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Fazit: »Lästige Ausländer« und Zerstreuungen vs. moderne Autozigeuner — interdiskursive Formationen und symbolische Äquivalenzen in den 20er Jahren

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Part of the book series: Historische Diskursanalyse der Literatur ((HDL))

Zusammenfassung

Die politische Entwicklung, mit der zu Beginn der Weimarer Republik antisemitische Positionen eine enorme Verbreiterungs- und Duchsetzungsmöglichkeit erhalten, geht einher mit neuen Frontbildungen innerhalb der Kollektivsymbolik der Wanderungsbewegungen. Unter dem allgegenwärtigen Stichwort vom »lästigen Ausländer« stabilisiert sich die Verbindung von ›ostjüdischer Zuwanderung‹ mit einer Serie symbolischer Äquivalenzen wie Überschwemmung, nomadische Masse, Zerstreuung, Ansteckung, Bazillen, Parasiten und Ungeziefer. Das zeitgenössische medizinisch-hygienische Wissen mit seinen Relationen zur massendynamischen Symbolik auf der einen und zur Problematisierung der Wanderungsbewegungen auf der anderen Seite unterstützt diese Gleichsetzung und die implizierten festen Grenzziehungen. An zahlreichen Beiträgen aus der »Umschau« der zwanziger Jahre läßt sich erkennen, wie diese interdiskursive und symbolische Konfiguration zusätzliche Evidenzen auch über den politischen Bereich im engeren Sinne hinaus erhält. Denn während in der Nachkriegszeit Bazillen, Ungeziefer und Seuchen als Symbolisanten nomadischer Massendynamik fungieren, werden sie selbst zum interdiskursiven Gegenstand, der vor allem durch Fotos und Abbildungen auch seine spezifische Sichtbarkeit erhält.

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Literatur

  1. Dr. Hans Walter Frickhinger: Was wir heute vom Leben und der Bekämpfung der Bettwanze wissen. In: Die Umschau. Wochenschrift über die Fortschritte in Wissenschaft und Technik. 23. Jg., Nr. 3 (11.1.1919), S. 40–43, hier S. 40. Da die Titel der Verfasser bei den Beiträgen in der »Umschau« besonders hervorgehoben werden, um die jeweiligen Autoren als Spezialisten auszuweisen, seien sie auch hier genannt.

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  2. Dr. Heinrich Prell: Die Gefahr der Malariaeinschleppung nach Deutschland. In: Umschau, 23. Jg., Nr. 4 (18.1.1919), S. 56–58.

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  3. Vgl. u.a.: »Das Papatacifieber und seine Überträger«. In: Umschau, 23. Jg., Nr. 15 (12.4.1919), S. 227–230; »Ein neues Entseuchungsverfahren«. In: Umschau, 23. Jg., Nr. 21 (24.5.1919), S. 327–328; hier wird u.a. betont, daß nach dem »heutigen Stand der Seuchenlehre« neben die »Vernichtung der Krankheitserreger« auch »der Kampf gegen die verschiedenen Lebewesen aus dem Insektenreiche, welche zu Verbreitung der Krankheitskeime beitragen oder in welchen sich gewisse Entwicklungsstadien der Mikroorganismen abspielen«, trete. »Die Ratten als Verbreiter der ansteckenden Gelbsucht«. In: Umschau, 24. Jg., Nr. 11 (13.3.1920), S. 210; »Zur Bekämpfung der Fliegenbrut«. In: Umschau, 24. Jg., Nr. 18 (8.5.1920), S. 318–321; »Der Feldzug gegen die Ratten«. In: Umschau, 25. Jg, Nr. 10, (5.3.1921), S. 122; hier wird auf in der Umschau bereits wiederholte Berichte über die »Gefährlichkeit der Ratten als Seuchen-, besonders Pest-Verbreiter« verwiesen; »Gase gegen Parasiten«. In: Umschau, 25. Jg., Nr. 15 (9.4.1921), S. 192; berichtet wird über Versuche mit Rindern. Dazu werden auch immer neue »Bilder« von Parasiten etc. geliefert; vgl. etwa »Die Erkennung der Krätzemilben mit dem Hautmikroskop«. In: Umschau, 24. Jg., Nr. 10 (6.3.1920), S. 187–189.

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  4. Dr. Georg Volff: Die Ergebnisse der Fleckfieberforschung. In: Umschau, 23. Jg. Nr. 24 (14.6. 1919), S. 376–379, hier S. 376.

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  5. Dr. Friedrich Zacher: Eingeschleppte Vorratsschädlinge. Gefahren für unser Wirtschaftsleben. In: Umschau, 26. Jg., Nr. 5 (29.1.1922), S. 66–71.

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  6. »Fremde Eindringlinge«. In: Umschau, 27. Jg., Nr. 13 (31.3.1923), S. 204.

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  7. A. (= Adolf) Gottstein: Die russische Gefahr. In: Umschau, 26. Jg., Nr. 18 (30.4.1922), S. 273–277.

