Zusammenfassung
In Analyse und Bewertung der Rolle, welche die Volksrepublik China in der Weltpolitik spielt, ist seit den sechziger Jahren ein Wandel der Perspektive eingetreten, den man, etwas vergröbert, als Ablösung der sowjetologischen Perspektive durch eine wieder mehr sinologisch orientierte Betrachtungsweise bezeichnen kann. Dies gilt nicht zuletzt von jenen Ereignissen, die unter dem Namen „Kulturrevolution“ der übrigen Menschheit ein Vexierbild chaotischer Selbstzerstörung zu bieten schienen angesichts einer politischen Lage, die vis-à-vis Vietnam allen Anlaß zu innerer Geschlossenheit und kluger Außenpolitik geboten hätte. Die vorschnelle Fixierung des kommunistischen Negativbildes im Sinne gleichsam eines Super-Stalinismus hat sich auf längere Sicht jedoch nicht halten lassen. Im Gegenteil, die nach und nach dichter werdenden Informationen deuteten auf Abbau von administrativer Gewalt, Verlagerung der Macht in regionale und lokale Einheiten, Einbeziehung neuer Möglichkeiten von Mitbestimmung und Teilhabe, dazu Bilder eines quasi religiösen Aufbruchs vor allem in der jungen Generation, die bestürzend fremdartig wirkten — kurz: dem Vorgang einer überraschenden Öffnung nach außen seit dem Frühjahr 1971 geht ein anderer voraus, wonach eine 750 Millionen Menschen umfassende, immer noch vorindustrielle Gesellschaft ihren Platz in der wissenschaftlich-technischen Welt offenbar nach durchaus eigenen, chinesischen Voraussetzungen zu gewinnen und zu behaupten sucht. Die vor allem nach außen gerichtete begleitende Propaganda, die den inneren Zusammenhang mit den marxistisch-revolutionären Traditionen Europas betont, sollte auch als Element im Selbstbehauptungswillen der alt-neuen chinesischen Führung gesehen werden.
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Hinweise
Mary C. Wright, From revolution to restoration: the transformation of Kuomintang ideology, in: Far Eastern Quarterly 14 (1955), 515 ff.
A. W. Hummel, Eminent Chinese of the Ch’ing Period, Washington 1943, vol. II, 702 ff.
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© 1971 Westdeutscher Verlag GmbH, Opladen
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Grimm, T. (1971). Chinas Traditionen im Umbruch der Zeit. In: Geisteswissenschaften. VS Verlag für Sozialwissenschaften. https://doi.org/10.1007/978-3-322-85459-9_1
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