Zusammenfassung
Im hier vorliegenden Beitrag soll die Rolle von direkt gewählten Bürgermeistern in neuen, komplexen Formen des Regierens am Beispiel zweier deutscher Städte, Hannover und Heidelberg, und hier jeweils anhand von zwei Initiativen in verschiedenen Politikfeldern thematisiert werden, nämlich der lokalen Wirtschaftsförderung und der Stadtentwicklungspolitik. Da diese Fallstudien im Rahmen eines internationalen Forschungsprojektes erstellt wurden, fur welches in sieben weiteren europäischen Ländern ebenfalls jeweils zwei Politikinitiativen in jeweils zwei Städten analysiert wurden, sollen die deutschen Fälle (im Abschnitt 4) auch in einem europäischen Kontext vergleichend eingeordnet werden.82
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Literatur
Das von der Europäischen Kommission im 5. Forschungsrahmenprogramm finanzierte Projekt „Participation, Leadership and Urban Sustainability“ (PLUS) umfasste neben den deutschen Städten Fallstudien zu Bristol und Stoke-on-Trent in Großbritannien, Oslo und Bergen in Norwegen, Stockholm und Göteborg in Schweden, Enschede und Roermond in den Niederlanden, Warschau und Ostrow Wielkopolski in Polen, Turin und Cinisello Balsamo in Italien sowie Athen und Volos in Griechenland. Außerdem wurden in Neuseeland für die Städte Christchurch und Waitakere Analysen durchgeführt. Die Berichte der Länderteams können unter der Adresse http://www.plus-eura.org/researchfindings.htm abgerufen werden. Zentrale Ergebnisse des Gesamtprojektes haben in zwei Buchpublikationen Niederschlag gefunden (Haus et al. 2005, Heinelt et al. 2005), eine Monographie zu den deutschen Fällen befindet sich ebenfalls im Erscheinen (Egner et al. 2005).
Auch wird, zumindest in der Elsterschen Variante des „Rational Choice“-Ansatzes, nicht die Auffassung vertreten, dass sich gesellschaftliche Ordnung insgesamt als Resultat von Nut-zenmaximierungsstrategien rekonstruieren lassen könnte. Elster hält es z.B. nicht für möglich, dass Gesellschaften ganz ohne die Anerkennung sozialer Normen ihre Ordnung aufrechterhalten können, und er schließt zugleich aus, dass die Geltung sozialer Normen aus Nutzenmaximierungsstrategien abzuleiten ist (Elster 1989).
Nullmeiers Feststellung, dass „in interpretativer Sicht […] Institutionen, Ressourcen, Zwänge und Chancen […] nur als akteurseigene Interpretationskonstrukte in politisches Handeln ein[gehen]“ (1993: 176), scheint in diese Richtung zu laufen. Dass Institutionen usw. in Interpretationskonstrukte „eingehen“, impliziert jedoch, dass ihre Existenz nicht allein eine Konstruktion des Akteurs ist — und forschungspragmatisch kommt es dann darauf an, triviale Formen des „Eingehens” von anspruchsvollen oder auch kühnen Interpretationsleistungen zu unterscheiden.
Für Claus Offe ist die nachträgliche „Reue“ über das stadtplanerische Leitbild der „autogerechten Stadt“ ein geradezu evidentes Beispiel dafür, dass der Volkswille irren kann, womit gemeint ist, „daß ‘wir’, d.h. die Gesamtheit der Aktivbürger, bereits zum Zeitpunkt der Entscheidung moralisch und kognitiv imstande gewesen wären oder hätten sein müssen, die miß-lichen Entscheidungsfolgen […] vorausblickend in Rechnung zu stellen und demgemäß anders und besser zu entscheiden“ (Offe 1992: 130). Jenseits der Selbst- oder Fremdanklage wirft diese Einsicht die Frage nach den Institutionen und Verfahren auf, die dazu verhelfen können, dass das prinzipiell Erkennbare auch zum normativ und rechtlich Verbindlichen werden kann.
Unter „Legitimation“ verstehen wir Möglichkeiten der Rechtfertigung von Machtausübung bzw. Institutionalisierung politischer Autorität. „Legitimität“ steht für eine gelungene Rechtfertigungspraxis (Legitimation), wobei demokratische Systeme auf eine Vermittlung der drei angeführten Dimensionen angewiesen sind.
