Zusammenfassung
Da die „ideologische Klärung“ im zentralen PV als der höchsten Ebene der parteiinternen „Öffentlichkeit“ nach dem 25. Oktober 1946 in Theoriediskussionen nicht offen thematisiert und kontrovers ausgetragen, sondern nur indirekt als beispielhaft angesprochen wurde1, kamen die vorhandenen Differenzen eher dann in den Vorständen zum Ausdruck, wenn aktuelle Probleme der Disziplin, der „Linie“ und über die Bindungen zur Partei oder über ihre Effektivität und Resonanz in der Bevölkerung zur Sprache kamen, die es notwendig machten, daß über Strategie und Taktik diskutiert wurde. Das geschah z.B. als gefragt wurde, ob alle Genossen begriffen hätten, daß eine „marxistische“ Blockpolitik mit den Bürgerlichen oder eine Einheitspartei mit der SPD erforderlich sei, ob die SED in der Berliner Stadtverordnetenversammlung den Besatzungsmächten durch Verweigerung trotzen sollte — so wie die SPD-Fraktion es zu tun drohte -, ob sie Abstriche an ihrem Ziel vornehmen sollte, in Deutschland einen Einheitsstaat zu errichten, weil die Siegermächte sich verpflichtet hatten, Deutschland zu dezentralisieren und die Russen offenbar bereit waren, den Westmächten eine zweite Kammer zu konzidieren. Schließlich ging es auch um die Frage, ob und wie in einer Grundsatzerklärung von „Freiheit der Persönlichkeit“ die Rede sein sollte und ob das Wort „Freiheit“ nicht besser durch das Wort „Demokratie“ zu ersetzen sei.
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Literatur
Im November 1946 erschien in Nummer 6 der vom PV der SED herausgegebenen theoretischen Zeitschrift Einheit ein Artikel von Rudolf Appelt über den „neuen Typus der Demokratie“ in Ost- und Südosteuropa. Der „neue Typus der Demokratie“ sei nicht bürgerlich-kapitalistisch wie in den westlichen Ländern und nicht sozialistisch wie in der Sowjetunion, sondern unterscheide sich von beiden Formen und stehe zwischen ihnen. Deutschlands Zukunft sah der Autor in der Schaffung einer ebensolchen Volksdemokratie, da formale Demokratie nach Weimarer Vorbild „die für Deutschland so dringend notwendige Umgestaltung der gesellschaftlichen Verhältnisse nicht bringen würde“. Rudolf Appelt, Ein neuer Typus der Demokratie. Die Volksdemokratien Ost- und Südosteuropas, in: Einheit. Theoretische Monatsschrift für Sozialismus, Heft 6, 1946, S. 339–352. Die Diskussion theoretischer Fragen entzündete sich in der Folgezeit vor allem an dem von der SED vorgelegten Entwurf für eine „Verfassung der Deutschen Demokratischen Republik“, doch wurde auch die Demokratiedebatte immer wieder aufgegriffen. So bezeichnete Frida Rubiner in Heft 4 der Einheit vom April 1947 die „Diktatur des Proletariats“ als ein „Vorbild der Demokratie, wie es nicht besser zu wünschen sei“, ließ aber offen, ob die Herrschaft der Arbeiterklasse unbedingt jene Form der Diktatur des Proletariats durchschreiten müsse, „die wir nach der Oktoberrevolution in Rußland kennengelernt haben“.
Frida Rubiner, Diktatur und Demokratie. Zur Klärung viel mißbrauchter Begriffe, in: Einheit, Heft 4, 1947, S. 341.
Protokoll, Sitzung des Sekretariats des LV der SED Mecklenburg mit Vertretern des ZS (Gniffke und Dahlem) und Herren der Landesverwaltung, 29.5.1946, in: Mecklenburgisches Landeshauptarchiv Schwerin, SED-BPA Schwerin IV/2/3/77.
Protokoll, Sitzung des Provinzialvorstands der SED Provinz Sachsen, in Halle am 29.10.1946, in: Landesarchiv Merseburg des Landes Sachsen-Anhalt, SED-BPA Halle IV/L-2/1/1.
Sekretariatssitzung der SED LV Mecklenburg, 21.10.1946, in: Mecklenburgisches Landeshauptarchiv Schwerin, SED-BPA Schwerin IV/2/3/77.
