Zusammenfassung
Macht provoziert — immer noch. Auch wenn ‚Macht‘ lebensweltlich wie theoretisch zunehmend Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen vermag, so ist deren Auseinandersetzung doch immer wieder von enormen Vereinfachungen und irreführenden Kontrastierungen durchzogen, die Begriffsdurchsicht wie Problemdurchstieg empfindlich beschweren: nicht nur, weil Popularität und Diffusität eines Begriffs sich auch hier gegenseitig bedingen, so dass die vermeintliche „Evidenz des Phänomens“ die grassierende „Unklarheit des Begriffs“ (Luhmann 1969: 149) nur verstärkt; auch nicht nur, weil auch der Begriff der Macht als alltäglich fest verankerter Begriff der Dominanz lebensweltlicher Bedeutungszuschreibungen nur selten zu entkommen vermag, so dass Versuche einer begrifflichen Präzision und systematischen Neujustierung gegenüber der enormen Beharrungskraft eingewöhnter Bedeutungen oft bloß vergeblich sind und weitgehend folgenlos bleiben; sondern vor allem, weil die alt eingewöhnte Einschätzung, „dass die Macht an sich böse ist“ (Burckhardt 1949: 61), immer noch deren Thematisierung,unterfüttert’ und so in zwar längst überholte, aber umso wirksamere Blockierungen verfuhrt. Luhmanns gewohnt spitze wie treffsichere Kennzeichnung — „Die Macht der Macht scheint im wesentlichen auf dem Umstand zu beruhen, dass man nicht genau weiß, um was es sich eigentlich handele“ (Luhmann 1969: 149) — mag daher einleuchten, lässt aber auch leicht übersehen, dass Macht sich auch deswegen einer einfachen begrifflichen Fassung und Festlegung entzieht, weil deren Bedeutung von weitreichenden Vorverständnissen abhängt und sich — schließlich — nicht unabhängig von menschlichen Selbstdeutungen erläutern lässt.
„Nothing appears more surprising to those who consider human affairs with a philosophical eye than the easiness with which the many are governed be the few.“
David Hume
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Ricken, N. (2004). Die Macht der Macht — Rückfragen an Michel Foucault. In: Ricken, N., Rieger-Ladich, M. (eds) Michel Foucault: Pädagogische Lektüren. VS Verlag für Sozialwissenschaften. https://doi.org/10.1007/978-3-322-85159-8_7
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