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System und allgemeine Arbeit: Die Ausdifferenzierung der Wissenschaft

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Part of the book series: Wissenschaftstheorie Wissenschaft und Philosophie ((WWP))

Zusammenfassung

“Die Bildung wissenschaftlicher Theorie ... dient keinem praktischen Zweck. Ihr Ziel ist es nicht, die Welt zu beherrschen, sondern sie zu beobachten und sie nach Möglichkeit zu verstehen. ... Freilich ist der Wunsch, die Welt zu verbessern, eines der stärksten Motive des Menschen, sich mit Wissenschaft zu befassen. Die praktische Anwendung wissenschaftlicher Theorie führt natürlich zur Erfindung technischer Mittel zur Beherrschung der Welt. Doch weder diese Motive noch die Anwendung ihrer Ergebnisse für “weltliche” Zwecke ist ein Bestandteil des Prozesses wissenschaftlichen Theoriebildens selbst. Theoriebildung ist eine Sache für sich, die sich von der Verwendung der Wissenschaft in der Welt des Wirkens radikal unterscheidet.” (Schütz 1971, 282 f.)

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Literatur

  1. In eine sehr ähnliche Relativismusproblematik führte schon die ursprüngliche radikale These Kuhns von der Inkommensurabilität der verschiedenen Paradigmen — Kuhn hat diese radikale Position, wie bekannt, später wieder aufgegeben (vgl. dazu Klüver 1974).

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  2. Ich muß hier auf die einschlägige Literatur verweisen, in der die von mir im folgenden skizzierten Prozesse z.T. detailliert dargestellt worden sind — nicht unbedingt natürlich mit allen von mir entwickelten Interpretationen. Zu nenn sind vor allem Moscovici 1982, Böhme/ van den Daele/Krohn 1977, Krohn 1977, Ben-David 1971 und Zilsel 1976. Zusätzliche Literatur zur Phase der Renaissance findet sich vor allem bei Krohn 1977; zum 17. Jahrhundert sei verwiesen auf van den Daele 1977.

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  3. In Klüver 1971, 38 ff. ist die Bedeutung dieses Ansatzes in der Renaissance näher ausgeführt worden.

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  4. Ich übernehme für diese Rekonstruktionsskizze den Begriff der sozialen Rolle von Ben-David (1971), der damit eine professionssoziologische Bedeutung meint. Im Sinne des Gebrauchs durch Ben-David verstehe ich hier darunter lediglich eine sozial anerkannte, anderen Berufen gegenüber deutlich abgegrenzte Tätigkeit mit eigenen Handlungsnormen etc.

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  5. Mit “ideologischer Abstinenz” meine ich im wesentlichen das, was Habermas im Anschluß an Sehe1er als Ideologiefreiheit des technischen Erkenntnisinteresses analysiert hat (1968), unbeschadet dessen, daß Naturwissenschaft und Technik selbst ideologische Funktionen übernehmen können.

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  6. In meiner erwähnten früheren Studie habe ich den Ausdifferenzierungsprozeß der Naturwissenschaft zeitlich mit der Gründung der Akademien gleichgesetzt, ohne zwischen Ausdifferenzierung als Prozeß und als Ergebnis, nämlich einem Subsystem, immer korrekt zu unterscheiden. Als äusdifferenziertes Subsystem tritt Wissenschaft und insbesondere Naturwissenschaft sicher erst im 19. Jahrhundert mit der Forschungsuniversität als organisatorischer Infrastruktur in Erscheinung, auch wenn die Anfänge des Ausdifferenzierungsprozesses wesentlich früher anzusetzen sind. Ich verdanke den Hinweis auf diese notwendige Klärung einer persönlichen Mitteilung von N. Luhmann.

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  7. Vgl. dazu Schmidt 1985, der sich im Rahmen einer kritischen Würdigung der “laboratory studies” mit dem Problem beschäftigt, ob und inwiefern im Chemielabor “konkrete Arbeit” geleistet wird. Ich werde darauf bei der Analyse des Forschungsalltags noch zurückkommen.

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  8. Für die hier analysierte Thematik sind vor allem wichtig Ben-David 1971; Stichweh 1984; Turner 1971; Clark 1978; immer noch lesens- und empfehlenswert ist der Klassiker von Schelsky (1963) . Eine ausführliche Bibliographie findet sich u.a. bei Luther 1979 und Prahl 1978. Eine historische Fallstudie zur Illustrierung der hier abstrakt behandelten Probleme bietet Riese 1977. Als gesellschaftskritische Rekonstruktion der Geschichte des Humboldtschen Universitätskonzepts ist m.E. immer noch vorbildlich Nitsch u.a. 1965; in diese Tradition gehört auch die berühmte Studie von Ringer 1969.

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  9. Selbstverständlich ist auch in einer “vorsystemischen” Wissenschaft die Anerkennung durch die jeweiligen Fachleute ein notwendiges Kriterium für die Reputationsgewinnung; damit war jedoch noch nicht die gesellschaftliche Anerkennung — etwa durch den Monarchen — garantiert, die alleine die soziale Existenz absichern konnte. Mit den Wissenschaftsdisziplinen entstand dagegen eine scientific community, die vor allem über die grundsätzliche Möglichkeit der Selbstrektrutierung die Vergabe wissenschaftlicher Reputation mit sozialer Existenzsicherung kombinieren konnte.

