Zusammenfassung
Aus der Geborgenheit ihrer bürgerlichen Elternhäuser entlassen, fanden sich Anfang der zwanziger Jahre viele der angehenden Studenten in einer verwirrenden Welt wieder, in der selbst ein scheinbar so festgefügter Ausbildungsgang wie der des Architekten kaum mehr sichere Anhaltspunkte zu bieten vermochte. Nach der Not der unmittelbaren Nachkriegsjahre, in denen kaum mehr gebaut werden konnte und viele Architekten sich in die Phantasiewelten ihrer Zeichnungen geflüchtet hatten, durchströmte ein neues Leben die Republik, deren Gesicht sich rasch zu wandeln begann: Da gab es bald die sozialistisch inspirierten Siedlungsbauten in Frankfurt und Berlin, die in ihrer kargen Erscheinungsform auch ästhetisch revolutionär wirkten — und manches Bürgergemüt erschreckten; daneben gab es rasant aufschießende Großstadtarchitekturen, die schon früh als unübersehbare Wahrzeichen der neuen Macht großer Firmen und internationaler Trusts wahrgenommen wurden. Demgegenüber zeichneten sich politische und ästhetische Bewegungen ab, die in schroffer Wendung gegen die im Bild der Städte sichtbar werdenden Rationalisierungs- und Modernisierungsprozesse verstärkt auf die Bewahrung von Tradition, auf die Wiederbelebung von handwerklicher Produktion und dörflicher Lebensweise setzten; gerade solche Gedanken übten auf viele der jungen Studenten eine besondere Anziehung aus. Da besonders die Mittelschichten durch die krisenhafte Wirtschaftsentwicklung der jungen Republik in ihren materiellen wie ideellen Lebensgrundlagen tiefen Verunsicherungen ausgesetzt waren, übertrug sich die Labilität der Verhältnisse oft auch auf die aus solchen Schichten stammenden Studenten: Im Spannungsfeld zwischen der fortschreitenden wirtschaftlichen Konzentration und dem wachsenden Gewicht der organisierten Arbeiterschaft mußten gerade die Mittelschichten um den Bestand der wirtschaftlichen und kulturellen Sicherheiten fürchten, die im Kaiserreich noch als selbstverständlich gegolten hatten. Zumindest ein Schatten dieser aufkommenden existentiellen Bedrohung, die sich im Laufe der zwanziger Jahre zur Panik im Mittelstand38 steigern sollte, legte sich auch auf die Studenten, die sich in ihren neuen Studienorten zurechtzufinden versuchten.
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© 1988 Friedr. Vieweg & Sohn Verlagsgesellschaft mbH, Braunschweig
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Durth, W. (1988). Schulen und Lehrer. In: Deutsche Architekten. Vieweg+Teubner Verlag. https://doi.org/10.1007/978-3-322-85487-2_4
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DOI: https://doi.org/10.1007/978-3-322-85487-2_4
Publisher Name: Vieweg+Teubner Verlag
Print ISBN: 978-3-528-28705-4
Online ISBN: 978-3-322-85487-2
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