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  8. Dr. Alfred Freymuth: Parasitenbekämpfung mit chemischen Mitteln. In: Umschau, 26. Jg., Nr. 40 (7.10.1922), S. 630–631, hier S. 630.

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  9. »Blausäure-Durchgasung«. In: Umschau, 30. Jg., Nr. 7 (13.2.1926), S. 138–140. Ausgangspunkt des Artikels ist die von »den Engländern« beim Wechsel der Besatzungstruppen geforderte Desinfektion der bisher »von den Franzosen« benutzten Wohnungen und Kasernen. Woraufhin die »deutschen Behörden« die »Durchgasung mit Blausäure« angeordnet hätten, »da dies die sicherste Methode« sei, »um alle menschlichen Parasiten: Wanzen, Flöhe, Läuse und ihre Brut zu töten«, genauso wie »Ratten, Mäuse, Küchenschaben und sonstige Schädlinge« (138). Berichtet wird außerdem von der »Durchgasung« von Schiffen, »um zu verhindern, daß evtl. von Uebersee mitgeschleppte Schädlinge sich im Inland weiterverbreiten«. Zum größten Teil beschäftigt sich der Text mit den Vorteilen des »Zyklon« gegenüber früheren Verfahren.

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  10. Vgl. Wolfgang Scheffler: Wege zur ›Endlösung‹. In: Anitsemitismus: von der Judenfeindschaft zum Holocaust. Hg. v. Herbert A. Strauss, Norbert Kampe. Frankfurt/M., New York 1985, S. 186–214, hier S. 207. Scheffler beschreibt genauer, daß »Zyclon B« zuerst 1941 in Auschwitz bei der Ermorderung russischer Kriegsgefangener angewandt wurde. Auch ein ebenfalls bei Scheffler zitierter Diskussionsbeitrag bei der Wannseekonferenz verweist auf die Relevanz des Überträger- und Seuchenmodells, und zwar unterstreicht der Staatssekretär Bühler, daß das Generalgouvernement es »begrüßen würde, wenn mit der Endlösung dieser Frage im Generalgouvernement begonnen würde«, weil u.a. »gerade hier der Jude als Seuchenträger eine eminente Gefahr bedeutet« (zit. n. Scheffler, S. 210).

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  11. Bein: Judenfrage, Bd. 1, S. 370.

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  12. Ebd., S. 364ff.

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  13. Die etwa auch in den bayerischen Ausweisungsanordnungen wichtige Figur des arm zugewanderten Ostjuden, der sich »parasitisch« auf Kosten Deutschlands schnell bereichert, ist Element des ersten Propagandafilms der NSDAP »Kampf um Berlin« (40min.) von 1929. Wie das Werbeflugblatt zum Film beschreibt, werde durch den dualistischen Aufbau der entsprechenden Bilder — »Villen und Armutsbehausungen, Warenhäuser und vernichtete Kleinkaufleute, asiatische Vergnügungstätten« etc. — »der Jude« gezeigt, »wie er ankommend klein war, wie er als Made im Berliner Speck fett wird« (zit. n. Gerhard Paul: Aufstand der Bilder. Die NS-Propaganda vor 1933. Bonn 1990, S. 190).

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  14. Vgl. Régine Mihal Friedman: Juden — Ratten. Von der rassistischen Metonymie zur tierischen Metapher in Fritz Hipplers Film »Der ewige Jude«. In: Frauen und Film 47 (1989), S. 24–35.

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  15. Vgl. Umschau, 26. Jg., Nr. 36/37 (16.9.1922), Beiblatt.

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  16. Vgl. etwa H. Lundborg: Rassenbiologie. In: Umschau, 25. Jg., Nr. 9 (28.2.1920), S. 161–163, hier S. 162.

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  17. Als insgesamt exemplarisch sei der Artikel von R. Fetscher ›Rassenhygiene‹ genannt, der die »biologische Politik« als die »große Forderung der Gegenwart« beschreibt und die USA als positives Beispiel aufführt (vgl. R. Fetscher: Rassenhygiene. In: Umschau, 29. Jg., Nr. 8 (21.2.1925), S. 145f.

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  18. Prof. Dr. P. Schultze-Naumburg: Rassenforschung, Vererbungslehre und Rassenhygiene. In: Umschau, 30. Jg., Nr. 20 (15.5.1926), S. 386–389, hier S. 389. Der Verfasser empfiehlt darüber hinaus vor allem Hans F. K. Günthers »Rassenkunde des deutschen Volkes« (1. Aufl. 1922) und verschiedene Veröffentlichungen bis hin zum Baur-Fischer-Lenz (= Erwin Baur, Eugen Fischer, Fritz Lenz: Grundriß der menschlichen Erblichkeitslehre. 1. Aufl. München 1921).

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  19. Otto Lutz: Das Problem der Auswanderung. In: Umschau, 23. Jg. Nr. 46 (20.11.1920), S. 556–662; konstitutiv ist hier außerdem die Symbolik von »Überschuß«, »Druck«, »Ventil« etc.

