Zusammenfassung
Ursprünglich genügte eine Ausnahmeregel für Unzurechnungsfähige, um das Schuldprinzip, auf dem die strafrechtliche Sanktion aufbaute, abzustützen. Über Schuld und Strafe zu entscheiden, hieß seit dem bürgerlichen Strafrecht, über Täterschaft und Vernunftbesitz zu befinden. Um Zweifel über letzteren auszuschließen, kam die Psychiatrie erstmalig ins Spiel, als Diagnostikerin des Verrückten, nicht als Behandlungslehre. Ihre Zuständigkeit blieb sehr beschränkt. Das änderte sich mit dem Rechtspositivismus, mit dem Wandel des Strafrechts zum Maßnahmenrecht, mit der Orientierung von Justizmaßnahmen am gesell-schaftlichen Sicherheitsbedarf statt am Schuldausmaß. Damit verlor die bloße Diagnose der Zurechnungsfähigkeit an Bedeutung gegenüber der weiteren Behandlungstätigkeit der Psychiatrie, gegenüber ihrem Anteil an der Verantwortung gegenüber der gefährdeten Gesellschaft für den Rechtsbrecher. Seit es galt, nicht der Schuld, sondern der Gefährlichkeit von Straftätern gerecht zu werden, gewann neben der Diagnose die Prognose des Geisteszustandes und Sozialverhaltens an Relevanz und neben der Sicherungsverwahrung — zu deren Terminisierung und Determinierung — die Behandlung des Straftäters. Der zeitliche Behandlungsbedarf zum Abbau der Gefährlichkeit wurde zum eigentlichen Strafzumessungskriterium, zur selbst kaum definierbaren Eingrenzung und Rechtfertigung von strafrechtlichen Maßnahmen. Mit der Rationalisierung des Strafrechts nicht mehr als Instrument abstrakter Gerechtigkeit, sondern zum Instrument der Prävention von künftigem Schaden für die Gesellschaft durch Kriminalität, kam die Behandlung zur Strafe.
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Pilgram, A. (1984). Einleitung. In: Eisenbach-Stangl, I., Stangl, W. (eds) Grenzen der Behandlung. VS Verlag für Sozialwissenschaften. https://doi.org/10.1007/978-3-322-84052-3_9
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