Zusammenfassung
Im Mai 1989 wurde das Grundgesetz von Autoren des In- und Auslandes noch als “Glücksfall” gewürdigt. Anläßlich des 40jährigen Jubiläums der Bundesrepublik Deutschland wurde allenorts und überwiegend hervorgehoben, daß sich diese Verfassung sowohl national-historisch als auch im internationalen Vergleich bewährt habe: Allzumal mit Blick auf die deutsche Verfassungsgeschichte vor 1949, aber auch auf die westlichen Demokratien der Nachkriegszeit wurde das Grundgesetz belobigt1. Bedenken galten weniger der Verfassung der (West)Deutschen als deren Façon. Der Bundespräsident, Richard von Weizsäcker, hat diese einprägsam feststellende Frage anläßlich des Staatsaktes zum 40. Jahrestag des Inkrafttretens des Grundgesetzes am 24. Mai 1989 formuliert: “Wir haben eine gute Verfassung. Aber … sind wir in einer guten Verfassung?”2.
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Anmerkungen
Vgl. für viele, Manfred Buchwald (Hrsg.), In bester Verfassung? Anmerkungen zum 40. Geburtstag des Grundgesetzes. Gerlingen 1989
Klaus Stern (Hrsg.), 40 Jahre Grundgesetz. Entstehung, Bewährung und internationale Ausstrahlung, München 1990.
Die Rede des Bundespräsidenten ist wiedergegeben in: Bulletin Nr. 51, hrsg. vom Presse- und Informationsamt der Bundesregierung; s. die hier zitierte Passage auf S. 448.
Manfred Buchwald, Statt eines Vorwortes: Das Grundgesetz und seine Entstehung, in: ders. (Hrsg.), In bester Verfassung? Anmerkungen zum 40. Geburtstag des Grundgesetzes, Gerlingen 1989.
Bulletin Nr. 51, S. 451f.
Ernst-Wolfgang Böckenförde, Staat, Verfassung, Demokratie. Studien zur Verfassungstheorie und zum Verfassungsrecht, Frankfurt am Main 1990, S. 67.
Für Steffani war von Anfang an klar, daß der Begriff “Wiedervereinigung” jenen Prozeß erfaßt, der in den Einigungsvertrag vom 31. August 1990 mündete und rechtlich zwar am 3. Oktober im wesentlichen abgeschlossen war, faktisch aber — weder materiell noch immateriell — vollendet ist. Viele der anderen Begriffe für diesen Prozeß sind für Steffani nichts als nachträglicher Tribut an den Spalterjargon des Menschenwürde, Freiheit und Demokratie verachtenden SED-Regimes.
Siehe Drs. 47 dieser VK-Sitzung.
DA, 22. Jg. (1989), H. 12, S. 1438.
Ebd. S. 1439.
Ebd.
Ebd. S. 1450. Es sollte nicht verkannt werden, daß diese Äußerung damals auch als Reformbekenntnis zu interpretieren war: Aus dieser Sicht resultierten die Probleme der DDR aus einer Unterordnung der an sich richtigen und (da “wissenschaftlich”) unangreifbaren Lehre des Marxismus-Leninismus unter das Machterhaltungsinteresse einer kleinen Clique. Durch Absetzen der Führung würde die Ideologie des Marxismus-Leninismus wieder zur Geltung kommen und die Widersprüche so beseitigt werden. Ex post stellt sich nach der rasanten Verschiebung der ideologischen Fixpunkte im Laufe der friedlichen Revolution allerdings auch diese Haltung als eine letztlich doch dem Status quo verhaftete Position dar; sie bewegt sich im Rahmen früherer Auseinandersetzungen um Wegbestimmungen und Nachfolge in kommunistischen Staaten.
So Professor Mühlmann in einem Gespräch mit dem Autor dieses Beitrages am 16. Februar 1990.
Fortan auch “Volkskammerkommission” genannt und VK-Kommission abgekürzt.
In der konstituierenden Sitzung des Runden Tisches am 7. Dezember 1989.
Alle hier zitierten Aussagen und Materialien im Archiv des Verfassers.
Vgl. die letzte Phase der alten Volkskammer und die Überwindung der illegitimen Volkskammer-Konkurrenz durch den Runden Tisch in: Uwe Thaysen, Der Runde Tisch. Oder: Wo blieb das Volk? Opladen 1990, S. 109–117.
W. Templin, in: Gewerkschaftliche Monatshefte, 41. Jg. (1990), H. 5/6, S. 347.
S. zu den Hintergründen dieses Prozesses Uwe Thaysen, Der Runde Tisch, a.a.O., (Anm. 16), S. 71–98.
Im folgenden werde ich mich auf die Wiedergabe solcher Recherchen konzentrieren, die ich im Nachgang zu meiner Arbeit über den Runden Tisch (s. Anm. 16) und diese ergänzend unternehmen konnte.
Siehe auch meine Antwort auf die Behauptung, es habe den Verfassungsentwurf des Runden Tisches gegeben: Zur Geschichte der Verfassungsdiskussion in der DDR 1989/90. Eine Replik auf Walter Süß, in: DA 24. Jg. (1991), H. 9, S. 961ff.