Siehe Bogumil 2001, wo Entwicklungsstränge verschiedener Art, darunter die Direktwahl der Bürgermeister, als — nicht unbedingt intendierte — Beförderung einer „verhandlungsdemokratischen“ Operationsweise lokaler Politikprozesse analysiert werden. Siehe auch Haus 2003b, wo ebenfalls ein Bündel zentraler Reformtrends als Bedingungsfaktoren für eine verstärkte Bedeutung von „interactive governance“ ausgewiesen wird.
Konnte die Studie Putnams auf ähnliche Kompetenz- und Finanzausstattungen der Regionalregierungen verweisen, um den Unterschied des Outputs auf kulturelle Faktoren (Sozialkapital) zurückzufuhren, so leben die Policy-Output-Studien meist von einer Korrelation zwischen variierenden institutionellen Faktoren und Politikwirkungen (impacts), etwa Arbeitslosenziffern. Diese Studien können aber aufgrund ihrer statistischen Vorgehensweise weder den Handlungsmöglichkeiten von Akteuren gerecht werden (es geht letztlich darum, den „Anteil“ der durch institutionelle Faktoren „erklärten“ Varianz zu bestimmen) noch reflektieren sie die Frage der inhaltlichen Qualität (d.h. auch: prozeduralen Legitimität) getroffener Entscheidungen — wobei letztlich selbst das Kausalverhältnis zwischen Entscheidungen und Wirkungen eher vorausgesetzt als thematisiert wird.
S. Goodins Ausführungen zu „robustness“ und „revisability“ als zwei zentralen Kriterien gelungenen Institutionendesigns (Goodin 1996: 39–42).
Daten aus dem Projekt „Political Leaders in European Cities“, in dessen Rahmen die Bürgermeister europäischer Städte befragt wurden. Die Datenerhebung in der Bundesrepublik wurde von den Autoren des Beitrags durchgeführt.
Zu Stellung und Funktion des Planungsanwalts siehe weiter Joppke/Kuklinski 1997.
Auf die Gründung der Region Hannover aus dem ehemaligen Landkreis und der Landeshauptstadt Hannover soll hier nicht eingegangen werden (vgl. dazu Fürst 2005).
In der von der Einwohnerzahl mit Heidelberg vergleichbaren hessischen Stadt Darmstadt besteht die Stadtverordnetenversammlung z.B. aus 71 Mitgliedern.
So hat sie auf die Grenzen von „Kategorien wie Gewinnorientierung und (oft kurzfristigem) betriebswirtschaftlichem Denken“ hingewiesen, mit denen beispielsweise „Aufgaben der präventiven Jugendpolitik in sozialen Brennpunkten nicht zu bewältigen“ seien (Weber 1997: 301). Wenn etwa als Erfolg städtischer Sozialarbeit die Zahl der Heimeinweisungen von Jugendlichen in einem problematischen Quartier stark sinke, zahle sich das pekuniär nicht unbedingt für die Kommune aus. Die langfristigen sozialen Integrationsziele seien dann einer Kosten-Nutzen-Transparenz vorzuziehen.
Bei der ersten Stadtteilrahmenplanung war dies freilich nicht der Fall (s.u.).
Geht man die Liste der in den Workshops vorgeschlagenen Maßnahmen durch, so wurde auch ohne förmlichen Beschluss des Gemeinderates ein Großteil von ihnen verwirklicht. Der Fall zeigt jedoch, dass die Beteiligung von Bürgern in der Stadtteilrahmenplanung schon aufgrund der zeitlichen und terminlichen Rahmung nicht dazu dienen kann, Entscheidungen über konfliktbehaftete Gegenstände herbeizuführen. Sie würde durch derartige Zuspitzungen eher belastet. Dies zeigt sich auch an den „Bepunktungen“ von Maßnahmevorschlägen in den Workshops. Diese führen z.T. zu sich widersprechenden, z.T. zu unterschiedlich interpretierbaren Voten. Zur Konfliktschlichtung bei hochgradig umstrittenen Fragen empfehlen sich intensivere Beteiligungsformen wie Planungszellen oder Gesprächsforen.
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Haus, M., Egner, B., Heinelt, H. (2005). Direkt gewählte Bürgermeister und neue Formen des Regierens. In: Bogumil, J., Heinelt, H. (eds) Bürgermeister in Deutschland. Stadtforschung aktuell, vol 102. VS Verlag für Sozialwissenschaften. https://doi.org/10.1007/978-3-322-85142-0_6
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