Zusammenfassung
Es ist fast schon trivial, dem rechtlichen Regelsystem sein Zurückbleiben hinter der Dynamik des technischen Prozesses vorzuhalten. Was an manchen juristischen Strategien, die zur Überwindung der Regelungslücke vorgeschlagen werden, stutzig macht, ist ihre Bereitschaft, die Diktate des „enormen Fortschritts der Technik“1 unbefragt hinzunehmen. So deutet Lukes das Verhältnis von Recht und Technik in den kantischen Kategorien von Sein und Sollen2, wobei es bereits dem Entwurf der Fragestellung als ausgemacht gilt, daß die Diskrepanz zwischen Technik und rechtlichem Sollen vermittels der Anpassung der Verfahren der Rechtserzeugung an die technischen Seinsstrukturen zu beseitigen sei. Die angestrebte „Sicherung eines ungehemmten technischen Fortschritts“3 scheint den Verzicht auf die Arbeit der praktischen Vernunft vorauszusetzen. Andere Autoren4 zeigen sich zwar skeptischer gegenüber den Segnungen des technischen Fortschritts. Jedoch fällt auch ihre Einschätzung der Fähigkeit des Rechts, die technische Entwicklung in die Bahnen rechtlichen Sollens zu zwingen, eher pessimistisch aus5. Eine grundsätzliche Auseinandersetzung mit dem Phänomen Technik lassen auch diese Theorieansätze vermissen.
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Anmerkungen
Lukes, Das Atomrecht im Spannungsfeld zwischen Technik und Recht, NJW 1978, 241 ff., 244.
Lukes, Die Regelung technischer Sachverhalte in der Rechtsordnung, in Lukes/ Birk-hofer (Hrsg.), Rechtliche Ordnung der Technik als Aufgabe der Industriegesellschaft, Köln 1980, 81 ff.
Lukes (Fn 1), 246.
So z.B. Bender, Der Verwaltungsrichter im Spannungsfeld zwischen Rechtsschutzauftrag und technischem Fortschritt, NJW 1978, 1945 ff.; Breuer, Direkte und indirekte Rezeption technischer Regeln durch die Rechtsordnung, AöR 101 (1976), 46 ff.
Bender (Fn 4), 1946 bezeichnet es als Aufgabe des objektiven Rechts, dem Verant-wortungsbewußtsein des Technikers ein „ethisches Minimum“ rechtlich vorzugeben. Breuer (Fn 4), 49 hält die Rechtsordnung für überfordert, wenn sie die „Kompliziertheit, Komplexität und Dynamik der Technik“ total, detailliert und variabel erfassen wollte.
Die Perfektion der Technik, 6. Aufl., Frankfurt 1980.
Gedanken zur Industriegesellschaft, Mainz 1970, insbes. 131 ff.; Der Ernst des Fortschritts, in: ders. u.a., Technik im technischen Zeitalter, Düsseldorf 1965, 80 ff.
Forsthoff, Der Staat der Industriegesellschaft, München 1971, 47.
Forsthoff, Von der sozialen zur technischen Realisation, Der Staat, 1970, Bd. 9, 145 ff., 159.
Forsthoff (Fn 8), 35 f.
E. Jünger, Der Arbeiter, Stuttgart 1981 (Erstaufl. 1932), S. 155 ff., 191.
Forsthoff (Fn 8), 34.
Forsthoff (Fn 8), 42 ff. — Zum Verhältnis von Technik und staatlicher Macht vgl. Meyer-Abich, in: ders./Schefold, Wie möchten wir in Zukunft leben. Der „harte“ und der „sanfte“ Weg, München 1971, 72 ff. und zu Forsthoff 78.
Forsthoff, Lehrbuch des Verwaltungsrechts, 10. Aufl., München 1973, 75 ff.; ders., Technisch bedingte Strukturwandlungen des modernen Staates, in: Frey er (Fn 7), 211 ff., 221 f.
