt 1985 sowie die einschlägigen Passagen zur ’Lebenswelt’ von Jürgen Habermas, Theorie des kommunikativen Handelns, 2 Bde., Frankfurt/M. 1981.

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© 1992 Westdeutscher Verlag GmbH, Opladen

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Bermbach, U. (1992). Utopischer Minimalismus. Von der Utopie zur utopischen Intention. In: Hartmann, J., Thaysen, U. (eds) Pluralismus und Parlamentarismus in Theorie und Praxis. VS Verlag für Sozialwissenschaften. https://doi.org/10.1007/978-3-322-86097-2_3

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  • DOI: https://doi.org/10.1007/978-3-322-86097-2_3

  • Publisher Name: VS Verlag für Sozialwissenschaften

  • Print ISBN: 978-3-531-12326-4

  • Online ISBN: 978-3-322-86097-2

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