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  10. Dies wird besonders deutlich am Beispiel der Bearbeitung der mengentheoretischen Grundlagenkrisen durch die mathematische scientific community. Die “Lösung” der Grundlagenkrise bestand im wesentlichen darin, neue und sichere Axiomensysteme zu konstruieren, die wieder ein ungestörtes Anwenden der mathematischen Erkenntnisoperationen garantieren sollten. Die im Verlauf der Grundlagenkrise aufgetretenen philosophischen Probleme z.B. wurden sehr rasch und sehr konsequent ausgeblendet, nachdem dies erst einmal gelungen war — vor allem in den elements des mathématiques von Bourbaki.

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  11. Eine derartige Orientierung war in der Chemie freilich schon im 19. Jahrhundert immer wesentlich stärker als in der Physik oder Mathematik, von der Biologie ganz zu schweigen.

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  12. Der Vollständigkeit halber sei noch angemerkt, daß im System das Verhältnis von Allgemeinem und Besonderem — nur scheinbar paradoxerweise — wieder umgekehrt wird: Im Gesamtkontext der akademischen Wissenschaft wird das Besondere der Naturwissenschaften durch die Charakterisierung ihrer Erkenntnisform und -produkte als Arbeitswissen hergestellt; das Allgemeine ist dann gerade die systemische Struktur.

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  13. Diese einfachen Tauschmodelle erinnern eher an den zuerst von Malinowski beschriebenen ritualisierten Tausch innerhalb der Kula-Kette (Malinowski 1920).

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  14. Auf die Analysen von Marcuse (1967) und Habermas (1968), gemäß denen Naturwissenschaft und Technik selbst die Funktion gesamtgesellschaftlich wirksamer Ideologie übernehmen, kann ich hier nur verweisen.

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  15. Ich kann hier nicht das Problem sozialer Objektivität so thematisieren, wie es angemessen geschehen müßte. In diesen Passagen meine ich mit “objektiven” Vorgaben ziemlich simpel solche Bedingungen, die gesellschaftlich so vorgegeben sind, daß sie als — generell unbewußte — Handlungsbedingungen fungieren und als solche nicht unmittelbar veränderlich sind.

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  16. Das hohe Prestige des Professorentitels ist dafür sicher ein wesentliches Indiz.

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  17. Selbstverständlich ist — vor allem im Bereich der Geistes- und Sozialwissenschaften — häufig die Disziplintradition so heterogen, daß sie keine eindeutigen Vorgaben gibt. In dem Fall wird die Tradition der Disziplin durch die einzelner wissenschaftlicher Schulen ersetzt.

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  18. In einer sehr lehrreichen Studie demonstriert beispielsweise Turner (1971), wie die preußische Kultusbürokratie im 19. Jahrhundert häufig gegen den erklärten Willen der Fakultäten Berufungen der jeweils führenden Fachwissenschaftler durchsetzte, die Rekrutierung von Professoren aufgrund ihrer wissenschaftlichen Reputation als entscheidendem Kriterium also per Staatseingriff erzwang. Die Forschungsuniversität entstand demnach, wie auch in anderen Studien festgestellt, gerade auch durch Handeln der Bürokratie; man kann Staatseingriffe von daher als einen Faktor ansehen, der die Konstitution der klassischen deutschen Universität seit ihrer Entstehung begleitete und bestimmte.

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  19. In ihrer berühmten Studie über die amerikanische Universität heben Parsons/Platt (1973) hervor, daß politische Sozialisation durchaus zu den Aufgaben der universitären Ausbildung gehört. Dies liegt freilich in der speziellen Organisationsstruktur der amerikanischen Universität, nämlich an ihrem College-“Unterbau”, der diese Aufgabe übernimmt. In Deutschland wäre diese Stufe mit der gymnasialen Oberstufe, also einem Teil einer anderen Institution und eines anderen Systems, vergleichbar.

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  20. Dies ist einer der wesentlichen Grunde dafür, warum es theoretisch und praktisch sich als immer wieder unmöglich erwiesen hat, in Analogie zu den Didaktiken der verschiedenen Schulstufen und -typen eine Hochschuldidaktik zu konzipieren und praktisch relevant zu machen. Neben einsehbaren hochschulpolitischen Widerständen gegen ein solches Unternehmen bleibt hier als systematisches Problem immer die bis jetzt theoretisch weitgehend ungeklärte Frage: Was soll denn eigentlich einen guten Hochschullehrer ausmachen? Pädagoge im Sinne eines Schullehrers darf er nämlich im Wissenschaftssystem gar nicht sein.

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© 1988 Friedr. Vieweg & Sohn Verlagsgesellschaft mbH, Braunschweig

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Klüver, J. (1988). System und allgemeine Arbeit: Die Ausdifferenzierung der Wissenschaft. In: Die Konstruktion der sozialen Realität Wissenschaft: Alltag und System. Wissenschaftstheorie Wissenschaft und Philosophie. Vieweg+Teubner Verlag, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-322-85317-2_2

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  • DOI: https://doi.org/10.1007/978-3-322-85317-2_2

  • Publisher Name: Vieweg+Teubner Verlag, Wiesbaden

  • Print ISBN: 978-3-528-06314-6

  • Online ISBN: 978-3-322-85317-2

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