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Der Klerikalismus als politisches Problem

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Zusammenfassung

Wer im Sommer 1955 im Bereich der westdeutschen Kulturpolitik Umschau hält, dem begegnet eine Reihe von Stichworten, die die Breite der kulturpolitischen Auseinandersetzung aufweisen. Wir nennen: Reichskonkordat vor dem Bundesverfassungsgericht, also Schulstreit in Niedersachsen noch nicht beigelegt; erbitterte Angriffe auf die bayerische Viererkoalition und ihr neues Lehrerbildungsgesetz, latente Spannungen im Südwestraum wegen der dortigen christlichen Gemeinschaftsschule und ganz ähnliche Auseinandersetzungen im Lande Rheinland-Pfalz; umgekehrt auch Unzufriedenheit mit dem von manchen Seiten als einseitig empfundenen Schulgesetz von Nordrhein-Westfalen oder Versuche, die Schulverhältnisse in Westberlin zu ändern. Im Bereich des höheren Schulwesens wird über die Beschlüsse der Düsseldorfer Ministerpräsidentenkonferenz debattiert und anderswo wird mit groβer Sorge darauf hingewiesen, daβ die zunehmende Verfestigung oder Erstarrung des geamten westdeutschen Schulwesens wenig erfreuliche Auspizien für die Wiedervereinigung Deutschlands eröffne. In den Zeitungen und in der öffentlichen Diskussion ist von Vergewaltigungen weltanschaulicher Minderheiten die Rede, von antikirchlichen Strömungen und Versuchen, den christlichen Geist aus der Schule zu verbannen, umgekehrt gehören Begriffe wie Klerikalismus oder Konfessionalismus wieder zum täglichen Sprachgebrauch — dies alles zehn Jahre nach dem Zusammenbruch, der mindestens die eine Hoffnung in sich barg, daβ aus ihm sich wenn auch keine Vereinigung, so doch eine gute Zusammenarbeit der beiden groβen Konfessionen ergeben würde, für die die Gründung einer gemeinsamen christlichen Partei die Voraussetzungen zu bieten schien.

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References

  1. Gutachten des Deutschen Ausschusses für das Erziehungs-und Bildungswesen sur politischen Bildung und Erziehung, in: Geschichte in Wissenschaft und Unterricht, 6. Jg., Februar 1955, S. 79 ff.

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  2. Da in der katholischen Presse solche Verfolgungen immer wieder bestritten werden, verweise ich u.a. auf: Die Lage der Protestanten in katholischen Ländern, Evangelischer Verlag A.G. Zollikon, Zürich, 1953, ohne Verfasser, und: Nachrichten der Ev.-Luth.Kirche in Bayern, 10.Jg., Nr. 2, S. 21 f.

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  3. Vgl. zum folgenden: Materialdienst des Konfessionskundlichen Instituts, 5. Jg., 6/1954, S. 86 ff. (Nachfolgend als “Materialdienst” zitiert.)

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  4. D. Theodor Heckel, Evangelische Autorität, ebenda S. 85.

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  5. Vgl. Der Groβe Brockhaus, 16. Aufl. 1953 (Bd. 6) Stichwort, und: Der Groβe Herder, 5. Aufl. Bd. 4. Hier wird Klerikalismus als “Schlagwort” bezeichnet, “das den über den kirchlichen Raum hinausreichenden Einfluβ des (kath.) Klerus im öffentlichen Leben bezeichnen soll. Als Klerikalismus wird häufig nicht nur der direkte politische Eingriff der Kirche bezeichnet, der auch nach kirchlicher Lehre grundsätzlich abzulehnen ist, sondern auch der in ihrem Lehrauftrag begründete Anspruch, religiös — sittliche Weisungen zu geben. Die Bezeichnung Klerikalismus geht davon aus, daβ Religion und Politik absolut zu trennen seien.”

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  6. Vgl. V.d. Heydte-Sacherl, Soziologie der deutschen Parteien, München 1955, S. 178.

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  7. W. Dirks, Die-Klerikalen” und die “Liberalen”, Frankfurter Hefte, 9. Jg., Mai 1954.

