Zusammenfassung
Musizierende Frauen haben — auf den ersten Blick — wenig mit Revolutionen zu tun.’ Das liegt an ihrem unbegrifflichen Medium, das politische Botschaften nur mit Hilfsmitteln, zum Beispiel Texten, oder mit umständlichen Chiffrierungen transportieren kann. In Malerei und Literatur, die gesellschaftliche Realität unmittelbarer ausdrücken und beeinflussen können, sind revolutionäre Inhalte direkter eingegangen; auch der historischen Recherche erschließen sich diese Inhalte leichter. Keine der bürgerlichen Revolutionen hat im Konzertsaal oder im Opernhaus stattgefunden, und erst recht eignet sich die Hausmusik, der wichtigste Raum weiblichen Musizierens um 1800, nicht zur politischen Proklamation. Als 1830 in Brüssel mit Aubers “La muette de Portici” eine Opernaufführung zum Fanal des Aufstandes wurde, war die Musik, oder mehr noch das Libretto, nicht der Ort der Revolution, sondern nur ihr auslösendes Moment. Die Beispiele, wo im revolutionären Geschehen musizierende Frauen vorkommen, sind entsprechend selten: etwa der Fall der Pianistin und Komponistin Hélène de Montgéroult, 1795 bis 1798 Professorin am Pariser Nationalkonservatorium, die bereits zur Guillotine verurteilt war und ihr Leben nur dadurch retten konnte, daß sie sich bereit erklärte, vor dem Tribunal des “Comité du salut public” die Marseillaise zu spielen.2 Oder, falls eine Lithographie von Auguste Raffet nicht nur metaphorisch gemeint ist, die Revolutionärinnen, die 1789 Trommel schlagend durch die Pariser Straßen zogen.
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Literatur
Es handelt sich um die leicht gekürzte und geänderte Fassung eines Vortrags, der im Sommersemester 1988 an der Universität Oldenburg im Rahmen einer Vortragsreihe über “Revolution oder Ungehorsam?” gehalten wurde.
Art. Montgéroult in: Encyclopédie de la musique, hg. von François Michel, François Lesure und Vladimir Fédorov, 3 Bände. Paris 1958–1961.
Carola Lipp: Katzenmusiken, Krawalle und ‘Weiberrevolution’. Frauen im politischen Protest der Revolutionsjahre. In: Schimpfende Weiber und patriotische Jungfrauen. Frauen im Vormärz und in der Revolution 1848/49, hg. von Carola Lipp. Moos und Baden-Baden 1986, S. 112–130.
Freia Hoffmann: Instrument und Körper. Die musizierende Frau und ihre Wahrnehmung in der bürgerlichen Kultur 1750–1850. (Habilitationsschrift Oldenburg 1987) Frankfurt/Main 1991.
Carl Ludwig Junker. Vom Kostüm des Frauenzimmer Spielens, in: Musikalischer und Künstler-Almanach auf das Jahr 1783, “Cosmopolis” 1783, S. 94 f.
Allgemeine Wiener Musikzeitung II (1842), S. 190.
Allgemeine Musikalische Zeitung XXIV (1822), Sp. 151.
Möglicherweise war der Blick für die Schwierigkeiten und Leistungen professioneller Instrumentalistinnen verstellt durch die Tatsache, daß ein oberflächlicher Unterricht im Singen und Klavierspielen zu den Obligationen bürgerlicher Töchter gehörte, eine “ästhetisierende Bildung”, die z. B. von Luise Büchner zugunsten einer ernsthaften Ausbildung abgelehnt wurde: Luise Büchner, Die Frauen und ihr Beruf, Leipzig 5. Aufl. 1884, S. 56.
Art. Crux in: Baierisches Musik-Lexikon, hg. von Felix Joseph Lipowsky. München 1811.
Berlinische Musikalische Zeitung I (1793/94), S. 78.
Allgemeine Musikalische Zeitung XII (1809/10), Sp. 792.
Ebenda XXIX (1827), Sp. 136.
Jahrbücher des Deutschen Nationalvereins für Musik und ihre Wissenschaft II (1840), S. 327.
Allgemeine Wiener Musikzeitung VI (1846), S. 641.
Art. Schmidt in: Neues historisch-biographisches Lexikon der Tonkünstler, hg. von Ernst Ludwig Gerber, 4 Bände. Leipzig 1812–1814.
Art. Krähmer in: Encyclopädie der gesammten musikalischen Wissenschaften oder Universal-Lexicon der Tonkunst, hg. von Gustav Schilling. Stuttgart 2. Aufl. 1840–1842.
Allgemeine Musikalische Zeitung VIII (1805/06), Sp. 12.
Allgemeine Wiener Musikzeitung VI (1846), S. 27f.
Berliner Allgemeine Musikalische Zeitung VII (1830), S. 133.
Allgemeiner Musikalischer Anzeiger VII (1835), S. 188.
Johann Branberger. Das Konservatorium für Musik in Prag. Prag 1911, S. 36.
Allgemeine Musikalische Zeitung XIV (1812), Sp. 174 f.
Ebd., XV (1813), Sp. 758.
Erwähnungen dieser Frauen finden sich, oft allerdings mit fehlerhaften und willkürlich ausschmückenden Details, in vielen Darstellungen der Befreiungskriege. Ausführliche Würdigungen in: Otto Karstädt: Heldenmädchen und -frauen aus großer Zeit (1813), Hamburg 1913.
Friedrich Förster, zit. nach Hermann Müller-Bohn: Die deutschen Befreiungskriege. Deutschlands Geschichte von 1806–1815, 2 Bände. Berlin [o. J.], Bd. II, S. 564 f.
Ebd., S. 565.
Rückerts Werke, hg. von Georg Ellinger, Bd. I, Leipzig u. Wien o. J., S. 73 f.
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Hoffmann, F. (1991). “... nahm sie statt der Flöte das Schwert”. In: Brandes, H. (eds) ‚Der Menschheit Hälfte blieb noch ohne Recht‘. Deutscher Universitätsverlag. https://doi.org/10.1007/978-3-322-85254-0_9
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Publisher Name: Deutscher Universitätsverlag
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