Werner Eggerath und Heinrich Hoffmann, Vorsitzende der SED Thüringens, an den Chef der zivilen Verwaltung der SMA Thüringens, Garde-Generalmajor Kolesnitschen-ko, Weimar, 6.1.1947, in: SAPMO BArch, NY 4090/314.
Protokoll, Bln LV der SED, 1.2.1947.
Protokoll, Bln LV der SED, 21.2.1947.
Protokoll, PV der SED, Nr. 11, 21.–22.5.1947.
Protokoll, PV der SED, Nr. 12, 1.–3.7.1947.
Protokoll, Bln LV der SED, 26.7.1947.
Protokoll, Bln LV der SED, 2.8.1947.
Siehe hierzu Malycha, Auf dem Weg zur SED (Anm. E/14).
Stenographische Niederschrift der Sitzung des erweiterten Zentralsekretariats, Mittwoch, den 7. August 1946, im Parteihaus von Berlin, in: DY 30 IIV 2/2.1/1–23.
Vgl. Kap. 9.3.7.
Protokoll, PV der SED, Nr. 13, 20.–21.8.1947.
Im Neuen Deutschland vom 14. August 1947 hatte Fred Oelßner über „das Wesen der Blockpolitik“ geschrieben und den Unterschied zwischen Blockpolitik und Koalitionspolitik zu definieren versucht. In der SED-Presse sowie in der theoretischen Zeitschrift Einheit war die Blockpolitik 1947 und 1948 Gegenstand vieler Erörterungen.
Nach der sog. Sechziger-Konferenz von Funktionären der KPD und SPD am 20./21. Dezember 1945 interpretierten die Kommunisten ihre in einem Überrumpelungsmanöver vorgelegte und hastig angenommene Entschließung in dem Sinn, daß zwischen den beiden Parteien völlige Übereinkunft über die Modalitäten zur Schaffung der Einheitspartei herrschen würde. Tatsächlich aber hatten die Sozialdemokraten an der Forderung nach einem Reichsparteitag festgehalten und auf eigenen Kandidatenlisten, also auf Konkurrenz, bei bevorstehenden Wahlen bestanden. Sie hatten es aber versäumt, ihre Auffassung sofort in einer Erklärung zu der Entschließung zu fixieren. Vgl. Hurwitz, Anfänge (Anm. E/4), S. 665–680; Malycha, Auf dem Wege zur SED (Anm. E/14), S. LXXXV.
Vgl. Tagung des LV der SED Mecklenburg mit den 1. Kreisvorsitzenden, 20.9.1946, in: Mecklenburgisches Landeshauptarchiv Schwerin, SED-BPA Schwerin IV/2/118–12.
Protokoll, erw. ZS-Sitzung, 7.8.1946 (Anm. 6/13).
Protokoll, Sekretariat des Kreisverbandes Zwickau mit Mitgliedern der Stadtverwaltung u. Landratsamt, 20.6.1946, in: Sächsisches Hauptstaatsarchiv, Zweigstelle Chemnitz, SED-BPA Chemnitz IV/4/21/102.
Protokoll, erw. Sekretariat des LV der SED Sachsen, 3.9.1946, in: Sächsisches Hauptstaatsarchiv Dresden, SED-BPA Dresden A/778.
Protokoll, Bezirkssekretariat der SED Chemnitz, 7.9.1946, in: Sächsisches Hauptstaatsarchiv, Zweigstelle Chemnitz, SED-BPA Chemnitz,IV 5/1/194.
Protokoll, erw. Sekretariat des LV der SED Sachsen, 3.9.1946.
Protokoll, Sekretariatsbesprechung, SED Provinz Sachsen, 23.10.1946, in: Landesarchiv Merseburg des Landes Sachsen-Anhalt, SED-BPA Halle IV L-2/3/88.
Protokoll, Bezirksvorstand der SED Leipzig, 28.11.1946, in: Sächsisches Staatsarchiv Leipzig, SED-BPA Leipzig, IV BV/02.
Protokoll, PV der SED, Nr. 12, 1.–3.7.1947.
Protokoll, 2. Landestag der SED Thüringen, 6.–7.9.1947, in: Thüringisches Hauptstaatsarchiv Weimar, SED-BPA Erfurt IV L/A-003.
