Zusammenfassung
In neueren Untersuchungen zur längerfristigen Entwicklung der industriellen Arbeitskämpfe konkurrieren zwei einander widersprechende Interpretationsmuster1. Zur leichteren Verständigung bezeichne ich sie als „Kontinuitätskonzept“ und „Diskontinuitäts-“ bzw. „Streikwellenkonzept“. Beide gehen von deutlich erkennbaren Veränderungen des Arbeitskampfverhaltens aus und versuchen sie zu erklären.
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References
Zu den konzeptionellen Alternativen s. Gerald D. Feldman, Streiks in Deutschland 1914–1933: Probleme und Forschungsaufgaben, in: Klaus Tenfelde/ Heinrich Volkmann (Hrsg.), Streik. Zur Geschichte des Arbeitskampfes in Deutschland während der Industrialisierung, München 1981, S. 271 ff., insbes. S. 274 ff.
In einem Überblick über den Wandel des Arbeitskampfverhaltens in Deutschland habe ich versucht, das Kontinuitätsmodell anzuwenden, ohne es allerdings schon so benannt und klar definiert zu haben. Siehe Heinrich Volkmann, Modernisierung des Arbeitskampfs? Zum Formwandel von Streik und Aussperrung in Deutschland 1864–1975, in: Hartmut Kaelble u.a., Probleme der Modernisierung in Deutschland. Sozialhistorische Studien zum 19. und 20. Jahrhundert, Opladen 1978, S. 110–170.
Vgl. z.B. Arthur M. Ross/ Paul T. Hartman, Changing Patterns of Industrial Conflict, New York/London 1960, als berühmtestes und umstrittenstes Beispiel.
Ich beziehe mich dabei vor allem auf James E. Cronin, Industrial Conflict in Modern Britain, London 1979, und ders., Labor Insurgency and Class Formation. Comparative Perspectives on the Crisis of 1917–1920 in Europe, in: Social Science History, 4/1980, S. 125-152. Für zahlreiche Anregungen und kritische Hinweise bin ich Friedhelm Boll zu Dank verpflichtet, der z.Z. an einer vergleichenden Studie über Streikwellen arbeitet.
Cronin, Industrial Conflict (Anm. 4), S. 195.
Dieter Groh, Intensification of Work and Industrial Conflict in Germany 1896–1914, in: Politics and Society, 8/1978, S. 354, 358, 389; Ilse Costas, Studien zu den Auswirkungen der Konzentration und Zentralisation des Kapitals auf die Arbeiterklasse in Deutschland 1880–1914, Phil. Diss., Berlin 1978, insbes. S. 126 ff., 367 ff., 425 ff. Vgl. dazu auch das abwägende Urteil von Klaus Schönhoven, Arbeitskonflikte in Konjunktur und Rezession. Gewerkschaftliche Streikpolitik und Streikverhalten der Arbeiterschaft vor 1914, in: Tenfelde/ Volkmann, Streik (Anm. 1), S. 177 ff.
Zusammenfassend zuletzt Dick Geary, Arbeiterprotest und Arbeiterbewegung in Europa 1848–1939, München 1983, S. 117ff.
Die quantitativen Nachweise dazu bei Volkmann, Modernisierung (Anm. 2), S. 118 ff.
Siehe Charles Tilly/ Frank Shorter, The Shape of Strikes in France, 1830–1960, in: Comparative Studies in Society and History, 13/1971, S. 60–86.
Korrespondenzblatt des Allgemeinen Deutschen Gewerkschaftsbundes 1920, Statistische Beilage, S. 105.
Ebd., S. 123.
Statistik des Deutschen Reichs, Bd. 290, S. 8*, Hervorhebung im Original.
Korrespondenzblatt des Allgemeinen Deutschen Gewerkschaftsbundes 1920, Statistische Beilage, S. 105.
Siehe insbesondere Gerhard A. Ritter/ Klaus Tenfelde, Der Durchbruch der Freien Gewerkschaften Deutschlands zur Massenbewegung im letzten Viertel des 19. Jahrhunderts, in: Heinz Oskar Vetter (Hrsg.), Vom Sozialistengesetz zur Mitbestimmung. Zum 100. Geburtstag von Hans Böckler, Köln 1975, S. 61–121; Klaus Schönhoven, Expansion und Konzentration. Studien zur Entwicklung der Freien Gewerkschaften im Wilhelminischen Deutschland 1890–1914, Stuttgart 1980; Geary, Arbeiterprotest (Anm. 7), S. 71 ff. und die dort angegebene weitere Literatur.
