Zusammenfassung
Jede Wissenschaft — die Sozialwissenschaften eingeschlossen — hat zwei miteinander verbundene Aufgaben: Entdeckung und Erklärung. Mit Entdeckung ist der Prozeß gemeint, in dem Beziehungen zwischen den Eigenschaften der Realität, die man bis dahin nicht gekannt oder nur intuitiv erfaßt hat, wahrgenommen, eindeutig festgestellt und an den Fakten überprüft werden. Die Beobachtung zum Beispiel, daß von den zwei täglichen Meeresfluten eine der Bewegung des Mondes über den Meridian folgt, war eine Entdeckung, wenn sie auch zu einer Zeit gemacht wurde, als es Wissenschaft im modernen Sinn noch nicht gegeben hat. Diese Entdeckung setzte die Gezeiten zum Zeitablauf und zur Bewegung des Mondes in Bezug. Die Erklärung ist der Nachweis, daß die entdeckten besonderen Beziehungen unter bestimmten Bedingungen logisch aus allgemeineren Beziehungen abzuleiten sind. So besteht beispielsweise die Erklärung dafür, daß es zwei Gezeiten gibt — eine Erklärung, die man erst lang nach der Entdeckung der Tatsache selbst gefunden hat —, im Nachweis der Ableitbarkeit der Phänomene aus dem Gravitationsgesetz unter den spezifischen Bedingungen, daß die Erde großteils mit Wasser bedeckt ist, daß sich die Erde um ihre Achse dreht und daß sich der Mond in einer Bahn um die Erde bewegt. Die Erklärung ihrerseits kann zu neuen Entdeckungen führen, wenn die allgemeinen Beziehungen zusammen mit neuen Randbedingungen Hypothesen nahelegen, die bis dahin nicht überprüft worden sind.
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Anmerkungen
G. C. Homans, Fundamental Social Processes, in: Neil J. Smelser (Hrsg.), Sociology: An Introduction, New York: Wiley, 1967. Hier ist die überarbeitete Fassung des Aufsatzes aufgenommen, die für die demnächst erscheinende 2. Aufl. des angegebenen Buches vorgesehen ist.
Für die Grundhypothesen der verhaltenstheoretischen Psychologie in ihrer Anwendung auf soziales Verhalten vgl. insbesondere B. F. Skinner, Science and Human Behavior, New York: Macmillan, 1953; A. W. und C. K. Staats, Complex Human Behavior, New York: Holt, Rinehart und Winston, 1963; G. C. Homans, Elementarformen sozialen Verhaltens, Köln und Opladen: Westdeutscher Verlag, 1968.
Dieses Beispiel stammt aus P. M. Blau, The Dynamics of Bureaucracy, Chicago: Univ. of Chicago Press, 1955, S. 99–179.
Ein gutes Beispiel bringen L. Festinger, S. Schachter und K. Back, Social Pressures in Informal Groups, New York: Harper, 1950, S. 33–59.
Vgl. insbesondere J. W. Thibaut und H. M. Kelley, The Social Psychology of Groups, New York: Wiley, 1959.
Vgl. insbesondere F. Heider, The Psychology of Interpersonal Relations, New York: Wiley, 1958; L. Festinger, A Theory of Cognitive Dissonance, Evanston, Ill.: Row, Peterson, 1957.
Vgl. z. B. L. Festinger, S. Schachter und K. Back:, op. cit., S. 60–113.
Vgl. G. C. Homans, Elemtarformen sozialen Verhaltens, op. cit., S. 85–90.
E. L. Walker und R. W. Heyns, An Anatomy for Conformity, Englewood Cliffs, N. J.: Prentice-Hall, 1962, S. 98.
J. W. Thibaut und H. M. Kelley, op. cit., S. 103.
Vgl. besonders E. Goffmann, Wir alle spielen Theater — Die Selbstdarstellung im Alltag, München: R. Piper & Co., 1969.
Vgl. T. C. Schelling, The Strategy of Conflict, Cambridge, Mass.: Harvard Univ. Press, 1960.
Buch 5, 3. und 4. Kapitel.
G. C. Homans, Sentiments and Activities, New York: Free Press of Glencoe, 1962, S. 61–74.
Dies ist C. I. Barnards Unterscheidung von Effektivität und Effizienz in ders., The Functions of the Executive, Cambridge, Mass.: Harvard Univ. Press, 1938, S. 55–59.
Eine Zusammenfassung dieser Experimente findet sich in G. C. Homans, Elementarformen sozialen Verhaltens, op. cit., S. 288–308; vgl. auch E. P. Hollander, Leaders, Groups, and Influence, New York und London: Oxford Univ. Press, 1964.
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Momans, G.C. (1972). Grundlegende soziale Prozesse. In: Grundfragen soziologischer Theorie. VS Verlag für Sozialwissenschaften. https://doi.org/10.1007/978-3-322-84214-5_3
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