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  8. Soweit hier nicht auf allgemein bekannte Vorgänge hingewiesen wird, finden sich die Nachweise an anderer Stelle des Buches.

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  9. Zum folgenden: Der Groβe Brockhaus, Stichwort “Katholizismus”.

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  10. Emil Franzel, in: “Die Zeit” vom 24.10.1954, vgl. auch Antwort von W. Dirks in den Frankfurter Heften vom Dezember 1954. — Der Anspruch des Papstes selbst geht freilich gelegentlich sogar noch weiter. In seiner Weihnachtsbotschaft vom 24.12.1951 verwahrt sich Pius XII. gegen die Versuche, die Kirche von ihrer Neutralität abzubringen, fährt aber fort: “Die Kirche aber hält sich fern von solchen veränderlichen Gruppierungen. Wenn sie ein Urteil fällt, so ist das für sie nicht ein Heraustreten aus einer bisher gewahrten Neutralität; Gott ist ja niemals neutral gegenüber den menschlichen Dingen, gegenüber dem Lauf der Geschichte; darum kann es auch die Kirche nicht sein. Wenn sie spricht, dann tut sie es Kraft ihrer gottgewollten Sendung. Wenn sie über die Fragen des Tages spricht und urteilt, so geschieht es in dem klaren Bewuβtsein, in der Kraft des Heiligen Geistes das Urteil vorwegzunehmen, das am Ende der Zeiten ihr Herr und Haupt, der Richter des Weltalls, bestätigen und bekräftigen wird.” Otto von Bismarck sagte dazu am 10.3.1873 im preuβischen Herrenhaus: “Das Ziel, welches der päpstlichen Gewalt, ununterbrochen vorschwebte, ist die Unterwerfung der weltlichen Gewalt unter die geistliche, ein eminent politischer Zweck, ein Streben, welches aber so alt ist wie die Menschheit; denn so lange hat es auch, sei es kluge Leute, sei es wirkliche Priester gegeben, die die Behauptung aufstellten, daβ ihnen der Wille Gottes genauer bekannt sei als ihren Mitmenschen, und daβ sie auf Grund dieser Behauptung das Recht hätten, ihre Mitmenschen zu beherrschen; ”

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  11. Siehe Fuβnote 12 auf der folgenden Seite.

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  12. Als weiteres Beispiel noch einige Sätze aus einem Aufsatz von Dr. E. K. Winter in der katholischen “Orientierung”, Zürich, vom 15.4.1955: “Niemals noch in der Geschichte der Menschheit hatte das Christentum einen machtvolleren Schlüssel in den Händen, um das Höllentor aufzuriegeln. Dieser Schlüssel ist in letzter Linie nicht in Händen irgendeiner vagen christlichen Ökumene, auch nicht in Händen irgendeiner noch so machtvollen christlichen Sondergruppe (deren mächtigste, der Anglika-nismus, das Schicksal der Krone und des Reiches teilt, denen er sich spirituell überantwortet hat), sondern einzig und allein in den Händen der katholischen Kirche, das aber ist des Papsttums. Wenn es einen Einzelmenschen gibt, dessen geistige Macht den Atomwahnsinn der Weltmächte bändigen und die Menschheit vor der drohenden Atomkatastrophe bewahren kann, so ist es allein der Stellvertreter Christi auf Erden. Kann jemand daran zweifeln, daβ die ganze Welt nicht nur die christlichen Völker auf ihn hören würden, wenn er dem Sturm in ihren Herzen machtvoll gebieten und den Dämonen drohen werde, die das Schicksal der Menschen ausschlieβlicher zu bestimmen scheinen als die Weisheit der Staatsmänner auf beiden Seiten.” Eine gute Charakteristik des katholischen Integralismus findet man bei Friedrich Herr, Sprechen wir von der Wirklichkeit, Nürnberg 1954, v.a. im Kapitel “Von der Freiheit in der Kirche.”