Die hohe Fluktuationsrate dieses Arbeitertyps geht allerdings nicht nur auf „bargaining by job mobility“ zurück. Nebenberufliche Tätigkeit, kurzfristige Arbeitsverträge und rasche Kündigung durch den Arbeitgeber spielen ebenfalls eine Rolle.
Siehe Heinrich Volkmann, Organisation und Konflikt. Gewerkschaften, Arbeitgeberverbände und die Entwicklung des Arbeitskonflikts im späten Kaiserreich, in: Werner Conze/ Ulrich Engelhardt (Hrsg.), Arbeiter im Industrialisierungsprozeß. Herkunft, Lage und Verhalten, Stuttgart 1979, S. 422–438.
Besonders prononciert Karl Heinz Roth, Die „andere“ Arbeiterbewegung und die Entwicklung der kapitalistischen Repression von 1880 bis zur Gegenwart. Ein Beitrag zum Neuverständnis der Klassengeschichte in Deutschland, München 1974. Kritisch dazu Erhard Lucas, Zwei Formen von Radikalismus in der deutschen Arbeiterbewegung, Frankfurt a.M. 1976, S. 9 ff. u. passim; Geary, Arbeiterprotest (Anm. 7), S. 120 ff.; ders., Radicalism and the German Worker: Metalworkers and Revolution 1914–1923, in: Richard J. Evans (Hrsg.), Society and Politics in Wilhelmine Germany, London 1978, S. 276-283; Gerald D. Feldman, Socioeconomic Structures in the Industrial Sector and Revolutionary Potentialities, 1917–1922, in: Charles L. Bertrand (Hrsg.), Revolutionary Situations in Europe 1917–1922, Montreal 1977, S. 160-166; Robert F. Wheeler, Zur sozialen Struktur der Arbeiterbewegung am Anfang der Weimarer Republik, in: Hans Mommsen u.a. (Hrsg.), Industrielles System und politische Entwicklung in der Weimarer Republik, Düsseldorf 1974, S. 179-189. Vgl. auch die eingehende Analyse der Entwicklung in Braunschweig und Hannover bei Friedhelm Boll, Massenbewegungen in Niedersachsen 1906–1920, Bonn 1981, S. 187 ff., mit Ergebnissen, die der These vom „neuen Arbeitertyp“ als Träger der Bewegungen teilweise widersprechen; ebenso Heinrich Potthoff, Gewerkschaften und Politik zwischen Revolution und Inflation, Düsseldorf 1979. Zum Arbeits-, Protest-und Organisationsverhalten der Ungelernten s. Peter N. Stearns, The Unskilled and Industrialization. A Transformation of Consciousness, in: Archiv für Sozialgeschichte, XVI/1976, S. 249-282.
Siehe z.B. Boll, Massenbewegungen (Anm. 17), S. 146-150, 201 ff.; Lucas — Radikalismus (Anm. 17), S. 184, 190 — sieht sich sogar an Aktionsformen des Bauernkrieges erinnert.
Reichsarbeitsblatt 1922, II, Nr. 9, S. 284*.
Vgl. Geary, Arbeiterprotest (Anm. 7), S. 141.
Für die erheblichen Unterschiede bereits im Ruhrgebiet s. die bei Geary (ebd., S. 151) genannten Beispiele.
So mußte das Statistische Reichsamt in seinen Bemerkungen zur Streikstatistik von 1920 feststellen: „Die Einsicht in das Urmaterial der Streiknachweisungen gewährt daher weit mehr noch als die statistischen Endergebnisse den Eindruck einer außerordentlichen politischen Unruhe unter der Arbeiterschaft, so daß der politische Charakter der Arbeitskämpfe als das hervorstechende Merkmal der Streikbewegung des Jahres 1920 bezeichnet werden kann, neben welchem die wirtschaftliche Bedeutung der Arbeitskämpfe stark in den Hintergrund tritt.“ Reichsarbeitsblatt 1922, II, Nr. 9, S. 284*f.
Ebd., S. 285*.
Korrespondenzblatt des Allgemeinen Deutschen Gewerkschaftsbundes 1920, Statistische Beilage, S. 105.
Wolfgang J. Mommsen, Die deutsche Revolution 1918–1920. Politische Revolution und soziale Protestbewegung, in: Geschichte und Gesellschaft, 4/1978, S. 384.
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Volkmann, H. (1986). Die Streikwellen 1910–13 und 1919–20: Kontinuität oder Diskontinuität der Arbeitskampfentwicklung. In: Arbeit, Mobilität, Partizipation, Protest. Schriften des Zentralinstituts für sozialwissenschaftiche Forschung der Freien Universität Berlin, vol 47. VS Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-322-85372-1_7
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