Protokoll, erw. ZS-Sitzung, 7.8.1946 (Anm. 6/13).
Protokoll, Bln LV der SED, 1.10.1947.
Vgl. Kap. 10.1.2. und Kap. 11.1.2.2.
Rolf Badstübner, Gründung der SED. Zur Selbstzerstörung einer Legende, in: Utopie kreativ, März 1996, S. 25.
Stephen E. Cohen, Bukharin and the Bolshevik Revolution. A Political Biography, 1888–1938, Oxford 1971, S. 156 f.
Protokoll, außerordentliche Sitzung des PV der SED, Nr. 7, in: DY 30 IV 2/1/012.
Protokoll, Bln LV der SED, 16.8.1946, in: Bln BPA IV L-2/1/009.
Protokoll, PV der SED, Nr. 7, 14.11.1946.
Der Verfassungsentwurf der SED, in: Sozialistische Bildungshefte, 2. Jg., Nr. 1 (zum politischen Schulungsabend im Januar 1947).
Protokoll, PV der SED, Nr. 7, 14.11.1946.
Entwurf einer Verfassung für die Deutsche Demokratische Republik, in: Dokumente der SED, Berlin 1951, S. 114–137.
Protokoll, PV der SED, Nr. 7, 14.11.1946.
Protokoll, PV der SED, Nr. 10, 26.–27.3.1947.
Protokoll, Bln LV der SED, 26.7.1947.
Wenn nicht anders angegeben im folgenden nach: Protokoll, Bln LV der SED, 21.3.1947.
Protokoll, Parteiausschußsitzung mit der Fraktion der SPD, 17.3.1947, in: Berlin-Projekt H. Hurwitz, ZI SoWiFo.
Protokoll, Bln LV der SED, 4.1.1947.
Protokoll, PV der SED, Nr. 12, 1.–3.7.1947
Vgl. Kap. 1.3.
Dokumente der SED — Beschlüsse und Erklärungen des Zentralsekretariats und des Parteivorstandes, Bd. 1, Berlin 1951, S. 218.
Ebd., S. 91–97.
Ebd., S. 116.
Protokoll, PV der SED, Nr. 12, 1.–3.7.1947.
Protokoll, Bln LV der SED, 26.7.1947.
Im Neuen Deutschland vom 12. Juli 1947 erschien der vom Parteivorstand verabschiedete Entwurf für eine Entschließung „Zur Politik der SED“, die als Diskussionsgrundlage zur Vorbereitung des 2. Parteitages gedacht war. In dem Entwurf war formuliert: „Die demokratischen Freiheiten und Grundrechte des Volkes konnten erweitert und besser gesichert werden.“In den darauf folgenden Kommentaren dazu, u.a. einen von Anton Ackermann, war die „Rolle“ bzw. die „Freiheit der Persönlichkeit“ kein Thema.
Gerhard Brass, Die Entstehung der Länderverfassungen in der sowjetischen Besatzungszone Deutschlands, 1946/47, Köln 1987, S. 67 f.
„Die Freiheit der Person ist unverletzlich. Eine Beeinträchtigung oder Entziehung der persönlichen Freiheit durch ein Organ der öffentlichen Verwaltung ist nur auf Grund von Gesetzen zulässig.“
Brass, Entstehung der Länderverfassungen (Anm. 6/53), S. 492 f. (Dok. 12), S. 504 ff. (Dok. 13), S. 525 ff. (Dok. 15); Dokumente der SED (Anm. 6/47), S. 116.
Protokoll, Bln LV der SED, 30.8.1947 in: Bln BPA IV L-2/1/021.
Berlin. Quellen und Dokumente 1945–1951, 2. Halbband, Berlin 1964, Dok. 1088, S. 1941.
Ebd., S. 1942.
Vgl. Arthur Schlegelmilch, Hauptstadt im Zonen-Deutschland. Die Entstehung der Berliner Nachkriegsdemokratie 1945–1949, Berlin 1993, S. 732.
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Hurwitz, H. (1997). Das Demokratieverständnis. In: Die Stalinisierung der SED. Schriften des Zentralinstituts für sozialwissenschaftliche Forschung der Freien Universität Berlin. VS Verlag für Sozialwissenschaften. https://doi.org/10.1007/978-3-322-85091-1_7
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