Schmitt, Die Lage der europäischen Rechtswissenschaft, in: ders., Verfassungsrechtliche Aufsätze, Berlin 1973, 386 ff., insbes. 422
Forsthoff, Grenzen des Rechts, Königsberg 1941. Freilich gibt es auch anderslautende Äußerungen Forsthoffs vor allem aus den ersten Jahren des Naziregimes: Der Formalismus im öffentlichen Recht, Deutsches Recht, 4 (1934), 347 ff. und: Der totale Staat, Hamburg 1933.
Forsthoff, Begriff und Wesen des sozialen Rechtsstaates, in: Rechtsstaat im Wandel, 2. Aufl., München 1976, S. 65 ff., 73.
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Jünger (Fn 6), 98 f.
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Sohn-Rethel, Geistige und körperliche Arbeit, Frankfurt 1971, insbes. 164 ff.
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Forsthoff, Recht und Sprache, in: Schriften der Königsberger Gelehrten Gesellschaft, 17. Jahr, 1940, 12. Gadamer, Wahrheit und Methode, 4. Aufl., Tübingen 1975, 307 ff., hat den Gedanken, daß zwischen rechtshistorischem und-dogmatichem Arbeiten kein signifikanter erkenntnistheoretischer Unterschied festzustellen sei, zur Untermauerung seiner generellen These herangezogen, das Problem der Applikation sei im hermeneutischen Verstehensprozeß mitenthalten.
Forsthoff, Deutsche Verfassungsgeschichte der Neuzeit, 3. Aufl., Stuttgart 1967, 75 f.
Forsthoff (Fn 16), 17.
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Forsthoff, Verfassung und Verfassungswirklichkeit der Bundesrepublik, in: (Fn 17), 29.
Forsthoff, Die Umbildung des Verfassungsgesetzes, in: (Fn 17), 130 ff.; Zur Problematik der Verfassungsauslegung, ebenda, 153 ff.; Der introvertierte Rechtsstaat und seine Verortung, ebenda, 175 ff.
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Schelsky, Der Mensch in der wissenschaftlichen Zivilisation, in: ders., Auf der Suche nach Wirklichkeit, München 1979, 449 ff., 469.
Forsthoff (Fn 8), 27.
Forsthoff (Fn 8), 25, 120, 169.
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Schmitt, Der Begriff des Politischen, Berlin 1963, 10 (Vorwort aus dem Jahre 1963).
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Storost (Fn 51) mwN.
Forsthoff (Fn 8), 25 f.
Schmitt, Das Zeitalter der Neutralisierungen und Entpolitisierungen, in: (Fn 47), 79 ff., insbes. 89 ff.
Hierzu E. Niekischs instruktive Kritik an Schmitts „Begriff des Politischen“: Zum Begriff des Politischen, in: Widerstand, 8 (1933), 369 ff.
R. Wolf, Rechtsordnung und Technostruktur: Die Grenzen regulativer Politik im Bereich der Kernenergie, in: Jahrbuch für Rechtssoziologie und Rechtstheorie, Bd. VIII, 1982, 240 ff., 257. Zum gleichen Problemkreis, allerdings mit der Perspektive, über die Generalklauseln die Statik des Rechts mit der Dynamik der Technik zu versöhnen: F. Nicklisch, Wechselwirkungen zwischen Technologie und Recht, NJW 1982, 2633 ff.
In BBU-aktuell, Nr. 2/1978, 31 findet sich hierzu eine verräterische Karikatur. Unter dem Titel „Demokratie“ stimmen Landtiere für die Trockenlegung eines Sees zur Errichtung von Parkplätzen. Dem Einwand der letzten noch lebenden Fische „Aber ohne Wasser können wir nicht leben“ halten sie entgegen „Wir sind in der Mehrheit“. Sobald ökologische Interessen mit einem solchen moralischen Rigorismus ausgestattet werden, sind demokratische Entscheidungsverfahren in der Tat ungeeignet. Die Konsequenz solcher Bilder wird deutlich, konfrontiert man sie mit der einfachen Frage: Quis judicabit?
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Neumann, V. (1984). Der harte Weg zum sanften Ziel. In: Roßnagel, A. (eds) Recht und Technik im Spannungsfeld der Kernenergiekontroverse. VS Verlag für Sozialwissenschaften. https://doi.org/10.1007/978-3-322-83941-1_6
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