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  13. Vgl. z.B. E. Franzel a.a.O. Wolfgang Sucker, Der deutsche Katholizismus 1945-1950, Gütersloh, 1952, S. 102 f. stellt angesichts der Frage nach dem “Gewicht päpstlicher Äuβerungen” dem Rheinischen Merkur die Frankfurter Hefte gegenüber. Bei Roegele vom Merkur werden Papstworte “zu politischen Aktionen, die eben auch auf dem politischen Felde den Papst zu einer Autorität machen, nach deren Äuβerung eine Diskussion nicht mehr möglich ist”. Sie erhalten “den Stempel eines unverbrü chlichen Gesetzes und der Papst wird zu einer Art Weltmonarch”. Man unterstellt dabei das Vorhandensein einer katholischen Welt und setzt ein notwendiges Ziel: das christliche Abendland. Jede Papstäuβerung steht in der Dignität des unfehlbaren Lehramtes, “dessen Bereich keine Grenzen kennt. Diese Auffassung hat darum auch ein spezielles Verhältnis zur Hierarchie. Das Ziel der Welt ist ihre Verkirchlichung.” “Von ganz anderer Art ist der Katholizismus von Walter Dirks und derer, deren Repräsentant er ist … Seine Arbeit ist folgerichtig der Erhaltung und geistigen Bewältigung der Situation der Menschen unserer Zeit gewidmet. Diese nüchterne Ortsbestimmung wird vollzogen und zugleich im Gegenwärtigen der Entwurf eines Kommenden festgestellt, das nach Gestaltwerdung trachtet. Nur im Gehorsam auf den Anruf des Heute und im alles wagenden Offensein für das im Heutigen sich ankündigende Morgen ist der Mensch im Gegenüber mit dem Ewigen, anders nicht. … Eine kleine Theologie dieses Kreises hat der Laie Ernst Michel in seiner Schrift ‘Renovatio. Zur Zwiesprache zwischen Kirche und Welt’ vorgelegt. Darin kann man genau die Begründung lesen für die … Ortsbestimmung der Papstworte. ‘Wo die Kirche selbst berufen ist, in die Sozialbereiche gestaltend einzugehen, gilt für sie auch hier, daβ sie aus der Liebe und nicht aus dem Gesetz wirke, ihr Tun also nicht den Charakter der Gesetzesgebundenheit trage. Das schlieβt ein, daβ der Kirche nicht der Wirkbereich der Gesetzesmächte ‘dieser Welt’ in gleicher Art wie diesen Mächten zusteht. Ihrer Hierarchie ist nicht letztinstanzlich die Souveränität über die Gesetzesausübung zugesprochen; deshalb ist es von Grund auf nicht ihre Sache, der Welt durch Verpflichtung auf Prinzipien des sozialen Zusammenlebens, der staatlichen, rechtlichen, gesellschaftlichen, wirtschaftlichen Ordnung Maxime des Handelns vorzuschreiben’…”

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  14. Vgl. etwa Hans Hermann Wals, Der politische Auftrag des Protestantismus in Europa, Tübingen 1955, S. 58 ff.

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  15. Vgl. z.B. den Beginn eines Kommentars zu einem Vortrag, in dem von der Freiheit der Wissenschaft die Rede war, im Regensburger Tagesanzeiger vom 16.2.1955: “Das Wort Freiheit ist die Dirne des modernen Sprachgebrauches. Von der Freiheit der Volksdemokratie bis zur Freiheit zur Volkspornographie stehen die Helden auf den Barrikaden. Konsequent müβten sie dann auch d i e Freiheit der Wissenschaft fordern, die uns letzten Endes von der Welt befreit.”

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  16. Vgl. E.B. Bundesminister Frans Joseph Würmeling: “Als katholische Christen wissen wir, daβ wir besser sind als unsere heidnische Umwelt.” Meldung der Süddeutschen Zeitung (SZ) vom 19.11.1954. Von Dr. Würmeling dementiert und lt. obiger Meldung Gegenstand eines Prozesses zwischen ihm und Dr. Dehler. Vgl. auch FAZ vom 18.11.1954.

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Ralf Zoll

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© 1987 Westdeutscher Verlag GmbH, Opladen

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Ellwein, T. (1987). Der Klerikalismus als politisches Problem. In: Zoll, R. (eds) Politische Praxis. VS Verlag für Sozialwissenschaften. https://doi.org/10.1007/978-3-322-83927-5_4

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