Zusammenfassung
Auf den ersten Blick erscheint die kulturelle und kulturpolitische Situation wohl geordnet. Die politische Führung der DDR konnte sich seit Ende der sechziger Jahre aus der Umklammerung von einem allmächtigen bildungsidealistischen Kulturkonzept lösen. Sie begreift Kultur nunmehr in einem weit verstandenen und die Massenkultur generell positiv einbeziehenden Sinne. Zwar gab es schon bald nach Kriegsende vielversprechende Ansätze, mit Chören, Laienspiel-und Volkstanzgruppen eine neue Tradition der Volkskunst zu begründen; im übrigen wurden die entscheidenden Segmente der Massenkultur wie Unterhaltung, Schlager, Werbung, die internationalen Formen der Massenmedien und der Mode bis in die sechziger und auch siebziger Jahre explizit negativ, in der Kritik an ihren „kapitalistischen“ Formen bestimmt. Verbunden mit der veränderten Wahrnehmung der Massenkultur, wurden in jüngerer Zeit die Produktionsbedingungen der kulturellen Prozesse in großem Stil erweitert. Die Anzahl der in kulturellen Einrichtungen Beschäftigten stieg und verknüpft damit vergrößerte sich das Repertoire an institutionellen Angeboten an die „Kulturschaffenden“ sowie an die Gruppen der Mittler und Rezipienten. Die jährlich bereitgestellten Investitionsmittel erreichten bisher unbekannte Höhen. Unübersehbar intensivierte sich die Verflechtung der Politikfelder von Wirtschaft, sozialer Sicherung und Kultur. Erstmals wurde die Unterhaltung als ein Politikfeld wahrgenommen, das einer theoretischen Grundlegung und praktischer Konzepte bedurfte. Der ideologische Rahmen dafür war 1976 in dem neuen Parteiprogramm der SED abgesteckt worden. Das Programm verspricht den Massen in der gegenwärtigen sozialistischen Entwicklungsphase der DDR die ständige Erhöhung des „materiellen und kulturellen Lebensniveaus“ und erkennt darin zugleich Voraussetzungen für den allmählichen Übergang zum Kommunismus.
Eine erste Fassung dieses Beitrages lasen Wolfram Bauer und Birgit Sauer, beide Berlin, denen ich für ihre Anregungen danke.
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References
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Rytlewski, R. (1988). Kommunismus ante portas? Zur Entwicklung von Massenkultur und Massenkonsum. In: Glaeßner, GJ. (eds) Die DDR in der Ära Honecker. Schriften des Zentralinstituts für sozialwissenschaftliche Forschung der Freien Universität Berlin, vol 56. VS Verlag für Sozialwissenschaften. https://doi.org/10.1007/978-3-322-85308-0_36
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