Zusammenfassung
Das Unmittelbare bzw. der Ausgangspunkt intergesellschaftlicher Beziehungen
Längere Zeit nach dem Umzug von meiner Heimatstadt nach Berlin im Jahre 1961 stellte ich eines Tages zu meiner eigenen Überraschung fest, daß ich eine Rundfunknachricht nicht mehr in gewohnter Weise aus dem Blickwinkel meiner Heimatstadt wahrnahm, sondern aus demjenigen Berlins. Meine Weltsicht hatte offenbar einen anderen Fixpunkt erhalten. Zunächst konnte ich mir diesen Wandel nicht recht erklären, da er keinen Willensakt darstellte und ohne mein Dazutun entstanden war. Erinnern konnte ich mich nur an das Bestreben der vergangenen Wochen und Monate, meinen neuen Wohnort Berlin kennenzulernen. Jede freie Zeit hatte ich ausgenutzt, um Stück für Stück das neue Terrain in Augenschein zu nehmen. So stellte ich fest, daß meine Wohnung und mein Arbeitsplatz in einem Bezirk lagen, in dem die Häuser dicht gedrängt neben- und hintereinander standen, Grau in Grau überwog. In anderen Bezirken dominierte hingegen die villenartige Bebauung. Die in jenen Bezirken wohnenden Menschen kleideten und verhielten sich anders als meine Arbeitskollegen, und vor allem sprachen sie durchweg Hochdeutsch, während meine Arbeitskollegen alles daran setzten, mir ihren Berliner Dialekt beizubringen, auf den sie — wie es schien — sehr stolz waren. Ich sollte übrigens nicht nur ihren Dialekt lernen, sondern auch mit ihnen ihre politische Weltanschauung teilen. Berliner könne ich — so sagten sie — erst werden, wenn ich so sei wie sie. Ich hatte zu lernen, daß es offenbar etwas Besonderes war, Berliner zu sein.
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© 1987 Westdeutscher Verlag GmbH, Opladen
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Hildebrandt, R. (1987). Der geographische Ort als Wirkungsfeld intergesellschaftlicher Beziehungen — Berlin (West/Ost). In: Kampf um Weltmacht. VS Verlag für Sozialwissenschaften. https://doi.org/10.1007/978-3-322-85782-8_2
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