Zusammenfassung
Wohl in kaum einem anderen Bereich der menschlichen Gesellschaft herrscht eine derart paradoxe Situation wie in der Weltlandwirtschaft. Trotz weiter gestiegener Agrarproduktion hat sich in den Ländern der Dritten Welt — von wenigen Ausnahmen abgesehen, von denen noch die Rede sein wird — die Ernährungslage nicht sichtbar verbessert. Jedoch tritt eine fatale dialektische Diskrepanz zwischen Produktion und Distribution auf. Die hochentwickelten Industrieländer der westlichen Hemisphäre stehen bei rasch abnehmender Agrarbevölkerung und bei qualitativ wie quantitativ bester Ernährung vor dem Problem der Bewältigung die Wirtschaftlichkeit gefährdender Nahrungsgüterüberschüsse. Dagegen leben die Menschen in den Entwicklungsländern auf dem Lande weithin an der Grenze von Hunger, Unter- oder Fehlernährung. Der Kontrast wird meßbar an der Tatsache, daß die EWG-Staaten jährlich mehrere Millionen Tonnen Weizen denaturieren, d. h. für die menschliche Ernährung unbrauchbar machen, um den Bauern der sechs Gemeinschaftsstaaten höhere Einkommen zu garantieren, während die ärmeren ländlichen Bevölkerungsschichten in der Dritten Welt meist nicht einmal das Existenzminimum erreichen und hungern, weil sie keine Kaufkraft entwickeln können. Ein besonders gefährlicher Widerspruch liegt noch darin, daß die hochentwickelten Industriestaaten auf der einen Seite mit nicht unerheblichem Aufwand Agrarentwicklungshilfe in der Dritten Welt leisten, während sie auf der anderen Seite durch den Export ihrer Nahrungsgüterüberschüsse zu Dumpingpreisen die Chancen der Entwicklungsländer auf den Weltmärkten ruinieren.
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von Pufendorf, U. (1972). Die Agrarfrage: Sozialer Konfliktstoff in der Weltpolitik. In: Grundfragen der Weltagrarentwicklung. Offene Welt, vol 102. VS Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-322-85667-8_2
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