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Die Verordnung von Nüchternheit Zur Kontrollgeschichte verbotener Drogen

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Book cover Grenzen der Behandlung
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Zusammenfassung

Drogenverkehrskontrollen entspringen höchst unterschiedlichen und häufig widersprüchlichen Interessen, die sich nicht erst heute zu politischen Konflikten zuspitzen. So schreibt Austin (1981) über die „Drogenkrise des frühen modernen Europa“, die im 16. Jahrhundert begann und im 17. Jahrhundert wahrscheinlich ein Ende fand. Trunkenheit stieg in dieser Zeit, vermutlich durch die größere Kommerzialisierung der Alkoholproduktion verursacht, und wurde in Deutschland von den Reformatoren als bekämpfungsbedürftiges moralisches und gesundheitliches Übel deklariert. Auch der sich zu dieser Zeit in Europa verbreitende Tabak- und Kaffeekonsum führte zu heftigen „Anti-Drogen-Kampagnen“. Im England und Preußen des 17. Jahrhunderts setzten die Monarchen aus fiskalischen und disziplinatorischen Gründen Maßnahmen gegen den Tabak-und Kaffeegenuß. Als ersichtlich wurde, daß das Tabakrauchen in England mit exorbitanten Steigerungen der Zölle (um 4.000 %) nicht zu reduzieren war und vor allem den Schmuggel förderte (und damit die Einnahmen des Königs schmälerte), wurden die Zölle wieder gesenkt und der Anbau in den eigenen Kolonien gefördert (Austin 1981, S. 69 f.). Austin nennt vor allem zwei Konsequenzen der Errichtung desenglischen und französischen Tabakmonopols: „Erstens wurde die öffentliche Tabakdebatte zu einem Ende gebracht (…) Zweitens ging es in den Kontroversen um Tabak auch um den Preis und die Wirkung des Monopols, während der Überlegung einer Konsumbeschränkung nur noch wenig Aufmerksamkeit gewidmet wurde“ (S. 70).

Hätte ich schon früher die dieser starken Droge eigenen raffinierten Kräfte erkannt, die (wenn besonnen angewendet) erstens die Kraft haben, alle Erregungen des Nervensystems zu beruhigen, zweitens die Kraft, alle Lustempfindungen zu steigern, drittens die Kraft, bei außergewöhnlichen Anforderungen (vor die alle Menschen zuzeiten gestellt sind) vierundzwanzig Stunden hintereinander die sonst schwindende physische Energie aufrechtzuerhalten — hätte ich all das gewußt oder vermutet, hätte ich unfehlbar mit Opiumessen auf der Suche nach besonderer Kraft und besonderer Lust, nicht jedoch nach Befreiung von besonderer Qual begonnen. Und warum auch nicht? Wenn das ein Fehler wäre, wäre es dann nicht derselbe Fehler, den die meisten von uns jeden Tag in bezug auf Alkohol begehen? Dürfen wir denn auch ihn nur als Medizin benutzen? 1st Wein unzulässig, wenn er nicht als schmerzstillendes Mittel benutzt wird? Ich hoffe nicht, denn sonst müßte ich heucheln und ein unnormales Zucken in meinem kleinen Finger vorschützen, und damit würde ich, der ich gegenwärtig ein wahrheitsliebender Mensch bin, wie in einer Ovidschen Metamorphose allmählich Zoll um Zoll zum Simulanten. Nein, die gesamte Menschheit betrachtet es als zulässig, Wein zu trinken, ohne die Berechtigung dafür durch ein ärztliches Attest nachweisen zu müssen. Dieselbe Freiheit erstreckt sich aber auch auf den Gebrauch von Opium. Was ein Mensch gerechterweise im Wein suchen darf, darf er gerechterweise ohne Zweifel auch im Opium finden.

(de Quincey)

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© 1984 Westdeutscher Verlag GmbH, Opladen

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Eisenbach-Stangl, I. (1984). Die Verordnung von Nüchternheit Zur Kontrollgeschichte verbotener Drogen. In: Eisenbach-Stangl, I., Stangl, W. (eds) Grenzen der Behandlung. VS Verlag für Sozialwissenschaften. https://doi.org/10.1007/978-3-322-84052-3_16

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  • DOI: https://doi.org/10.1007/978-3-322-84052-3_16

  • Publisher Name: VS Verlag für Sozialwissenschaften

  • Print ISBN: 978-3-531-11717-1

  • Online ISBN: 978-3-322-84052-3

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