Zusammenfassung
Die Theorie der Persönlichkeit hat in den letzten Jahren in der DDR wie auch in anderen sozialistischen Ländern zunehmend an Bedeutung gewonnen. Ihre Ausarbeitung bildet gegenwärtig einen der Schwerpunkte innerhalb der Sozialwissenschaften1. Das wachsende Interesse an persönlichkeitstheoretischen Forschungsproblemen wird damit begründet, daß die Entwicklung der Persönlichkeit fundamentaler Bestandteil der gesellschaftlichen Umgestaltung sei. Die Theorie der Persönlichkeit soll somit die Zusammenhänge zwischen Persönlichkeitsentwicklung und gesellschaftlichen Prozessen aufdecken. Dabei geht es im Kern gegenwärtig darum, eine allgemeine Theorie der Persönlichkeit zu entwickeln, die die bisher in den verschiedenen Wissenschaftszweigen vorliegenden Ansätze und Ergebnisse integriert und die als Grundlage weiterer Forschung dienen soll. In der westlichen DDR-Forschung sind die in der DDR unternommenen Versuche, eine Theorie der Persönlichkeit zu entwickeln, bisher nicht systematisch untersucht worden. Inhalt und Charakter der persönlichkeitstheoretischen Diskussion lassen jedoch den Schluß zu, daß hier ein Selbstverständigungsprozeß über die Problematik der Individualität in der gesellschaftlichen Transformation stattfindet, so daß dieser Forschungsbereich über ein fachspezifisches Interesse hinaus für die Analyse der gesellschaftlichen Entwicklung grundsätzlich von Bedeutung ist.
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Literatur
Vgl. Zentraler Forschungsplan der marxistisch-leninistischen Gesellschaftswissenschaften der DDR 1976–1980, in: Einheit, 30. Jg. (1975), H. 9, S. 1048 ff.
„Der Begriff,Persönlichkeit’bezieht sich in erster Linie auf die wesensbestimmenden Merkmale des Menschen, auf ihn als tätiges gesellschaftliches Wesen.“ Alfred Arnold, Was formt die Persönlichkeit? Zur Dialektik von philosophischen und psychologischen Aspekten in der marxistisch-leninistischen Persönlichkeitsauffassung, Berlin (DDR) 1976, S. 14 f. „Persönlichkeit ist das Individuum in seiner Eigenschaft als Subjekt der Gesellschaft, d.h. der gesellschaftlichen Erkenntnis, der gesellschaftlichen Verhältnisse und der zwischenmenschlichen Beziehungen.“ Der Begriff der Persönlichkeit und die Entwicklung der sozialistischen Persönlichkeit in der Arbeiterklasse beim Aufbau der entwickelten sozialistischen Gesellschaft. Thesen, in: Wissenschaftliche Zeitschrift der Humboldt-Universität Berlin, Ges.-Sprach-wiss. Reihe, 26. Jg. (1977), H. 1, S. 141.
Ambivalent bleibt die Position der „Projektgruppe Automation und Qualifikation“ zu diesen Fragen, die die Diskussion über die sozialistische Persönlichkeit vor dem Hintergrund technischer Fortschritte in der Produktion untersucht. Vgl. Thomas Waldhubel/Silke Wenk (Projektgruppe Automation und Qualifikation), Wissenschaftlich-technischer Fortschritt und individuelle Emanzipation. Zur Diskussion um die,Sozialistische Persönlichkeit‘und ihre Entwicklung in der DDR, in: Sozialistische Politik 36, 8. Jg. (1976), H. 2, S. 63–85; dies., Technischer Fortschritt, Entwicklung der Persönlichkeit und marxistische Theorie.
Antwort auf W. Wotschak, Teil 1, in: Sozialistische Politik 40, 9. Jg. (1977), H. 2, S. 82–99, und
Antwort auf W. Wotschak, Teil 2, in: Sozialistische Politik 41, 9. Jg. (1977), H. 3, S. 74–87. Dagegen ist die Position Hankes eindeutig: Die gegenwärtige Diskussion über die sozialistische Persönlichkeit habe für die SED primär die Funktion ideologischer Herrschaftslegitimation.
Vgl. Irma Hanke, Vom neuen Menschen zur sozialistischen Persönlichkeit. Zum Menschenbild der SED, in: Deutschland Archiv, 9 Jg. (1976), H. 5, S. 492–515. Ähnlich auch die These Waterkamps zur Bedeutung des Persönlichkeitsbegriffs in der Lehrplandiskussion: Er diene dazu, politisch-ideologische Ansprüche abzusichern.
Vgl. Dietmar Waterkamp, Der Stellenwert des Persönlichkeitsbegriffs in der Lehrplantheorie der DDR, in: Oskar Anweiler (Hrsg.), Bildungsforschung und Bildungspolitik in Osteuropa und der DDR. Konferenzmaterialien, Hannover 1975, S. 87–101; ders., Lehrplanreform in der DDR. Die zehnklassige allgemeinbildende polytechnische Oberschule 1963 bis 1972, Hannover 1975.
Vgl. zur Diskussion in den sechziger Jahren u.a. Manfred Buhr, Entfremdung — philosophische Anthropologie — Marx’ Kritik, in: Deutsche Zeitschrift für Philosophie, 14. Jg. (1966), H. 7, S. 806–834;
Wolfgang Eichhorn I, Das Problem des Menschen im historischen Materialismus, in: ebd., S. 775–805. Die Problematik dieser Argumentation, verbunden mit einer der aktuellen Diskussion entsprechenden neuen Positionsbestimmung, thematisiert Irene Dölling, Individuum und Gesellschaft. Einige methodologische Voraussetzungen der marxistisch-leninistischen Kulturtheorie, in: Deutsche Zeitschrift für Philosophie, 26. Jg. (1978), H. 8, S. 970–983.
Vgl. Lucien Sève, Marxismus und Theorie der Persönlichkeit, 3. Aufl., Frankfurt a. M. 1977. Eine ausführliche Auseinandersetzung mit der Sève-Rezeption in der DDR findet sich in Kap. 1.4.4., unten S. 75 ff.
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Lemke, C. (1980). Einleitung. In: Persönlichkeit und Gesellschaft. Schriften des Zentralinstituts für sozialwissenschaftliche Forchung der Freien Universität Berlin, vol 33. VS Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-322-86063-7_1
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