So Gerd Poppe gegenüber dem Verfasser am 30. September 1991.
Unter diesen wurden hervorgehoben: Axel Azolla (Darmstadt), Alexander von Brünegg (Hannover), Ulrich K Preuß (Bremen), Hans-Peter Schneider (Hannover), Bernhard Schlink (Bonn), Werner Simon (Karlsruhe). In der Redaktionsgruppe hat vor allem Preuß eine von den Mitgliedern des Runden Tisches besonders bewunderte und respektierte Arbeit geleistet.
Alternativkommentar zum Grundgesetz, 2. Aufl. Neuwied 1990.
Vgl. Uwe Thaysen, Der Runde Tisch, a.a.O., (Anm. 16) S. 144.
Wolfgang Templin, Der Verfassungsentwurf des Runden Tisches, Gewerkschaftliche Monatshefte, 41. Jg. (1990) H. 5/6, S. 373.
Darauf machten verschiedene Redner, unter diesen auch die Ministerin Tatjana Böhm vom Unabhängigen Frauenverband (UFV), ausdrücklich aufmerksam.
Hans-Peter Wolf (LDP) beschwor am 15.03. mit anderen die “gesamtdeutsche Zukunft” und die “besonderen DDR-Befindlichkeiten”, die “wenn man einmal 5-10 Jahre weiterrechnet, in diesem Sinne hoffentlich überwunden sind … ”.
Die Schreibweise dieses Namens konnte (noch) nicht verifiziert werden.
So Rudolf Krause, CDU, in der Sitzung des Runden Tisches am 5.3.1990.
Siehe Anmerkung 16.
S. E. Fischer in seinem aufschlußreichen Beitrag “Verfassungsgeschichte der DDR 1990”, in: Kritische Justiz, 23. Jg. (1990), H. 4, S. 413–424. Erich Fischer, mit Werner Künzel Herausgeber des bereits 1989 in Berlin (Ost) herausgegebenen Bandes “Verfassungen deutscher Länder und Staaten von 1816 bis zur Gegenwart” ist insofern ein Kronzeuge der Verfassungspolitik in der Endphase, als er in allen einschlägigen Gremien mitarbeitete: als Mitglied der AG Neue Verfassung des Runden Tisches, als Mitglied der “Redaktionsgruppe” Neue Verfassung des Runden Tisches, als Berater der SPD-Fraktion in der (neuen) Volkskammer, als Mitglied der Wünsche-Kommission, als Mitinitiator und Mitglied des “Kuratoriums für einen demokratisch verfaßten Bund deutscher Länder”. Der Verfasser dankt Erich Fischer für wichtige Informationen, Hinweise auf weitere (zum Teil immer noch nicht abgeschlossene) Recherchen und Einschätzungen.
So Erich Fischer gegenüber dem Verfasser.
Am 28. März 1990 in einer Veranstaltung der Deutschen Vereinigung für Parlamentsfragen, siehe den Beitrag von Isensee, Verfassungsrechtliche Wege zur deutschen Einheit, in: ZParl, 21. Jg. (1990), H. 2, S. 323.
S. DDR-VK, 10. WP., PlPr v. 26.04.90, S. 98.
So E. Fischer, a.a.O., (s. Anm. 31), S. 413.
Bernhard Schlink, Deutsch-Deutsche Verfassungsentwicklungen 1990, in: Der Staat (1991) H. 2, S. 170.
Ebd., S. 170.
Erich Fischer, a.a.O, (s. Anm. 31) S. 20.
Berliner Ausgabe der taz vom 10. Mai 1990.
Ebd.
Siehe E. Fischer, a.a.O., (Anm. 31), S. 420.
Wolfgang Schäuble, Der Vertrag. Wie ich über die deutsche Einheit verhandelte, Bonn 1991, dort S. 54ff.
Ebd. S. 140 ff.
So zutreffend B. Schlink, a.a.O., (Anm. 36), S. 171.
Gesetz zur Änderung und Ergänzung der Verfassung der Deutschen Demokratischen Republik (Verfassungsgrundsätze), in: Gesetzblatt I, Nr. 33, S. 299.
Siehe Schöneburgs Beitrag “Besser als eine ergänzte, wäre eine neue sozialistische Verfassung”, in: ND vom 25./26.11.1989. Umfassender zuvor: Rosemarie Will, Rechtsstaatlichkeit als Moment demokratischer politischer Machtausübung, in: Deutsche Zeitschrift für Philosophie, 37. Jg. (1989), H. 9, S. 801–812.
Siehe für meine, dieser Aussage zugrundeliegenden Wertungen die Seiten 150–191 der in Anm. 16 erwähnten Studie.
E. Fischer, a.a.O., (Anm. 31).
E. Fischer, a.a.O., (Anm. 31), S. 149.
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© 1992 Westdeutscher Verlag GmbH, Opladen
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Thaysen, U. (1992). Zur Verfassungspolitik in der DDR 1989/90. In: Hartmann, J., Thaysen, U. (eds) Pluralismus und Parlamentarismus in Theorie und Praxis. VS Verlag für Sozialwissenschaften. https://doi.org/10.1007/978-3-322-86097-2_14
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