Zusammenfassung
Der Begriff der „Leistungsgesellschaft“ ist insofern ein Fremdkörper in der soziologischen Terminologie, als er über seinen deskriptiven Gehalt hinaus mit normativen Vorstellungen belastet ist; wegen dieser Ambivalenz hat er sich der wissenschaftlichen Verwendung — jedenfalls in Deutschland — bisher entzogen. Wie kaum ein anderer typisierender soziologischer Begriff vereinigt er beschreibende Elemente mit einer wertenden Selbstinterpretation einer gesamtgesellschaftlichen Struktur. In sozialpolitischen Auseinandersetzungen und vor- oder halbwissenschaftlichen Stellungnahmen findet er häufig Verwendung und fungiert dort als universelles Legitimierungsprinzip, an dem jeweils bestimmte Ausschnitte der Sozialstruktur gemessen und kritisiert werden. Wenn man von diesem vorwissenschaftlichen Selbstverständnis industrieller — und wohlgemerkt nicht nur industriellkapitalistischer — Gesellschaften ausgeht, so wird man durch dessen Präzisierung daher nicht zu einer Beschreibung der Sozialstruktur selbst, jedoch zu einer Beschreibung des wichtigsten status-legitimierenden Organisationsprinzips kommen, das diese Gesellschaften selbst als verbindlich akzeptieren oder sogar als erfüllt ausgeben. Unter ‚Leistungsgesellschaft‘ ist zunächst also nur ein zur Norm erhobenes und vielfältig institutionalisiertes Modell der sozialen Prozesse zu verstehen, die den Status von Individuen bestimmen und sanktionieren.
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Anmerkungen
H. Kluth, Amtsgedanke und Pflichtethos in der Industriegesellschaft, Hmb. Jb. 10 (1965), S. 11–22, hier S. 18.
Das hat Marx kritisiert. Vgl. K. Marx, Kritik des Gothaer Programms, Berlin 1955.
F. Fürstenberg, Probleme der Lohnstruktur, Tübingen 1958.
Vgl. M. Young, The Rise of Meritocracy, London: Tames and Hudson 1958 (dt.: Es lebe die Ungleichheit, Köln 1961).
Vgl. L. Hack, Was heißt schon Leistungsgesellschaft?, neue kritik 7 (1966), H. 35, S. 23–32.
a.a.O., S. 28/29.
The Triple Revolution, Manifest des Ad Hoc Committee on the Triple Revolution, Santa Barbara 1964, p. 7.
Vgl. H. P. Bahrdt, Industriebürokratie, Stuttgart 1958, S. 123.
Vgl. Th. Luckmann und P. Berger, Social Mobility and Personal Identity, Eur. Arch. f. Soz. 5 (1964), pp. 331–344.
Vgl. W. Baldamus, Der gerechte Lohn, Berlin 1960.
a.a.O., S. 77.
Vgl. M. M. Tumin, Rewards and Task Orientation, American Sociological Review 20 (1955).
a.a.O., p. 421.
a.a.O., p. 419.
a.a.O., p. 421.
Vgl. T. H. Marshall, Class, Citizenship, and Social Development, Anchor Books 1963; P. F. Drucker, The Employee Society, American Journal of Sociology 58 (1952), pp. 358-363.
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Offe, C. (1977). Leistungsprinzip und industrielle Arbeit. In: Hartfiel, G. (eds) Das Leistungsprinzip. Universitätstaschenbücher, vol 533. VS Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-322-85262-5_7
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