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Gesellschaftswissenschaftliche Kursberechnung

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Zusammenfassung

In modernen Gesellschaften wird die Kursberechnung als Grundlage für das Fällen von Entscheidungen allgemein akzeptiert. Das rasche Anschwellen der Technologie, einhergehend mit der Transformation der Umwelt des Menschen und einer zunehmenden Anerkennung des Wertes des Beitrages der Gesellschaftswissenschaften zur Erzielung gesellschaftlicher und politischer Zwecke haben zur Notwendigkeit der Formulierung eines gültigen begrifflichen Schemas der gesellschaftlichen Kursberechnung geführt. Durch ihren Beitrag zu Entscheidungen auf dem Gebiet der technologischen, ökonomischen, administrativen und Wohlfahrtspolitik sind Gesellschaftswissenschaftler heute imstande, mit Kenntnissen und Perspektiven dienlich zu sein, die sich auf ein volleres Verständnis der Bedürfnisse des Menschen beziehen, einen höheren Grad der Antizipation von Konsequenzen neuer technologischer Errungenschaften oder neuer politischer Maßnahmen ermöglichen und, was am dringlichsten erforderlich ist, einen größeren Respekt vor grundlegenden humanistischen Werten fördern. Gesellschaftswissenschaftler, die, was Kursberechnungen für gesellschaftspolitische Eingriffe betrifft, kompetent sind, können zur Herstellung einer volleren, informierteren und schließlich authentischeren öffentlichen Annahme (oder Ablehnung) der Vorschläge der technologischen Experten beitragen. Diese Art gesellschaftspolitischer Kursberechnung (d. h. die simultane Verbindung gesellschaftlicher, ökonomischer und technologischer Empfehlungen) befindet sich in einer sehr frühen, experimentellen Phase. Es gibt für diese Situation viele Ursachen; ein Grund hierfür ist unzweifelhaft die Tatsache, daß die Entwicklung der Gesellschaftswissenschaften wechselhaft und krisenanfällig gewesen ist und nicht Schritt mit den raschen Entwicklungen in den technologischen Wissenschaften und den unmittelbaren Transformationen ihrer Ergebnisse in gesellschaftliche und wirtschaftliche Praxis gehalten hat. Eine gesellschaftliche Faszination über technologischen Fortschritt und ein seit langer Zeit bestehender Glaube, daß es sich hierbei um ein positives und gesellschaftlich wünschenswertes Phänomen gehandelt habe, trug zu der relativen Vernachlässigung des Feldes bei, dem sich dieser Artikel zuwenden möchte. Das gegenwärtige Vertrauen in die Gesellschaftswissenschaftler als Experten ist typischer Weise auf Fälle begrenzt, in denen Ereignisse schon in der Krise stecken oder auf Fälle, in denen die fragliche Politik unzweideutig auf die Gesellschaft der Gattung nach bezogen ist. Nur durch eine sorgfältige und unaufhörliche Verbesserung der methodischen Struktur der gesellschaftlichen Kursberechnung kann die Lücke zwischen der gegenwärtigen Situation und dem Idealzustand allmählich verkleinert werden.

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Anmerkungen

  1. P. F. Lazarsfeld und J. G. Reitz, Toward a Theory of Applied Sociology (Ein Zwischenbericht), S. 1, Bureau of Applied Social Research, Columbia University, November 1970.

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  2. Siehe die Arbeiten von A. Podgórecki, insbesondere seine ‚Charakterystyka Nauk Praktycznych’ (Merkmale der praktischen Wissenschaften), Warschau 1962, sowie ‚Sociotechnique’ (mit Rolf Schulze), in: Social Science Information, Nr. 7 (4), S. 135–152. Nach seiner Vorstellung „sind vier wesentliche Verfahrensschritte erforderlich, um das vollständige Schema einer Handlung auszuführen, was auch vom Gesichtspunkt der Effektivität her beurteilt werden könnte. Der erste Schritt wäre die Klärung der Werte, von welchen erwartet wird, daß sie auf die antizipierte Handlung bezogen sind. Der zweite Schritt sollte in einer Diagnose der gegebenen Situation bestehen, von welcher angenommen wird, daß sie geändert werden sollte. Der dritte Schritt würde aus der Sammlung und methodischen Ausarbeitung aller möglichen Gesetzmäßigkeiten bestehen; was seinerseits mit den Zielerreichungsmitteln, die als Teil des Paketes der abhängigen Variablen betrachtet werden, auf das angestrebte Ziel ausgerichtet sein sollte. Der vierte Schritt sollte in einer Wertmessung des Gleichgewichts der Kosten und der Gewinne bestehen, begründet auf einer Betrachtung der Handlung insgesamt“ (Sociotechnique, S. 149 f.).