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  20. Julian Hirsch: Vererbungslehre und Pädagogik. In: Umschau, 28. Jg., Nr. 33 (16.8.1924), S. 621–623.

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  21. R. Fetscher: Erforschung Asozialer. In: Umschau, 30. Jg., Nr. 23 (5.6.1926), S. 448f.; Fetscher selbst plädiert mit Hinweis auf seine Forschungen und seine Darstellung im »Archiv für Rassen- und Gesellschaftsbiologie« dafür, die »Umwelt« mitzuberücksichtigen.

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  22. Dr. med. M. Friesleben, Assistent am Hygienischen Institut, Freiburg i.B.: Was kosten die erblich minderwertigen Elemente? In: Umschau, 31. Jg., Nr. 16 (16.4.1927), S. 305–307.

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  23. Prof. Dr. Hoppe-Seyler: Die Krankheiten der Landstreicher und Gelegenheitsarbeiter. In: Umschau, 31. Jg., Nr. 49 (3.12.1927), S. 1005f.

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  24. »Bazillenhuster«. In: Umschau, 25. Jg., Nr. 52 (24.12.1921), S. 786f., hier S. 787.

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  25. Medizinalrat Dr. G. Seiffert: Die Gefahren des Hustens und Niesens. In: Umschau, 27. Jg., Nr. 2 (13.1.1923), S. 21–24.

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  26. Prof. Dr. Georg Rosenfeld: Im Kampfe gegen die Tuberkulose. In: Umschau, 28. Jg., Nr. 21 (24.5.1924), S. 380–382.

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  27. »Was ist Hysterie?« In: Umschau, 24. Jg., Nr. 11 (13.3.1920), S. 212.

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  28. Prof. Dr. Friedländer: Hysterie. In: Umschau, 27. Jg., Nr. 52 (29.12.1923), S. 817–820, hier S. 818.

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  29. Dabei ergeben sich insofern auch Anologien zu dem die »Hysterie« konnotierenden »tumultuarischen Wesen«, das Wahrmund den »Nomaden« zuordnet (vgl. Wahrmund: Nomadentum).

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  30. Univ.-Prof. Dr. med. Erich Leschke: Die Grippe. In: Umschau, 31. Jg., Nr. 12 (19.3.1927), S. 221–223, hier S. 221.

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  31. Insofern bestätigt sich Sombarts Feststellung, die bei ihm jedoch mit Grauen verbunden war, nämlich daß »Masse« und »Bewegung« nicht nur die ökonomischen Prozesse, sondern auch die gesamte Kultur und das wissenschaftliche Denken ›beherrschen‹ würden.

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  32. G. Heinen: Mo-Turisten. In: Umschau 28. Jg., Nr. 4 (26.1.1924), S. 58–60.

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  33. Artur Vieregg: Mit Motorrad und Auto. In: Umschau, 31. Jg. Nr. 25 (18.6.1927), S. 509–511.

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  34. Vgl. dazu die Beschreibung des modernen »Vehikelkörpers« bei Jürgen Link. J.L.: Gibt es eine spezifisch moderne Kollektivsymbolik? Das Beispiel des symbolischen Vehikel-Körpers. In: Diagonal. Zeitschrift der Universität-Gesamthochschule Siegen 1: Zum Thema: Zeichen (1993), S. 17–33; J.L.: Normalismus; J.L. u. Ursula Link-Heer: Kollektivsymbolik und Orientierungswissen. Das Beispiel des ›Technisch-Medizinischen Vehikel-Körpers‹. In: Der Deutschunterricht 4 (1994), S. 44–55; J.L., Rolf Parr: Das Kollektivsymbol »Auto«. Normalisierende ›Körper/Vehikel‹-Katachresen in Medien und Literatur. In: UniReport. Berichte aus der Forschung der Univ. Dortmund 22 (Winter 1995/96), S. 22–29.

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  35. Mit dem Wandern beschäftigt sich ein Artikel derselben Nummer. Während hier genaue Angaben zu »Stoffwechsel« und »Verbrennungsprozeß« auch dieses Thema modernisieren, stimmen die beschriebenen Subjekteffekte — u.a. gesundheitsfördernde »Abhärtung nach außen und Verinnerlichung des Gefühls« — mit den oben gemachten Beobachtungen überein. Vgl. Prof. Fritz Eckardt: Urlaub und Wandern. In: Umschau, 31. Jg. Nr. 25 (18.6.1927), S. 512–514.

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  36. Schütz: Reichsautobahnen.

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Gerhard, U. (1998). Fazit: »Lästige Ausländer« und Zerstreuungen vs. moderne Autozigeuner — interdiskursive Formationen und symbolische Äquivalenzen in den 20er Jahren. In: Nomadische Bewegungen und die Symbolik der Krise. Historische Diskursanalyse der Literatur. VS Verlag für Sozialwissenschaften. https://doi.org/10.1007/978-3-322-85122-2_10

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