Zusammenfassung
Ich möchte das Verhältnis von Ethik und Revolution erörtern, indem ich mich von folgender Frage leiten lasse: Läßt sich eine Revolution als angebracht, gut, vielleicht sogar als notwendig rechtfertigen, und zwar nicht nur im politischen Sinne (als bestimmten Interessen dienlich), sondern auch im ethischen, das heißt rechtfertigen mit Rücksicht auf die menschliche Verfassung als solche, auf das Potential des Menschen, in einer gegebenen historischen Situation? Das bedeutet, daß ethische Begriffe wie »rechtmäßig« oder »gut« auf politische und gesellschaftliche Bewegungen angewandt werden, wobei hypothetisch unterstellt wird, daß die moralische Bewertung solcher Bewegungen (in einem zu definierenden Sinne) mehr als subjektiv ist, mehr als eine Sache des Beliebens. Unter dieser Hypothese würden »gut« und »rechtmäßig« heißen, daß etwas dazu dient, Freiheit und Glück der Menschen in einem Gemeinwesen, von welcher Regierungsform auch immer, herzustellen, zu befördern oder zu erweitern. Diese vorläufige Definition verbindet individuelles und allgemeines, privates und öffentliches Wohl. Sie versucht, eine Grundvorstellung der klassischen politischen Philosophie, die nur allzuoft unterdrückt worden ist, wiederzugewinnen, daß nämlich der Zweck der Regierung nicht nur die größtmögliche Freiheit ist, sondern auch das größtmögliche Glück des Menschen, das heißt ein Leben ohne Angst und Elend, ein Leben in Frieden.
Aus: Ethik und Revolution. Frankfurt 1967, 4. Aufl., S. 130–146 (mit freundlicher Genehmigung des Suhrkamp-Verlages).
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© 1973 Westdeutscher Verlag GmbH Opladen
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Marcuse, H. (1973). Ethik und Revolution. In: von Beyme, K. (eds) Empirische Revolutionsforschung. Probleme der Politik. VS Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-322-85559-6_6
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Publisher Name: VS Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden
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Online ISBN: 978-3-322-85559-6
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