Zusammenfassung
Anders als in den USA gibt es in der Bundesrepublik keine Strategic Community. Entsprechend wechseln Phasen völliger Uninteressiertheit an Fragen von → Militärstrategie und Sicherheitspolitik mit solchen fast hysterischer Faszination und Leidenschaft für Teilaspekte dieses ungewöhnlich komplexen Problemkreises ab. Die Emotionalität wird begünstigt weil sicherheitspolitische Analysen weithin subjektiven Charakter haben, geht es doch eher um ein Sich-sicher-Fühlen als um faktisches Sicher-Sein. Selbstverständnis und Umweltverhältnis spielen für den subjektiven Zustand oft eine wichtigere Rolle als die Absichten und Mittel des Gegners. Konkret sind wir eingebunden in das → Abschreckungssystem zwischen West und Ost, bleiben betroffen von der Verteidigungsplanung von NATO und Warschauer Pakt, leben als Geiseln im nuklearen Raketenkalkül der anderen Seite, befinden uns schon lange im Visier nuklearer Waffenträger. Unseren nuklearen Antipoden im Osten geht es unter der Drohung westlicher Waffen prinzipiell nicht besser. Offensichtlich haben die Experten für Militärstrategie und Sicherheitspolitik keineswegs die beste aller denkbaren Abschreckungswelten geschaffen. Das mag vor allem daran liegen, daß sie vornehmlich „Verteidigungsexperten“ sind. Hinzu kommt, daß die Wissenschaftler die Herstellung der tödlichen → Waffen ermöglichen und die Strategen, die ihren Einsatz planen, sich als für die Erhaltung des Lebens auf dieser Erde und des Menschen in der Geschichte als für nicht zuständig erklären. Ihren Diskussionsbeitrag beschränken sie auf die Erläuterung der Waffenwirkung. Fasziniert stehen sie im Bann der technischen Möglichkeiten. Die Frage nach den Folgen einer Verteidigung mit den von ihnen erfundenen Waffen erscheint ihnen zweitrangig. Gerade deshalb ist die öffentlichkeit aufgerufen, sich an der Diskussion um die Fragen nationaler → Sicherheit zu beteiligen und so dafür zu sorgen, daß die „moralfreien“ Entwürfe und Absichten der Experten nicht den gesellschaftlichen Sicherheitsbedürfnissen und -Vorstellungen zuwiderlaufen.
→ Abschreckung, Aggression, Krieg, Krise, Militärstrategie, Rüstung, Sicherheit, Waffen.
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Literatur
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Barth, P. (1988). Raumverteidigung. In: Lippert, E., Wachtler, G. (eds) Frieden. Studienbücher zur Sozialwissenschaft, vol 47. VS Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-322-85630-2_30
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