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  3. Obgleich der Ausdruck ‚axiologisch’ ein wenig fremdartig für amerikanische Leser klingen mag, ist er nichtsdestoweniger tief verwurzelt in der europäischen philosophischen Tradition. Ich denke, es dürfte für dieses Stadium gesellschaftswissenschaftlicher Kursberechnung ein sehr nützlicher Ausdruck sein; auf der Grundlage klar formulierter Werte und primärer Ziele entwickelt sich gewöhnlich ein ideales Modell des ‚Zielgruppen-Systems’.

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  4. Siehe z. B. K. A. Archibalds Vorschlag dreier Orientierungstypen für die Expertenrolle (akademisch, klinisch, strategisch) und die Diskussion der Unterscheidung A. W. Gouldners zwischen Handlungssteuerungs- und klinischen Ansätzen für die angewandten Gesellschaftswissenschaften (= K. A. Archibald, Alternative Orientation to Social Science Utilization, in: Social Science Information, Nr. 9 (2), S. 7–34, vom April 1970

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  5. A. W. Gouldner, Exploration in Applied, Social Science, in: Social Problems, Nr. 3, 1956)

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  6. die Interpretation der Handlungssteuerung im System von A. D. Hall (A Methodology for Systems Engineering, Princeton etc. 1962)

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  7. und jener Vorschlag einer Verfahrensberatung, wie er von E. H. Schein (Process Consultation: Its Role in Organization Development, Reading, Mass., etc. 1969) dargestellt wird

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  8. oder jenen Vorschlag eines interventionistischen Ansatzes nach der Vorstellung von C. Argyris (= Intervention Theory and Method, A Behavioral Science View, Reading, Mass., etc., 1970)

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  9. Siehe auch C. Argyris, Explorations in Consulting-Client Relationships, in: The Planning of Change, hrsg. v. W. G. Bennis, K. D. Benne und R. Chin, New York, N. Y., etc., 1969

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  10. L. Gluck, O niektorych problemach wspoldzialania decydenta i eksperta (Über einige Probleme der Zusammenarbeit von Trägern politischer Entscheidungen und wissenschaftlichen Beratern), in: Stosowanie Nauk Spolecznych w Praktyce (Nutzbarmachung der Gesellschaftswissenschaften, hg. v. J. Kubin und A. Podgórecki, Wroclaw (Breslau), etc. 1973.

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  11. Der ‚System-Ansatz’ ist z. B. in vielen Arbeiten dargestellt. A. W. Gouldner schreibt: „1. System-Modelle zeigen dem Gesellschaftswissenschaftler im voraus die Möglichkeit, daß eine Änderung in einem Teil des Systems unvorhergesehene und nicht wünschenswerte Folgen in einem anderen Teil des Systems hervorrufen können, da ihre Elemente miteinander zusammenhängen. 2. System-Modelle zeigen an, daß Wandel eines Elementes nicht nur durch frontalen Angriff, sondern auch durch vorsichtige und indirekte Manipulation weiter entfernter Variablen erzielt werden kann. Diese mögen dank immanenter Systemabhängigkeit letztlich den erwünschten Wandel in der Zielvariablen herbeiführen. 3. Aus diesem Grunde sowie auch noch anderen Gründen, lenkt die Systemanalyse deshalb die Aufmerksamkeit auf die vielfachen Möglichkeiten der Intervention hinsichtlich eines einzigen Problems.“ (Theoretical Requirements of the Applied Social Sciences, in: Bennis, Benne, Chin, a. a. O.); C. W. Churchman schlägt eine Analyse von vier verschiedenen Versionen des System-Ansatzes vor: 1. Effektivitätsversion; 2. Wissenschaftliche Version; 3. Humanistische Version; 4. Anti-Planungsversion (The System Approach, New York, N. Y., 1968)

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  12. ferner gibt es die Interventionstheorie, C. Argyris, a. a. O.; und die Theorie gesellschaftlichen Handelns, A. Etzioni (The Active Society, London, etc. 1968)

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  13. sowie die allgemeine Systemtheorie, siehe W. Buckley, Modern System Research for the Behavioral Scientists, Chicago 1968), etc.

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  14. Siehe z. B. A. W. Gouldner, Anti-Minotaur: The Myth of a Value-Free Sociology; und K. D. Benne, Some Ethical Problems in Group and Organizational Consultation; beide Artikel finden sich in Bennis, Benne, Chin, a. a. O.; siehe ferner R. C. Angell, The Ethical Problems of Applied Sociology, in: The Uses of Sociology, hg. v. P. F. Lazarsfeld, W. H. Sewell und H. L. Wilensky, New York, N. Y., 1967; siehe schließlich auch die Arbeiten von A. Podgórecki und vielen anderen.

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  15. ‚Unabhängiger Intellektueller’ nach Mertons Terminologie (R. K. Merton, Social Theory and Social Structure, S. 261–278, New York, N. Y., etc., 1968.

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  16. Diese Studie wird von einer Forschungsgruppe unter Leitung von T. Kocowski ausgeführt. Siehe seinen in diesem Band veröffentlichten Beitrag.

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  17. Dieses Forschungsvorhaben wurde von einer Gruppe unter der Leitung von J. Szczepanski ausgeführt. Die endgültigen Ergebnisse sind bislang nicht veröffentlicht. Siehe einige vorläufige Kommentare zu diesem Thema bei J. Sczcepanski, Polityczny Test Nauk Spolecznych (Politischer Test der Gesellschaftswissenschaften), in: J. Kubin, A. Podgórecki (Hrsg.), a. a. O.

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  18. C Argyris, a. a. O., S. 18.

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  19. Dieses Forschungsvorhaben wurde von M. Łoś ausgeführt. Publikationen (unter anderen): Factors influencing the Aspirations of the young Generation, in: Rural Areas, The Polish Sociological Bulletin, Nr. 2,1971; Aspiracje a Srdowisko (Aspirationen und Umwelt), Warschau 1972.

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  20. L. D. Goodstein und R. K. Boyer, Crisis Intervention in a Municipal Agency: A Conceptual Case History, in: The Journal of Applied Social Science, vol. VIII, 3, S. 318–340,1972.

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  21. Siehe Fußnote 12, S. 329.

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  22. Siehe Fußnote 12, S. 331.

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  23. Siehe Fußnote 12, S. 338.

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  24. Siehe Fußnote 15.

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  25. Siehe Fußnote 12, S. 336.

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  26. Siehe Fußnote 12, S. 339.

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  27. Siehe Fußnote 18.

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  28. Trotz dieser kritischen Bemerkungen möchte ich betonen, daß ich diesen Typ eines Expertenberichtes für sehr wervoll für die Entwicklung der angewandten Gesellschaftswissenschaften halte.

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  29. R. K. Merton, (1968), a. a. O., S. 270.

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  30. H. L. Wilensky, Organizational Intelligence: Knowledge and Policy in Government and Industry, S. VIII, New York, N. Y., etc., 1967.

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  31. R. K. Merton (1968), a. a. O., S. 267.

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  32. Wilensky unterscheidet z. B. drei Typen von Experten (Kontaktleute, Spezialisten für die interne Kommunikation, Tatsachen-und-Zahlen-Leute), deren Einsatz von der Art der internen oder externen Probleme, weichen sich die Organisation gegenüber sieht, abhängt. „Ein ‚Kontaktmann’ schafft die politische und ideologische Intelligenz herbei, welche der Leiter benötigt, um seinen Weg in der modernen Gesellschaft bestimmen zu können; er vermittelt die Beziehungen der Organisation und der Außenwelt“ (S. 10). „Ein Spezialist für interne Kommunikation versorgt den Leiter mit der politischen und ideologischen Intelligenz, die er benötigt, um seine Autorität zu wahren“ (S. 13). „Der Tatsachen-und-Zahlen-Mann besorgt technisch ökonomische, gesetzliche oder wissenschaftliche Intelligenz, die dem Leiter dabei hilft, seinen ‚Fall’ in Auseinandersetzung mit Außenstehenden und Mitgliedern der Organisation zu konstruieren, Angriffe abzuwehren und mit rivalisierenden Organisationen um Markt, Macht und Prestige zu kämpfen“ (S. 14). Nach Wilensky wird der zuerst genannte Experte gerufen, wenn die Organisation im Konflikt mit ihrer gesellschaftlichen Umwelt liegt, oder stark von ihr abhängt, um ihre gesellschaftlichen Ziele zu erreichen. Die zweite Art von Experten wird gerufen, wenn die Organisation stark von der Einheit und der Unterstützung von Personen, Gruppen, Fraktionen oder Parteien innerhalb ihrer Mitgliedschaft abhängig ist, um ihre zentralen Anliegen zu erreichen. Die dritte Art des Experten wird eher um Zusammenarbeit in einer Situation gebeten, wenn eine Organisation ihre externe Umwelt und internen Operationen in gleicher Weise rationalisiert ansieht, und sie so ein Gegenstand für unterscheidende, vorhersagbare Gleichförmigkeiten in ihren Beziehungen zwischen bedeutsamen Zielen ist (Wilensky, a. a. O.).

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Joachim K. H. W. Schmidt

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Łoś, M. (1975). Gesellschaftswissenschaftliche Kursberechnung. In: Schmidt, J.K.H.W. (eds) Planvolle Steuerung gesellschaftlichen Handelns. VS Verlag für Sozialwissenschaften. https://doi.org/10.1007/978-3-322-86094-1_12

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  • Publisher Name: VS Verlag für Sozialwissenschaften

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  • Online ISBN: 978-3-322-86094-1

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